Entscheidungsstichwort (Thema)
Erstattung der Ausbildungskosten zum Steuerberater
Leitsatz (amtlich)
Finanziert ein Steuerberater einem bei ihm beschäftigten Mitarbeiter eine Ausbildung zum Steuerberater ausschließlich im Hinblick darauf, dass dieser sich nach Erlangung der nötigen Qualifikation mit ihm in Sozietät verbindet, so kann der Steuerberater gegen den Mitarbeiter einen Anspruch auf Erstattung der Ausbildungskosten nach § 812 Abs. 1 S. 2, 2. Alt. BGB haben, wenn der Mitarbeiter nach Abschluss der Ausbildung eine eigene Steuerberaterpraxis eröffnet.
Normenkette
BGB § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 2
Verfahrensgang
Brandenburgisches OLG (Urteil vom 18.07.2001; Aktenzeichen 7 U 171/99) |
LG Frankfurt (Oder) (Entscheidung vom 15.06.1999; Aktenzeichen 11 O 75/99) |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Brandenburgischen OLG v. 18.7.2001 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klage i. H. v. 63.126,23 Euro nebst 4 % Zinsen seit dem 3.11.1998 abgewiesen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Beklagte, die zuvor als Diplom-Ingenieurin in der Bauverwaltung der DDR tätig war, trat 1990 als Angestellte in das Steuerberatungsbüro des Klägers in F. ein. Ab Ende 1991 war sie dort als Bürovorsteherin tätig.
Unter dem 20.4.1992 unterzeichneten die Parteien einen mit "Gesellschaft des bürgerlichen Rechts" überschriebenen Vertrag. Darin vereinbarten sie, ein Steuerberatungsbüro in F. gemeinsam zu betreiben. Die Beklagte hatte ihre volle Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen und unterlag einem mit einer Vertragsstrafe bewehrten Wettbewerbsverbot. Dem in K. wohnenden Kläger oblag "die fachliche Unterstützung der Praxis durch seine persönliche Beratung und Mitarbeit". In einer weiteren Vereinbarung der Parteien v. 1.2.1994 heißt es, der "als Anlage beigefügte" vorbezeichnete Vertrag solle automatisch mit der Zulassung der Beklagten als Steuerbevollmächtigte oder Steuerberaterin wirksam werden. Als weitere Voraussetzung für das Wirksamwerden ist vorgesehen, dass die Beklagte sechs Monate vor der Zulassung noch in einem Anstellungsverhältnis zu dem Kläger gestanden hat.
In der Folgezeit machte die Beklagte eine Ausbildung zur Steuerberaterin. Der Kläger trug die Kosten dieser Ausbildung und stellte die Beklagte im erforderlichen Umfang von der Arbeit frei. Nachdem ein erster Prüfungsversuch im Herbst 1996 gescheitert war, bestand die Beklagte im Herbst 1997 den schriftlichen Teil der Steuerberaterprüfung.
Sodann kündigte sie den Anstellungsvertrag zum 31.12.1997 wegen einer Erkrankung.
Im Februar 1998 bestand sie auch den mündlichen Teil der Steuerberaterprüfung. Sie beantragte jedoch - trotz Aufforderung durch den Kläger - zunächst nicht die Bestellung als Steuerberaterin. Daraufhin erklärte der Kläger im April 1998 die fristlose Kündigung des Gesellschaftsvertrages.
Im August 1998 wurde die Beklagte auf Grund eines Antrags v. 14.8.1998 zur Steuerberaterin bestellt. Sie eröffnete sodann in F. ein eigenes Steuerberatungsbüro.
Der Kläger hat - nach Klageerhöhung im Zweiten Rechtszug - Zahlung von 371.922,50 DM, in erster Linie als Vertragsstrafe, hilfsweise als Aufwendungsersatz, und ferner Auskunftserteilung über die von der Beklagten übernommenen Mandate verlangt. Er hat gemeint, die Beklagte habe das Wirksamwerden des Gesellschaftsvertrages treuwidrig vereitelt, indem sie trotz Bestehens der Steuerberaterprüfung zunächst keinen Antrag auf Bestellung zur Steuerberaterin gestellt und damit die sechsmonatige Frist aus der Vereinbarung v. 1.2.1994 habe verstreichen lassen; deshalb müsse sie sich so behandeln lassen, als sei der Gesellschaftsvertrag und insbesondere das darin geregelte Wettbewerbsverbot wirksam geworden. Jedenfalls aber schulde sie Ersatz der von ihm im Zusammenhang mit der Steuerberaterausbildung erbrachten Aufwendungen.
In beiden Vorinstanzen ist die Klage abgewiesen worden. Dagegen richtet sich die Revision des Klägers, die der Senat nur hinsichtlich des Anspruchs auf Ersatz der Ausbildungskosten angenommen hat.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist im Umfang der Annahme begründet.
I. Das Berufungsgericht hat angenommen, dass dem Kläger ein Anspruch auf Erstattung der Aufwendungen für die Ausbildung der Beklagten nicht zustehe. Eine positive Vertragsverletzung des Anstellungsvertrages scheide wegen der Krankheit der Beklagten aus. Ein Auftragsverhältnis oder eine Geschäftsführung ohne Auftrag liege ebenfalls nicht vor. Schließlich bestehe auch kein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung. Die Zahlung der Ausbildungskosten und die Freistellung von der Arbeit seien mit Rechtsgrund erfolgt, und dieser Rechtsgrund sei auch nicht später weggefallen. Der Kläger habe sich dem damit verbundenen Risiko vielmehr bewusst unterworfen, ohne eine Regelung für den Fall des Fehlschlagens der Ausbildung zu treffen.
II. Diese Ausführungen sind nicht frei von Rechtsfehlern.
1. a) Allerdings ist dem Berufungsgericht darin zu folgen, dass sich ein Aufwendungsersatzanspruch nicht aus dem Arbeitsvertrag der Parteien ergibt, was die Zivilgerichte gem. § 17 Abs. 2 S. 1 GVG ungeachtet der ansonsten gegebenen Zuständigkeit der Arbeitsgerichte entscheiden können.
Der Arbeitsvertrag der Parteien enthält keine Rückzahlungsvereinbarung hinsichtlich der Ausbildungskosten.
Insoweit bestehen auch keine Ansprüche aus positiver Vertragsverletzung. Die Beklagte war berechtigt, den Arbeitsvertrag jederzeit zu kündigen. Der Gesellschaftsvertrag und die Zusatzvereinbarung v. 1.2.1994 haben dieses Recht nicht eingeschränkt. Aus dem Arbeitsvertrag ergab sich auch keine Pflicht, unabhängig von der Kündigung die Bestellung zur Steuerberaterin alsbald zu beantragen.
b) Zu Recht hat das Berufungsgericht auch angenommen, dass dem Kläger kein Anspruch auf Erstattung der Ausbildungskosten aus § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. oder S. 2, 1. Alt. BGB zusteht. Dagegen wehrt sich die Revision auch nicht.
2. Das Berufungsgericht hat jedoch übersehen, dass ein Anspruch des Klägers auf Erstattung der Ausbildungskosten aus § 812 Abs. 2 S. 2, 2. Alt. BGB folgt (condictio causa data causa non secuta).
Danach ist der Empfänger einer Leistung zur Herausgabe verpflichtet, wenn der mit der Leistung nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts bezweckte Erfolg nicht eintritt. Der "Zweck" darf einerseits nicht Gegenstand der vertraglichen Bindung oder Bedingung eines Rechtsgeschäfts sein, andererseits darf er auch nicht ein bloßer, wenn auch vom Empfänger erkannter, Beweggrund oder eine einseitige Erwartung des Leistenden geblieben sein. Notwendig und genügend ist vielmehr eine - auch stillschweigend mögliche - Einigung i. S. d. tatsächlichen Willensübereinstimmung zwischen beiden Partnern über den verfolgten Zweck (BGH BGHZ 44, 321 [323]; Urt. v. 19.1.1973 - V ZR 24/71, NJW 1973, 612 [613]).
So liegt der Fall hier. Der Kläger hat die Beklagte nicht nur für die Dauer der Lehrgänge im Rahmen der Steuerberaterausbildung von der Arbeitspflicht freigestellt, sondern auch sämtliche Kosten dieser Lehrgänge und die damit verbundenen Unterkunfts-, Verpflegungs- und Fahrtkosten getragen. Er hat in diesem Zusammenhang für die Beklagte sogar eine Wohnung in B. angemietet. Zu diesen Leistungen war der Kläger weder auf Grund des Arbeitsvertrages der Parteien noch auf Grund des Gesellschaftsvertrages und der dazu abgeschlossenen Zusatzvereinbarung v. 1.2.1994 verpflichtet. Nach der Zusatzvereinbarung war zwar die Zulassung der Beklagten als Steuerberaterin Bedingung für das Wirksamwerden des Gesellschaftsvertrages. Eine Pflicht des Klägers, die damit verbundenen Kosten zu übernehmen, ergab sich daraus jedoch nicht.
Andererseits war für die Beklagte offenkundig, dass der Kläger mit der Finanzierung ihrer Ausbildung den Zweck verfolgte, den Gesellschaftsvertrag wirksam werden zu lassen und damit eine Steuerberatersozietät mit ihr zu begründen. Andere Beweggründe waren nicht ersichtlich. Insbesondere bedurfte es der Steuerberaterausbildung nicht, um die Beklagte für ihre Tätigkeit als Bürovorsteherin bei häufiger Abwesenheit des Klägers zu qualifizieren. Denn diese Aufgabe erfüllte sie bereits seit 1991, während die Steuerberaterausbildung erst 1996 begann.
Die Beklagte hat durch die Annahme der Leistungen des Klägers im Rahmen der Ausbildung auch zu erkennen gegeben, dass sie die Zweckbestimmung des Klägers billigte. Auch das ergibt sich aus dem vorangegangenen Abschluss des Gesellschaftsvertrages und der Zusatzvereinbarung. Damit war für den Kläger die Erwartung begründet worden, die Beklagte erstrebe die Qualifizierung zur Steuerberaterin gerade deshalb, um das gemeinsam aufgebaute Steuerberatungsbüro in F. künftig als Gesellschafterin mit ihm weiter betreiben zu können. Über diese gemeinsame Zielrichtung gab es offenbar keine Zweifel. Ansonsten hätte es für den Kläger nahe gelegen, im Rahmen des mit der Beklagten bestehenden Arbeitsvertrages eine Rückzahlungsregelung in Bezug auf die Ausbildungskosten zu vereinbaren.
Der in diesem Sinne vereinbarte Zweck der Leistungen des Klägers hat sich nicht erfüllt. Der Gesellschaftsvertrag ist nicht wirksam geworden, weil die Beklagte innerhalb von sechs Monaten nach Beendigung ihres Arbeitsvertrages die Bestellung als Steuerberaterin nicht veranlasst hat. Ob ihr eine frühere Antragstellung angesichts ihrer Erkrankung unzumutbar gewesen ist, hat für den Bereicherungsausgleich keine Bedeutung.
3. Die von dem Vertreter der Beklagten in der Revisionsverhandlung aufgeworfene Frage, ob ein Arbeitnehmer nach der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte auch ohne vertragliche Regelung verpflichtet sein kann, die von seinem Arbeitgeber getragenen Kosten einer Ausbildung zu erstatten, kann offen bleiben. Die Beklagte ist zur Erstattung der Ausbildungskosten hier nicht in ihrer Eigenschaft als - frühere - Arbeitnehmerin, sondern wegen der in Aussicht genommenen gesellschaftsrechtlichen Beteiligung verpflichtet. Sie hat sich zur Steuerberaterin gerade deshalb ausbilden lassen, um ihren Status als Arbeitnehmerin - im Einverständnis mit dem Kläger - aufgeben zu können.
4. Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit es die erforderlichen Feststellungen zu dem Umfang der erstattungsfähigen Ausbildungskosten trifft. Dabei hat es auch dem Einwand der Beklagten nachzugehen, die Arbeitsfreistellung sei nicht - voll - auszugleichen, weil die versäumten Zeiten nachgearbeitet worden seien.
Fundstellen
Haufe-Index 1090413 |
BFH/NV Beilage 2004, 167 |
BB 2004, 182 |
DB 2004, 480 |
DStR 2004, 326 |
DStZ 2004, 171 |
HFR 2004, 578 |
WPg 2004, 72 |
NJW 2004, 512 |
Inf 2004, 88 |
NWB 2004, 672 |
BuW 2004, 73 |
BGHR 2004, 402 |
StuB 2004, 286 |
WM 2004, 470 |
ZAP 2004, 223 |
JA 2004, 346 |
MDR 2004, 477 |
RÜ 2004, 192 |
BFH/NV-Beilage 2004, 167 |
JT 2004, 203 |
LL 2004, 283 |
LMK 2004, 151 |
SJ 2004, 39 |
WPK Magazin 2004, 60 |