Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgrenzung Vorausvermächtnis und Teilungsanordnung
Leitsatz (amtlich)
Wendet der Erblasser einen bestimmten Gegenstand einem Miterben zu und ordnet er die Anrechnung des wertes dieses Gegenstands auf den Erbanteil des Bedachten an, ist eine Auslegung dieser letztwilligen Zuwendung als Vorausvermächtnis (und nicht als Teilungsanordnung) nicht unter allen Umständen ausgeschlossen (Bestätigung von BGHZ 36, 115, 117 f.). Vielmehr kann im Einzelfall ein von der Erbeinsetzung unabhängiger Geltungsgrund für die Zuwendung und damit ein Vorausvermächtnis gewollt sein.
Normenkette
BGB §§ 2048, 2150
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 18. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 20. Juli 1993 aufgehoben.
Die Berufung gegen das Urteil der 23. Zivilkammer des Landgerichts München I vom 15. Dezember 1992 wird zurückgewiesen.
Die Beklagten haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen mit Ausnahme der durch die Anrufung des unzuständigen Landgerichts Darmstadt entstandenen Kosten, die der Klägerin zur Last fallen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin verlangt, die Auflassung eines Grundstücksanteils an einem sonst ihr gehörenden Grundstück. Dieser Anteil gehörte der am 12. Februar 1989 verstorbenen Tante der Klägerin (im folgenden: Erblasserin). Sie ist von einem Neffen allein beerbt worden, dem früheren Beklagten, der im Laufe des Revisionsverfahrens gestorben ist. Die jetzigen Beklagten sind dessen Erben.
Zu der Bruchteilsgemeinschaft der Klägerin mit der Erblasserin an dem streitigen Grundstück kam es infolge eines Bauland-Umlegungsverfahrens. Ursprünglich hatten die Klägerin und die Erblasserin getrennte Grundstücke, von denen das der Erblasserin aber nur 119 qm groß und deshalb für eine Bebauung nicht geeignet war. Sie wäre im Umlegungsverfahren in Geld entschädigt worden. Um aber ihr Grundeigentum zu erhalten, vereinbarte sie mit der Klägerin, die Flächenansprüche beider zusammenzulegen und gemeinsam ein Grundstück von 430 qm Größe zu bilden. Da die Klägerin auch ohne die Erblasserin ein bebaubares Grundstück aus dem Umlegungsverfahren bekommen hätte, sollte sie durch die Grundstücksgemeinschaft mit der Erblasserin nicht benachteiligt und insbesondere vor einer Auseinandersetzung oder Teilungsversteigerung geschätzt werden. Deshalb vereinbarte die Erblasserin mit der Klägerin formlos, daß diese im Erbfall auch den Anteil der Erblasserin erhalten solle.
Mit einem eigenhändigen Testament vom 31. März 1982 ordnete die Erblasserin ein Vermächtnis ihres Grundstücksanteils zugunsten der Klägerin an, ohne etwas weiteres zu bestimmen. Durch eigenhändiges Testament vom 25. August 1986 widerrief sie alle bisherigen Testamente, setzte die Klägerin und ihren Neffen, den Rechtsvorgänger der Beklagten, zu gleichen Teilen als Erben ein und verfügte weiter:
Damit mein Anteil von 119 qm an dem Grundstück … nicht aufgeteilt wird, soll dieser Anteil an (die Klägerin) fallen. Der am Tage der Testamentseröffnung bestehende Verkehrswert meines Grundstücksanteils… soll auf den 5/10. Erbteil (der Klägerin) angerechnet werden. Andere Personen sollen nicht erben.
Schließlich errichtete die Erblasserin am 26. April 1988 ein eigenhändiges Testament, das nur aus dem Satz besteht:
Hiermit bestimme ich, daß (der Rechtsvorgänger der Beklagten) mein Erbe sein soll.
Die Klägerin meint, ihr sei der Grundstücksanteil der Erblasserin auch im Testament vom 25. August 1986 als (Voraus-)vermächtnis zugewandt worden; diese Anordnung bleibe von der Änderung der Erbeinsetzung im Testament vom 26. April 1988 unberührt. Die Beklagten sehen dagegen in den Bestimmungen des Testaments vom 25. August 1986 über den Grundstücksanteil lediglich eine Teilungsanordnung, die mit der Einsetzung ihres Rechtsvorgängers als Alleinerben hinfällig geworden sei.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des Rechtsvorgängers der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen. Mit der Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat Erfolg.
I. 1. Nach Meinung des Berufungsgerichts ist das maßgebende Kriterium für die Abgrenzung einer Teilungsanordnung von einem Vermächtnis, ob durch die Zuweisung des Gegenstands eine Wertverschiebung gegenüber der Erbquote eintreten und der Bedachte auf diese Weise begünstigt werden soll. Im vorliegenden Fall habe die Erblasserin im Testament vom 25. August 1986 jedoch ausdrücklich die Anrechnung des Verkehrswerts ihres Grundstücksanteils auf die der Klägerin zugedachte Erbquote bestimmt. Deshalb liege eine Teilungsanordnung vor, die – ebenso wie die Erbeinsetzung der Klägerin – durch das letzte Testament der Erblasserin gemäß § 2258 Abs. 1 BGB aufgehoben worden sei.
2. Daran ist richtig, daß die wertmäßige Begünstigung eines Miterben gegenüber den anderen für die Anordnung eines Vermächtnisses spricht. Fehlt es daran wie hier, muß allein deshalb jedoch nicht notwendig eine Teilungsanordnung vorliegen und ein Vermächtnis ausgeschlossen sein.
Vielmehr kann die Auslegung des Testaments unter Berücksichtigung des Erblasserwillens ergeben, daß ein bestimmter Gegenstand einem Miterben etwa auch für den (bei Testamentserrichtung hypothetischen) Fall zugewendet werden soll, daß er das Erbe ausschlägt oder aus anderen Gründen nicht Erbe wird. War die Zuwendung des Gegenstands so gemeint, liegt ein von der Erbeinsetzung unabhängiger Geltungsgrund selbst dann vor, wenn das Vermächtnis die Erbquote wertmäßig nicht verschiebt, sondern wie hier auf die Erbquote anzurechnen ist (BGHZ 36, 115, 117f.; vgl. auch MK/Dütz, BGB 2. Aufl. § 2048 Rdn. 16; MK/Skibbe, aa0 § 2150 Rdn. 7; Bürger, MDR 1986, 445ff.).
Den in BGHZ 36, 115, 117 f. ausgesprochenen Gedanken, daß eine Anrechnung der Zuwendung auf den Erbteil deren Einordnung als Vermächtnis nicht in jedem Fall ausschließt, hat der Bundesgerichtshof in dem insoweit möglicherweise mißverständlichen Urteil vom 28. Januar 1987 (IVa ZR 191/85 – FamRZ 1987, 475, 476 unter 4) nicht aufgegeben. Vielmehr ist im Urteil vom 27. Juni 1990 (IV ZR 104/89 FamRZ 1990, 1112, 1113 unter II 2) klargestellt worden, daß mit der Abgrenzung des Vermächtnisses von der Teilungsanordnung anhand des Kriteriums einer wertmäßigen Begünstigung nicht alle Unterschiede zwischen beiden Rechtsinstituten erfaßt seien. Das hat das Berufungsgericht im Gegensatz zum Landgericht nicht erkannt.
II. Andere tatsächliche Gesichtspunkte für den Willen der Erblasserin, als sie dem Wortlaut der Testamente und der auf dem Umlegungsverfahren beruhenden Vorgeschichte zu entnehmen sind, haben die Parteien nicht vorgetragen, werden vom Berufungsgericht nicht angeführt und sind angesichts der bloßen Mutmaßungen des früheren Beklagten über die Gründe, die die Erblasserin zu ihrem letzten Testament bewogen haben, auch nicht zu erwarten. Danach kann der Senat die Testamente selbst auslegen.
Es ist nicht ersichtlich, daß die Erblasserin mit ihrem Testament vom 25. August 1986 die Rechtsstellung der Klägerin schmälern wollte, die sie ihr in bezug auf den Grundstücksanteil schon im Testament vom 31. März 1982 eingeräumt hatte. Vielmehr wandte die Erblasserin der Klägerin zusätzlich noch den nach Abzug des Verkehrswertes dieses Grundstücksanteils verbleibenden Rest der Hälfte ihres Nachlasses zu. Die Klägerin sollte als Miterbin schon beim Erbfall unmittelbar dinglich an allen Nachlaßgegenständen berechtigt und auch befugt sein, gleichberechtigt neben dem Miterben die Erbauseinandersetzung zu bewirken. Auf die Frage, ob der Klägerin damit der Anspruch auf den Grundstücksanteil aus § 2174 BGB genommen werden sollte, wäre es nur angekommen, wenn die Erblasserin an die Möglichkeit gedacht hätte, daß die Klägerin ihre Einsetzung als Erbin ausschlagen könnte. Die besseren Gründe sprechen dafür, daß die Erblasserin auch in einem solchen Fall den Grundstücksanteil der Klägerin hätte zuwenden wollen wegen deren Entgegenkommen im Umlegungsverfahren. Es wäre nicht verständlich, warum sich die Erblasserin an die unstreitige Absprache mit der Klägerin, dieser den Grundstücksanteil im Erbfall zuzuwenden, nicht gehalten haben sollte, mag diese Vereinbarung auch rechtlich nicht verbindlich gewesen sein. Für einen Meinungsumschwung der Erblasserin in dieser Frage seit ihrem Testament vom 31. März 1982 fehlt jeder Anhalt. Daß eine Auslegung als Vorausvermächtnis im vorliegenden Fall nicht zwingend ist, wie das Berufungsgericht bemerkt, ändert nichts daran, daß sie hier am nächsten liegt.
Handelt es sich bei der Zuweisung des Grundstücksanteils an die Klägerin im Testament vom 25. August 1986 um ein Vermächtnis, steht dieser Anordnung die Alleinerbeinsetzung des Rechtsvorgängers der Beklagten im Testament vom 26. April 1988 nicht im Sinne von § 2258 Abs. 1 BGB entgegen. Das Landgericht weist mit Recht darauf hin, daß die Erblasserin in diesem letzten Testament ihre früheren Testamente nicht – wie im vorhergehenden Testament – aufgehoben hat (§ 2254 BGB).
Fundstellen
Haufe-Index 604911 |
NJW 1995, 721 |
ZEV 1995, 144 |
DNotZ 1996, 104 |