Entscheidungsstichwort (Thema)
Insolvenzverfahren. Unterlassene Angabe eines Sparkontos im Vermögensverzeichnis. Grobe Fahrlässigkeit § 290 InsO. Subjektiv schlechthin unentschuldbare Pflichtverletzung. Versagung der Restschuldbefreiung
Leitsatz (amtlich)
Zum Merkmal der groben Fahrlässigkeit in § 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO.
Normenkette
InsO § 290 Abs. 1 Nr. 6
Verfahrensgang
LG Karlsruhe (Beschluss vom 05.01.2006; Aktenzeichen 11 T 374/04) |
AG Karlsruhe (Beschluss vom 21.08.2003; Aktenzeichen 2 IK 468/00) |
Tenor
Der Schuldnerin wird Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 11. Zivilkammer des LG Karlsruhe vom 5.1.2006 gewährt.
Auf die Rechtsbeschwerde der Schuldnerin wird der Beschluss der 11. Zivilkammer des LG Karlsruhe vom 5.1.2006 aufgehoben.
Auf die sofortige Beschwerde der Schuldnerin wird der Beschluss des AG Karlsruhe vom 21.8.2003 abgeändert:
Der Antrag der weiteren Beteiligten zu 1), der Schuldnerin die Restschuldbefreiung zu versagen, wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Rechtsmittelverfahren hat die weitere Beteiligte zu 1) zu tragen.
Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 4.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
[1] Am 18.7.2000 beantragte ein Gläubiger der Schuldnerin, über deren Vermögen das Insolvenzverfahren zu eröffnen. Auf Ersuchen des Insolvenzgerichts übersandte der für die Schuldnerin zuständige Gerichtsvollzieher eine Niederschrift über die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung der Schuldnerin vom 11.7.2000 mit dem von ihm aufgenommenen Vermögensverzeichnis. Darin hatte die Schuldnerin eine von ihr auf ein Sparkonto geleistete Mietkaution i.H.v. 1.800 DM angeführt. In einem Anhörungstermin vor dem Insolvenzgericht gab die Schuldnerin Auskunft über ihre Vermögensverhältnisse. Ergänzend nahm sie auf ihre eidesstattliche Versicherung Bezug.
[2] Aufgrund eines entsprechenden Hinweises des Insolvenzgerichts stellte die Schuldnerin Eigenantrag. In dem beigefügten Vermögensverzeichnis gab sie die von ihr geleistete Mietkaution nicht an. Sie vermerkte jedoch unter "regelmäßige Zahlungsverpflichtungen", Mietzins zahlen zu müssen. Nach Scheitern des Schuldenbereinigungsverfahrens eröffnete das Insolvenzgericht am 13.12.2000 das Verbraucherinsolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin und verband die beiden Verfahren.
[3] Im Schlusstermin am 2.4.2003 beantragte eine Gläubigerin, die weitere Beteiligte zu 1), der Schuldnerin die Restschuldbefreiung zu versagen. Begründet wurde der Antrag u.a. damit, die Schuldnerin habe die Mietkaution nicht angegeben.
[4] Das Insolvenzgericht versagte die Restschuldbefreiung. Das LG wies die sofortige Beschwerde zurück. Die Schuldnerin begehrt Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde und verfolgt in der Sache ihren Antrag auf Gewährung der Restschuldbefreiung weiter.
II.
[5] 1. Der Schuldnerin ist Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde zu gewähren. Bis zur Ablehnung ihres fristgerecht eingereichten Antrags auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Rechtsbeschwerdeverfahren konnte sich die Schuldnerin wegen wirtschaftlichen Unvermögens an der Einlegung der Rechtsbeschwerde gehindert sehen (vgl. Zöller/Greger, ZPO 26. Aufl., § 234 Rz. 8). Die Schuldnerin hat ferner glaubhaft gemacht, dass sie erst nach Zurückweisung ihres Prozesskostenhilfegesuchs durch Zuwendung Dritter in die Lage versetzt wurde, die Kosten für das Rechtsbeschwerdeverfahren zu tragen.
[6] 2. Die nach §§ 6, 7, 289 Abs. 2 InsO i.V.m. § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) und hat in der Sache Erfolg.
[7] Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, die unterlassene Angabe des bestehenden Sparkontos in dem von der Schuldnerin eingereichten Vermögensverzeichnis erfülle den Versagungstatbestand des § 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO. Sie habe hierbei grob fahrlässig gehandelt. Es entlaste sie nicht, dass sie über das Kontoguthaben nicht habe verfügen dürfen. Dem Schuldner stehe es nicht zu, im Vorfeld zu selektieren, welche Vermögenspositionen später der Insolvenzmasse unterfallen werden und welche nicht. Der Einwand, sie habe bei der Frage nach Sparkonten und Sparbüchern "naheliegenderweise davon ausgehen" müssen, dass sie sich nur auf Sparguthaben beziehe, die auch wirklich zur Verfügung stünden, greife nicht durch. Der Umstand, dass sie in ihrem lediglich etwa zwei Monate zuvor im Zusammenhang mit der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung angefertigten Vermögensverzeichnis das Kautionsguthaben mit dem Zusatz "Darlehen als Mietkaution" aufgenommen habe, spreche dafür, dass sie sich auch bei Abgabe ihres Eigenantrags dieser Vermögensposition bewusst gewesen sei.
[8] 3. Das LG ist zwar zu Recht davon ausgegangen, dass die Schuldnerin die als Mietsicherheit verpfändete Forderung aus dem Sparkonto in dem von ihr nach § 305 Abs. 1 Nr. 3 InsO eingereichten Vermögensverzeichnis hätte angeben müssen. Vom Schuldner bestellte Sicherheiten sind Teil seines Vermögens. Die Annahme eines grob fahrlässigen Fehlverhaltens hält jedoch einer rechtlichen Prüfung nicht stand.
[9] a) Der Verschuldensgrad der groben Fahrlässigkeit ist in § 290 InsO nicht definiert. Die Rechtsprechung versteht darunter ein Handeln, bei dem die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße verletzt worden ist, ganz nahe liegende Überlegung nicht angestellt oder beiseite geschoben worden sind und dasjenige unbeachtet geblieben ist, was im gegebenen Fall sich jedem aufgedrängt hätte. Bei der groben Fahrlässigkeit handelt es sich um eine subjektiv schlechthin unentschuldbare Pflichtverletzung (BGHZ 10, 12, 16; 89, 153, 161; BGH, Urt. v. 13.12.2004 - II ZR 17/03, ZIP 2005, 345, 347; Beschl. v. 9.2.2006 - IX ZB 218/04, ZVI 2006, 258, 259).
[10] b) Die Feststellung der Voraussetzungen der groben Fahrlässigkeit ist zwar Sache des Tatrichters und mit der Rechtsbeschwerde nur bedingt angreifbar. Der Nachprüfung unterliegt aber, ob der Tatrichter den Rechtsbegriff der groben Fahrlässigkeit verkannt oder bei der Beurteilung des Grades der Fahrlässigkeit wesentliche Umstände außer Betracht gelassen hat (vgl. BGH, Urt. v. 8.10.1991 - XI ZR 238/90, WM 1991, 1946, 1948; Urt. v. 29.9.1992 - IX ZR 265/91, NJW 1992, 3235, 3236; Beschl. v. 9.2.2006, a.a.O.). So liegt es hier.
[11] c) Das Beschwerdegericht hat bei der Beurteilung des Grades der Fahrlässigkeit wesentliche Umstände außer Betracht gelassen. Die Schuldnerin hat bei der vorausgegangenen Abgabe der eidesstattlichen Versicherung das in Rede stehende Sparguthaben angegeben. Bei ihrer Anhörung im Insolvenzverfahren hat sie hierauf Bezug genommen. Ihre Angaben vor dem Gerichtsvollzieher hatten auch Eingang in die Insolvenzakten gefunden. Dies war der Schuldnerin bekannt. All dies zeigt, dass sie diese Position nicht hat unterdrücken wollen.
[12] 4. Die Sache ist entscheidungsreif. Das LG hat im Anschluss an die Ausführungen des Insolvenzgerichts die sonst noch in Betracht gekommenen Versagungsgründe als nicht nachgewiesen erachtet. Der Versagungsantrag der Gläubigerin ist daher als unbegründet zurückzuweisen. Die übrigen nach § 291 InsO zu treffenden Entscheidungen bleiben dem Insolvenzgericht vorbehalten.
Fundstellen
Haufe-Index 1822681 |
BGHR 2008, 152 |
EBE/BGH 2007 |
WM 2007, 2122 |
WuB 2008, 307 |
ZMR 2008, 37 |
DZWir 2008, 82 |
MDR 2008, 106 |
NZI 2007, 733 |
NZI 2008, 32 |
NZI 2008, 33 |
Rpfleger 2008, 40 |
VuR 2008, 193 |
WuM 2007, 711 |
ZInsO 2007, 1150 |
NJW-Spezial 2007, 581 |