Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässigkeit Insolvenzrechtsbeschwerde. Grundsätzliche Bedeutung eines Verfahrensbestands. Vergütungsanpassung vorläufiger Insolvenzverwalter. Masseunzulänglichkleit nach Insolvenzeröffnung. Unzumutbarkeit Gläubiger
Leitsatz (amtlich)
a) Wird eine Insolvenzrechtsbeschwerde mit einheitlichem Verfahrensgegenstand auf mehrere Gesichtspunkte gestützt, so ist sie, falls auch nur einer der Gesichtspunkte eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung berührt, insgesamt zulässig.
b) Die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters ist grundsätzlich in der Weise zu berechnen, dass besondere Umstände, welche die Tätigkeit erleichtern oder erschweren, unmittelbar den für den vorläufigen Insolvenzverwalter maßgeblichen Bruchteil verringern oder erhöhen.
c) Hat der vorläufige Insolvenzverwalter durch seine Tätigkeit die Voraussetzungen für eine Erhöhung der Vergütung erfüllt, kann die entsprechende Festsetzung nicht mit der Begründung abgelehnt werden, die Erhöhung der Vergütung sei im Hinblick auf eine nach Insolvenzeröffnung angezeigte Masseunzulänglichkeit den Gläubigern nicht zumutbar.
Normenkette
InsO § 7; ZPO § 574 Abs. 2, § 577 Abs. 2 S. 2; InsVV § 11 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Oldenburg (Beschluss vom 19.02.2003) |
AG Oldenburg (Oldenburg) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers wird der Beschluss der 6. Zivilkammer des LG Oldenburg v. 19.2.2003 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 64.441,25 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller wurde durch Beschluss des Insolvenzgerichts v. 9.8.2002 zum vorläufigen Insolvenzverwalter in dem Insolvenzeröffnungsverfahren über das Vermögen der J. GmbH (nachfolgend: Schuldnerin) bestellt. Gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 2, § 22 Abs. 2 InsO wurde angeordnet, dass Verfügungen der Schuldnerin nur mit Zustimmung des Antragstellers wirksam sind und dass der Antragsteller das Unternehmen der Schuldnerin vorläufig fortzusetzen habe. Das vorläufige Insolvenzverfahren endete am 1.10.2002 mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Der Antragsteller wurde zum Insolvenzverwalter ernannt.
Für seine Tätigkeit als vorläufiger Insolvenzverwalter berechnete der Antragsteller eine Vergütung (incl. Auslagenersatz) von 119.287,57 Euro. Das Insolvenzgericht hat sie auf lediglich 54.846,32 Euro festgesetzt. Dabei hat es die vom Antragsteller ermittelte Bemessungsgrundlage, nämlich die fiktive Vergütung des (endgültigen) Insolvenzverwalters, wegen der erheblichen Zahl von Arbeitnehmern der Schuldnerin um 10 % erhöht. Den auf den vorläufigen Insolvenzverwalter entfallenden Bruchteil - dem Regelfall entsprechend 25 % - hat es wegen des Vorhandenseins einer zweiten Betriebsstätte um 5 % und wegen der vom Antragsteller unternommenen Sanierungsbemühungen um weitere 10 % auf insgesamt 40 % erhöht. Weitere Zuschläge hat es abgelehnt. Das LG hat die sofortige Beschwerde des Antragstellers zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt dieser sein Begehren weiter.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist nach § 7 InsO, § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Sie ist nach § 574 Abs. 2 ZPO insgesamt zulässig und führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.
1. Soweit die Rechtsbeschwerde beanstandet, der angefochtene Beschluss beruhe auf einer unzutreffenden Methode, die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters zu berechnen, wird eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Die Beanstandung ist auch in der Sache gerechtfertigt.
a) In Rechtsprechung und Schrifttum ist umstritten, wie die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters nach § 11 Abs. 1 InsVV zu berechnen ist. Hauptsächlich werden drei Meinungen vertreten. Die Erste steht grundsätzlich auf dem Standpunkt, Besonderheiten bezüglich des Umfangs oder der Schwierigkeit der Tätigkeit des vorläufigen Insolvenzverwalters seien bereits bei der Festlegung der fiktiven Vergütung des Insolvenzverwalters zu berücksichtigen, an der die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters sich prozentual auszurichten habe (OLG Celle ZInsO 2001, 1003 [1005]; LG Göttingen ZInsO 2001, 794 [795]; Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsVV, 3. Aufl., § 11 Rz. 36). Nach anderer Ansicht beeinflussen diese Besonderheiten lediglich die Höhe des für den vorläufigen Insolvenzverwalter maßgeblichen Prozentsatzes (vgl. OLG Stuttgart ZInsO 2001, 897 [899]; LG Berlin ZInsO 2001, 608 [611]; LG Mönchengladbach ZInsO 2001, 750 [751]; LG Bonn ZInsO 2002, 1030; LG Neubrandenburg ZInsO 2003, 26 [27]; Graeber, Die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters, 2003, § 11 InsVV S. 60;
Lorenz in FKomm/InsO, 3. Aufl., § 11 InsVV Rz. 8; wohl auch Eickmann, InsVV, 2. Aufl., § 11 Rz. 25). Nach einer dritten, differenzierenden Meinung kommt es darauf an, ob die Besonderheiten dem Verfahren als Ganzem - also sowohl vor als auch nach Insolvenzeröffnung - anhaften (LG Braunschweig ZInsO 2001, 552 [553]; Blersch in Breutigam/Blersch/Goetsch, InsO, § 11 InsVV Rz. 27 f.; im Ansatz auch OLG Frankfurt ZInsO 2001, 606 [607]; ebenso für die Sequestervergütung bereits LG Baden-Baden NZI 1999, 159 [160]). Danach wirken sich solche Umstände, die das gesamte Verfahren prägen, bereits auf die fiktive Regelvergütung des Insolvenzverwalters aus; solche, die nur das Insolvenzeröffnungsverfahren betreffen, sind ausschließlich bei der Bruchteilsbestimmung zu berücksichtigen. Dieser Meinung sind im vorliegenden Fall Amts- und LG gefolgt.
Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat diese Frage bislang noch nicht zu entscheiden gehabt (BGH, Beschl. v. 14.12.2000 - IX ZB 105/00, BGHZ 146, 165 = MDR 2001, 592 = BGHReport 2001, 263 = ZIP 2001, 165; wurde sie entgegen - Lorenz in FKomm/InsO, 3. Aufl., § 11 InsVV Rz. 8 - nicht behandelt; Entsprechendes gilt für Beschl. v. 24.6.2003 - IX ZB 453/02, BGHReport 2003, 1245 = MDR 2003, 1252 = NZI 2003, 547 [548]; Beschl. v. 17.7.2003 - IX ZB 10/03, BGHReport 2003, 1241 = MDR 2003, 1441 = NZI 2003, 549). Sie wird im vorliegenden Fall erheblich. Zwar können alle drei Berechnungsmethoden idealtypisch zum gleichen Ergebnis führen. In der Praxis können sich jedoch Unterschiede ergeben. Im vorliegenden Fall hat die Rechtsbeschwerde dargetan, dass - unter Zugrundelegung des bisher diskutierten Faktors für die überdurchschnittlich hohe Zahl der Arbeitnehmer - die Nettovergütung des Antragstellers höher wäre, wenn kein Zuschlag auf die fiktive Vergütung des Insolvenzverwalters gewährt, sondern - wie der Antragsteller dies anstrebt - der für den vorläufigen Insolvenzverwalter zu ermittelnde Bruchteil erhöht würde.
Der BGH schließt sich nunmehr der zweiten Meinung an. Diese hat er bereits in seinen bisherigen Entscheidungen zu Grunde gelegt, ohne die Frage zu problematisieren. Zwar ist die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters, wie sich aus § 11 Abs. 1 S. 2 InsVV ergibt, als Bruchteil einer fiktiven Insolvenzverwaltervergütung zu bemessen (st. Rspr.; BGH v. 14.12.2000 - IX ZB 105/00, BGHZ 146, 165 [171] = MDR 2001, 592 = BGHReport 2001, 263). Besonderheiten, welche, verglichen mit dem Normalfall, die Tätigkeit des vorläufigen Insolvenzverwalters als mehr oder weniger schwierig oder aufwändig erscheinen lassen, sind deswegen aber nicht bereits bei der fiktiven Insolvenzverwaltervergütung, die für die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters die Bemessungsgrundlage darstellt, zu berücksichtigen. Dies gilt selbst dann, wenn diese Besonderheiten auch das Verfahren nach Insolvenzeröffnung geprägt haben und somit für die Vergütung des endgültigen Verwalters wesentlich sind. Für die Bemessung der Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters kann es nicht auf Umstände ankommen, die sich nach Beendigung des Eröffnungsverfahrens ergeben haben; es ist deshalb hinzunehmen, dass die fiktive Verwaltervergütung als Bemessungsgrundlage für den vorläufigen Verwalter und die wirkliche Verwaltervergütung, wie sie später festgesetzt wird, nicht notwendig übereinstimmen. Die Schwierigkeit und die Bedeutung der vorläufigen Insolvenzverwaltung ist aus sich heraus zu bewerten. Dies kann durchweg dadurch geschehen, dass der für die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters maßgebliche Prozentsatz entsprechend den Verhältnissen des konkreten Einzelfalls verändert wird.
Diese Verfahrensweise gewährleistet eine angemessene Vergütung der von dem vorläufigen Insolvenzverwalter zu erbringenden Leistungen. Würden Erschwernisse und Erleichterungen stets in die fiktive Vergütung des endgültigen Insolvenzverwalters einfließen, von welcher der vorläufige Insolvenzverwalter einen Prozentsatz erhält, würde der vorläufige Insolvenzverwalter unangemessen benachteiligt oder bevorzugt, wenn sich jene Erschwernisse und Erleichterungen tatsächlich nur in dem Insolvenzeröffnungsverfahren bemerkbar gemacht haben. Wenn umgekehrt die Erschwernisse und Erleichterungen ausschließlich das Verfahrensstadium nach Insolvenzeröffnung betroffen haben, sind sie für die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters unbeachtlich. Haben die Erschwernisse oder Erleichterungen das Verfahren als Ganzes geprägt, muss zwar sichergestellt sein, dass sie nicht doppelt Berücksichtigung finden (einmal bei der als Bemessungsgrundlage dienenden fiktiven Insolvenzverwaltervergütung und ein zweites Mal durch Zu- oder Abschläge bei dem auf den vorläufigen Insolvenzverwalter entfallenden Prozentsatz). Eine solche Gefahr besteht jedoch nicht, wenn die fraglichen Umstände ausschließlich auf die Bemessung dieses Prozentsatzes Einfluss haben. Diese Berechnungsmethode ist zudem praktikabel und vermeidet Missverständnisse sowie Überschneidungen (zutreffend Lorenz in FKomm/InsO, 3. Aufl., § 11 InsVV Rz. 8).
b) Die Berechnungsweisen des Insolvenz- wie auch des Beschwerdegerichts stimmen mit diesen Grundsätzen nicht überein. Die "erhebliche Zahl der Mitarbeiter" wurde bei der Ermittlung der fiktiven Verwaltervergütung berücksichtigt. Dadurch ist der Antragsteller beschwert.
2. Die weiteren Beanstandungen der Rechtsbeschwerde berühren zwar keine Grundsatzfragen; insoweit würde auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordern. Ist eine Rechtsbeschwerde auf mehrere Gesichtspunkte gestützt, von denen nur einzelne rechtsgrundsätzliche Bedeutung haben, so ist jedoch die Rechtsbeschwerde regelmäßig insgesamt zulässig nach § 574 Abs. 2 ZPO. Das Rechtsbeschwerdegericht hat dann auch auf die anderen, nicht für rechtsgrundsätzlich erachteten Rügen einzugehen. Der BGH hat dies bereits für die Zulassung einer Revision auf Grund einer Nichtzulassungsbeschwerde nach § 544 Abs. 6 ZPO entschieden (BGH, Beschl. v. 18.7.2003 - V ZR 187/02, BGHReport 2003, 1231 = MDR 2004, 48 = NJW 2003, 3205 [3206]). Für die Zulässigkeit einer kraft Gesetzes statthaften Rechtsbeschwerde nach § 574 Abs. 2 ZPO kann nichts Anderes gelten (vgl. Ganter in MünchKomm/InsO, § 7 n. F. Rz. 87 ff.). Auch das Rechtsbeschwerdegericht hat nicht lediglich die Rechtsfragen, derentwegen die Rechtsbeschwerde zulässig ist, sondern darüber zu entscheiden, ob die Ausgangsentscheidung zutreffend ist. Dabei ist es an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden (§ 577 Abs. 2 S. 2 ZPO). Allerdings hat die Prüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht zur Voraussetzung, dass der Rechtsbeschwerdeführer sachliche oder verfahrensrechtliche Rügen erhoben hat.
Dass eine einzelne, rechtsgrundsätzliche Fragen berührende Rüge auch für die anderen Rügen die Rechtsbeschwerdeinstanz eröffnet, gilt jedenfalls dann, wenn die mehreren Rügen rechtlich unselbstständige Teile der angefochtenen Entscheidung betreffen. So verhält es sich im vorliegenden Fall. Die verschiedenen Angriffe der Rechtsbeschwerde richten sich dagegen, dass Erschwernisse der Tätigkeit entweder überhaupt nicht oder in zu geringem Maße oder methodisch an der falschen Stelle berücksichtigt worden seien. Der Verfahrensgegenstand ist dabei durchweg derselbe, nämlich der Vergütungsanspruch des Antragstellers als vorläufiger Insolvenzverwalter.
Insoweit sind die Angriffe der Rechtsbeschwerde teilweise gerechtfertigt.
a) Die Frage, ob die Anordnung eines allgemeinen Zustimmungsvorbehalts gem. § 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO bereits für sich allein, ohne Rücksicht auf die tatsächlich daraus sich ergebenden Erschwernisse, eine erhöhte Vergütung rechtfertigt, hat der Senat bereits - im für den Antragsteller nachteiligen Sinne - entschieden (vgl. BGH, Beschl. v. 24.6.2003 - IX ZB 453/02, BGHReport 2003, 1245 = MDR 2003, 1252 = NZI 2003, 547 [548]).
b) Soweit gerügt wird, das Insolvenzgericht habe eine weitere Erhöhung der Vergütung deshalb abgelehnt, weil diese im Hinblick auf die inzwischen angezeigte Masseunzulänglichkeit den Gläubigern nicht zumutbar sei, ist der Rechtsbeschwerde zuzugeben, dass eine derartige Betrachtungsweise mit dem Gesetz nicht vereinbar ist. Wenn die Masse nicht einmal zur Deckung der Massekosten nach § 54 InsO ausreicht, ist das Verfahren unverzüglich einzustellen (§ 207 InsO). Ein derartiger Fall liegt nach den Feststellungen nicht vor. Die Masseunzulänglichkeit ist auch erst nach Insolvenzeröffnung angezeigt worden. Reicht die Masse aus, um die Kosten des Verfahrens zu decken, nicht jedoch alle anderen Masseverbindlichkeiten, ist nach den §§ 208 bis 211 InsO zu verfahren. Die Verwaltervergütung nebst Auslagen ist erstrangig zu decken (§ 209 Abs. 1 Nr. 1 InsO). Die Massearmut wirkt sich über die Berechnungsgrundlage nach § 1 InsVV auf die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters aus. Von der Festsetzung einer Vergütung, die der vorläufige Insolvenzverwalter danach verdient hat, kann indes nicht deshalb abgesehen werden, weil dann für die anderen Massegläubiger weniger übrig bleibt (vgl. Eickmann, InsVV, 2. Aufl., § 1 InsVV Rz. 41 f.; Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsVV, 3. Aufl., § 1 InsVV Rz. 91 ff.).
Das Beschwerdegericht hat sich die beanstandete Erwägung des Insolvenzgerichts jedoch weder ausdrücklich noch - soweit erkennbar - in der Sache zu Eigen gemacht.
c) Teilweise begründet ist die Rüge, das Beschwerdegericht habe nicht alle vom Antragsteller dargelegten Erhöhungstatbestände berücksichtigt. Teilweise waren diese bereits dem Vergütungsantrag zu Grunde gelegt worden (nachfolgend aa); andere waren in der Beschwerdeinstanz nachgeschoben worden (nachfolgend bb bis ee).
aa) Der Antragsteller hat bereits in seinem Vergütungsantrag geltend gemacht, die von ihm durchgeführten Sozialplanverhandlungen für mehr als 130 Arbeitnehmer rechtfertigten eine Erhöhung der Vergütung. Das Insolvenzgericht hat diese Erhöhung abgelehnt, weil die geltend gemachten Bemühungen des Antragstellers dem Ziel der vorläufigen Betriebsfortführung gedient hätten. Da dieses Ziel erreicht und dadurch eine erhebliche Massemehrung bewirkt worden sei, von der - wegen der höheren Berechnungsgrundlage für die Vergütung - der Antragsteller bereits profitiert habe, komme eine weitere Erhöhung nicht in Betracht. Dem hat sich das Beschwerdegericht angeschlossen.
Diese Ausführungen sind nicht frei von Rechtsfehlern. Sozialplanverhandlungen mit mehr als 20 Betroffenen werden bei einem Insolvenzverwalter - auch bei dem nur vorläufigen - als "zuschlagswürdig" nach § 3 Abs. 1 Buchst. d, § 10 InsVV angesehen (AG Bielefeld ZInsO 2000, 350; Graeber, Die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters, 2003, S. 143 ff.; Eickmann, InsVV, 2. Aufl., § 3 Rz. 14, § 11 Rz. 20; Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsVV, 3. Aufl., § 3 Rz. 32, § 11 Rz. 76; Nowak in MünchKomm/InsO, § 11 InsVV Rz. 15; Lorenz in FKomm/InsO, 3. Aufl., § 11 InsVV Rz. 23), weil sie besonders arbeits- und kostenintensiv sind. Sie können zwar mittelbar - wie im vorliegenden Fall - zu einer Masseerhöhung führen. Dennoch ist es nicht gerechtfertigt, deswegen von einer besonderen Vergütung abzusehen. Selbst in den Fällen des § 3 Abs. 1 Buchst. a und b InsVV kann die Festsetzung eines Zuschlags nur unterbleiben, wenn die fragliche Tätigkeit zu einem "entsprechenden" Mehrbetrag nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 InsVV geführt hat. Dass im vorliegenden Fall der aus der Massemehrung fließende vergütungsmäßige Vorteil des Antragstellers seinem zusätzlichen Aufwand "entsprochen" habe, ist nicht dargelegt. Außerdem fehlt in § 3 Abs. 1 Buchst. d InsVV der Vorbehalt, dass ein Zuschlag im Hinblick auf eine Massemehrung entfallen könne.
Jedenfalls die Belastung, die aus der Vorfinanzierung des Insolvenzgeldes resultiert und auf die der Antragsteller außerdem abgehoben hat (zur Erheblichkeit dieses Gesichtspunkts vgl. AG Chemnitz DZWIR 2002, 391 [392]; Eickmann, InsVV, 2. Aufl., § 11 Rz. 20; Graeber, Die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters, 2003, S. 143; Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsVV, 3. Aufl., § 11 Rz. 76; Nowak in MünchKomm/InsO, § 3 InsVV Rz. 10, 23), wird nicht durch den von Insolvenz- und Beschwerdegericht herausgestellten Vorteil kompensiert.
bb) Begründet ist ferner die Rüge, das LG habe den Vortrag unberücksichtigt gelassen, dass im vorliegenden Fall die Schuldnerin einen ungewöhnlich hohen Jahresumsatz gehabt habe. Ein Jahresumsatz des Schuldner-Unternehmens von über 1.500.000 Euro wird nicht mehr als Normalfall betrachtet, rechtfertigt mithin einen Zuschlag (vgl. OLG Celle ZInsO 2001, 948 [951]; LG Mönchengladbach ZInsO 2001, 750 [751], Haarmeyer, ZInsO 2001, 215 [217]; Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsVV, 3. Aufl., § 11 Rz. 30; Lorenz in FKomm/InsO, 3. Aufl., § 11 InsVV Rz. 19). Der Antragsteller hat vorgetragen, im Jahr 2001 habe die Schuldnerin etwa 11.000.000 DM umgesetzt, allein in dem Zeitraum der vorläufigen Insolvenzverwaltung, die etwa sieben Wochen gedauert hat, habe er Rechnungen im Wert von 881.343,05 Euro fakturiert. Darauf ist in den Vorinstanzen nicht eingegangen worden.
cc) In der Beschwerdebegründung hat der Antragsteller ferner auf die von ihm vorgenommenen Massenentlassungen hingewiesen. Dieser Umstand kann nach § 3 Abs. 1 Buchst. d, § 10 InsVV Anlass für eine erhöhte Vergütung sein (Graeber, Die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters, 2003, S. 143; Eickmann, InsVV, 2. Aufl., § 3 Rz. 14; Nowak in MünchKomm/InsO, § 3 InsVV Rz. 10; vgl. auch Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsVV, 3. Aufl., § 4 InsVV Rz. 41). Auch dazu ist - wie die Rechtsbeschwerde mit Recht rügt - in der Beschwerdeentscheidung nicht Stellung genommen worden.
dd) Unberechtigt erscheint die Rüge, das Beschwerdegericht habe sich nicht mit dem Vorbringen des Antragstellers auseinander gesetzt, er habe das Unternehmen der Schuldnerin über zwei Monate mit 130 Arbeitnehmern fortgesetzt. Das Beschwerdegericht hat darauf hingewiesen, insofern habe das Insolvenzgericht den eigenen Wertungsspielraum "insbesondere durch den zusätzlichen Wertansatz hinreichend ausgeschöpft". Das erscheint rechtsfehlerfrei.
Die Betriebsfortführung kann gem. § 3 Abs. 1 Buchst. b Alt. 1, § 10 InsVV einen Vergütungszuschlag begründen, wenn sie die Arbeitskraft des vorläufigen Insolvenzverwalters in erheblichem Umfang gebunden hat (LG Traunstein ZInsO 2000, 510 [515]; LG Bonn ZInsO 2002, 1030 f.; Eickmann, InsVV, 2. Aufl., § 11 Rz. 20, 22; Graeber, Die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters, 2003, S. 72 ff.; Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsVV, 3. Aufl., § 11 Rz. 76; Nowak in MünchKomm/InsO, § 11 InsVV Rz. 15; Lorenz in FKomm/InsO, § 3 InsVV Rz. 15; Hess in Hess/Weis/Wienberg, § 3 InsVV Rz. 44 ff). Weitere Voraussetzung ist, dass durch die Betriebsfortführung keine oder nur eine solche Massemehrung stattgefunden hat, die dem Tätigkeitsaufwand des vorläufigen Insolvenzverwalters nicht entspricht (Graeber, Die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters, 2003, S. 73). Nach den Angaben des Antragstellers erhöhte sich der Wert der Masse durch die Betriebsfortführung über einen Zeitraum von ca. sieben Wochen um 881.343,05 Euro auf 3.928.558,01 Euro, d. h. um ca. 29 %. Unter diesen Umständen hält sich die Annahme, der Antragsteller sei insoweit durch die Zugrundelegung des höheren Werts genügend honoriert, im Rahmen des tatrichterlichen Ermessens.
ee) Gleichfalls ohne Erfolg beanstandet die Rechtsbeschwerde die fehlende Auseinandersetzung mit dem Vorbringen, der Antragsteller habe Zustellungen an 80 Drittschuldner und 252 Gläubiger vornehmen müssen. Das Zustellungswesen war dem Antragsteller erst in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter nach § 8 Abs. 3 InsO übertragen worden; eine entsprechende Anordnung für das Insolvenzeröffnungsverfahren, die nach § 21 Abs. 2 Nr. 1 InsO möglich gewesen wäre, ist ausweislich der Akten nicht erfolgt.
III.
Obwohl die Rügen der Rechtsbeschwerde nur teilweise berechtigt sind, ist der angefochtene Beschluss insgesamt aufzuheben. Die Festsetzung der Vergütung kann nur einheitlich erfolgen. Die Sache ist an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen, damit eine methodisch richtige Berechnung erfolgt, die bislang fehlenden Feststellungen zu II 2c aa bis cc nachgeholt werden und das Beschwerdegericht auf dieser Grundlage von seinem tatrichterlichen Ermessen Gebrauch macht.
Fundstellen
Haufe-Index 1118759 |
BGHR 2004, 701 |
EBE/BGH 2004, 4 |
NJW-RR 2004, 694 |
WM 2004, 585 |
WuB 2004, 359 |
ZIP 2004, 518 |
InVo 2004, 276 |
MDR 2004, 656 |
NZI 2004, 251 |
Rpfleger 2004, 309 |
ZInsO 2004, 265 |
RVG-B 2004, 24 |
ZVI 2004, 203 |