Braucht die Steuerberaterprüfung ein Update?

Die Digitalisierung verändert die Arbeit der Steuerberater. Und nicht nur das: die komplette Steuerbranche befindet sich im Umbruch – aber das Verfahren der Steuerberaterprüfung ist nahezu das gleiche wie vor 80 Jahren. Passt das noch zusammen? Taxulting hat darüber mit Romana Dziuk, Vizepräsidentin des Steuerberaterverbandes Berlin-Brandenburg gesprochen.

Frau Dziuk, der Steuerberaterverband Berlin-Brandenburg hat Ende vergangenen Jahres konkrete Forderungen formuliert, um die Steuerberaterprüfung umfassend zu modernisieren. Was sind die Kernpunkte?

Zunächst möchte ich mich bei unseren Delegierten Kerstin Kneffel und Julien Krug sowie unserem neuen Vizepräsidenten Matthias Steger und unserem Geschäftsführer Enrico Rennebarth bedanken, die mit mir gemeinsam das Thesenpapier ‚Gesellschaft in Transformation – Die Zukunft des Berufsstandes der Steuerberaterinnen und Steuerberater‘ erarbeitet haben. Ausgehend von diesem Thesenpapier hat unser Verband verschiedene Konzeptvorschläge für eine Modernisierung der Steuerberaterprüfung gemacht.

Angesichts der Überalterung des Berufsstandes und des technologischen Wandels sehen wir dringenden Handlungsbedarf, um den Berufszugang zukunftsfähiger und attraktiver zu gestalten. Unsere Kernforderungen sind: Die Einführung von modularen Prüfungsteilen mit Anrechnung bestandener Module – unterstützt durch einen zweiten Prüfungstermin, die Erneuerung des Verfahrens, die Implementierung digitaler Kanzleiprozesse und Einführung einer digitalen Prüfung – basierend auf dem Pilotprojekt aus Schleswig-Holstein sowie eine stärkere Einbindung von Berufsträgern in die Erstellung praxisrelevanter Prüfungsaufgaben, damit die Aufgabenstellung praxisnah ist. Außerdem fordern wir, dass eine zentrale Prüfungsstelle zur Sicherstellung von Chancengleichheit und Effizienz durch zentrale Bewertungsmaßstäbe etabliert wird.

Romana Dziuk

Was hat sich seitdem getan? Wie ist der Status Quo?

Seit der Veröffentlichung unserer Forderungen gab es zahlreiche Gespräche mit relevanten Stakeholdern, darunter der Steuerberaterkammer Brandenburg, der Finanzverwaltung, politischen Entscheidungsträgern in Berlin und Brandenburg sowie unserem Dachverband, dem Deutschen Steuerberaterverband, DStV.

Gerade über den DStV haben wir unser Thesenpapier im Rechts- und Berufsrechtsausschuss bundesweit mit den anderen Landesverbänden diskutiert. Im Ergebnis sind noch weitere Ideen hinzugekommen, wie die Streckung der Prüfungstage innerhalb einer Woche von montags bis freitags durch die Einfügung von Pausentagen nach dem Schema 6 – 0 – 6 – 0 – 6. Auch wurde eine erleichterte Anrechnung berufspraktischer Zeiten vorgeschlagen. Praxissemester eines Bachelor- oder Masterstudiums sollten anrechenbar sein. Ebenso sollten auch Zeiten im unmittelbaren Anschluss etwa an ein Bachelorstudium abgeleistet werden können und anrechenbar sein.


Es wäre aber schon ein großer Schritt, wenn die Prüfung künftig am Computer geschrieben werden kann.


Als die Steuerberaterprüfung eingeführt wurde, gab es weder Internet noch eine digitale Zusammenarbeit zwischen Mandanten und Steuerberatern. Inwieweit muss die zunehmende Digitalisierung für die Modernisierung von Ausbildung und Steuerberaterprüfung herangezogen werden?

Die Digitalisierung verändert unsere Arbeitsweise grundlegend und muss daher integraler Bestandteil der Prüfung sein. Dies betrifft nicht nur die Beherrschung von Steuersoftware und digitalen Kommunikationsmitteln, sondern auch das Verständnis für Datenschutz und IT-Sicherheit. Die Prüfungsinhalte müssen aber weiterhin der Fachlichkeit unterliegen und sich weiterhin mit steuerrechtlichen Themen befassen.

Es wäre aber schon ein großer Schritt, wenn die Prüfung künftig am Computer geschrieben werden kann. Heutzutage arbeitet niemand mehr mit Stift und Papier, sondern an modernen digitalen Arbeitsplätzen, von denen die Steuererklärungen digital an die Finanzämter versendet werden. Wir haben daher die Durchführung einer digitalen Steuerberaterprüfung gefordert, das auf Grundlage des Pilotprojekts der Steuerberaterkammer Schleswig-Holstein bundesweit ausgerollt werden könnte. Für die Prüfungskandidaten bringt das sogar den Vorteil, dass die Aufgaben bis zu 20 Prozent schneller beantwortet werden können. Das Eintippen von Text entspricht nicht nur der heutigen Arbeitsweise in den Kanzleien, sondern erfolgt auch wesentlich schneller als das Schreiben mit der Hand. Zudem ist eine digitale Korrektur der Aufsichtsarbeiten möglich, die durch die verbesserte Lesbarkeit auch schneller erfolgen kann.

… aber ist die technische Infrastruktur dafür vorhanden?

In den Bundesländern könnten Prüfungszentren eingerichtet werden, in denen Laptops vorgehalten und für Berufszugangsprüfungen anderer Freien Berufe, der Industrie- und Handelskammern und Handwerkskammern genutzt werden könnten. Damit kann relativ kostensparend die notwendige IT-Infrastruktur bereitgestellt werden. Kein Dienstleister und keine Kammer können bundesweit so viele Laptops für all ihre Prüfungskandidaten anschaffen, warten und für die jeweilige Prüfung einsetzen. Branchen- beziehungsweise kammerübergreifend wäre das schon eher umsetzbar.

Junger Nachwuchs wird jetzt händeringend gebraucht. Sollte gegebenenfalls auch der anspruchsvolle Weg zur Prüfungszulassung erleichtert oder verkürzt werden?

Der Weg zum Steuerberater ist zweifellos anspruchsvoll und langwierig, was für viele junge Menschen abschreckend wirken kann. Es wäre sinnvoll, den Zugang zur Prüfung zu flexibilisieren, ohne dabei die Qualität der Ausbildung zu gefährden. Dies könnte durch modulare Ausbildungswege und eine stärkere Anerkennung von Vorleistungen erreicht werden.

Ein Ansatz wäre auch, dass die praktische Vorbereitungszeit von zwei bzw. drei Jahren für Master- bzw. Bachelorstudiengänge oder von sechs Jahren für Steuerfachwirte beziehungsweise acht Jahren für Steuerfachangestellte erst zum Zeitpunkt der Bestellung zur Steuerberaterin beziehungsweise zum Steuerberater vorliegen muss. Das ermöglicht einen wesentlich früheren Zeitpunkt für das Ablegen der Prüfung. Statistisch gesehen ergibt sich auch aus den Durchfallquoten, dass die Bestehensquote wesentlich besser ist, je jünger der Prüfungskandidat: Das erlangte Wissen wird aktuell auch erst nach der Prüfung im Praxisalltag gefestigt.


Realistisch betrachtet könnten erste Reformen frühestens in zwei bis drei Jahren umgesetzt werden.


Was sind in Bezug auf die Modernisierung der Steuerberaterprüfung die weiteren Schritte? Wer hat jetzt den Ball und muss den nächsten Pass spielen?

Unser Papier war grob gesprochen der Stein des Anstoßes für die aktuellen Reformbestrebungen. Die Bundessteuerberaterkammer diskutierte im März 2024 mit den Präsidenten und Geschäftsführern der 21 Steuerberaterkammern die Inhalte und Eckdaten einer Reform der Steuerberaterprüfung. Aktuell tauschen sich DStV und BStBK auf Bundesebene über die Modernisierungsvorschläge aus. Der nächste Schritt ist, auf die Finanzverwaltungen der Länder mit einheitlichen Vorschlägen seitens des Berufsstandes zuzugehen. Der Steuerberaterverband Berlin-Brandenburg wird weiterhin aktiv an diesem Prozess teilnehmen und die Interessen seiner Mitglieder vertreten. Der nächste Pass liegt bei den legislativen Gremien, die die rechtlichen Rahmenbedingungen anpassen müssen.

Der Fachkräftemangel ist akut. Falls es zu einer Reform der Steuerberaterprüfung kommt, bis wann könnte sie – realistisch betrachtet – umgesetzt sein und wann würde man erste Effekte in der Praxis spüren?

Eine umfassende Reform der Steuerberaterprüfung ist ein komplexer Prozess, der einige Jahre in Anspruch nehmen wird. Realistisch betrachtet könnten erste Reformen frühestens in zwei bis drei Jahren umgesetzt werden. Erste positive Effekte in der Praxis würden sich dann etwa ein bis zwei Jahre nach der Einführung bemerkbar machen, wenn die ersten Absolventen nach dem neuen Prüfungsformat in den Beruf eintreten. Wichtig ist aber auch, dass die Verbände und die anderen Anbieter von Vorbereitungslehrgängen in den Reformprozess eingebunden und umfassend informiert werden. Es darf nicht sein, dass sich nur die Prüfung verändert. Auch die Prüfungsvorbereitung muss entsprechend angepasst werden. Das erfordert weitaus mehr Vorlaufzeit, da viele Prüfungskandidaten sich mit einem Jahreskurs vorbereiten.

Inwieweit kann der Steuerberaterverband Berlin-Brandenburg diese Entwicklung voranbringen?

Der Steuerberaterverband Berlin-Brandenburg spielt eine zentrale Rolle in diesem Prozess, indem er die Interessen seiner Mitglieder bündelt und in die Diskussion einbringt. In einem ersten Schritt können wir durch unsere Lobbyarbeit Einfluss auf die politischen Entscheidungen nehmen. Sobald die Umsetzung erfolgt ist, können wir für die Prüfungskandidaten mit unserem Kooperationspartner Steuerlehrgänge Dr. Bannas gezielte Informations- und Fortbildungsangebote anbieten, die auf die kommenden Veränderungen vorbereitet.

Wie kann es der Steuerbranche insgesamt gelingen, die aktuellen Herausforderungen zu meistern und die junge Generation wieder für den Beruf zu begeistern?

Die Steuerbranche muss sich als moderner und attraktiver Arbeitgeber positionieren, der spannende Karrieremöglichkeiten und eine gute Work-Life-Balance bietet. Dies kann durch flexible Arbeitsmodelle, gezielte Nachwuchsförderung und die Integration von neuen Technologien erreicht werden. Unser Verband informiert schon seit vielen Jahren unter www.der-schoenste-Beruf-der-Welt.de über den Beruf der Steuerberaterin beziehungsweise des Steuerberaters. Zudem ist es wichtig, den gesellschaftlichen Wert und die Vielseitigkeit des Steuerberaterberufs stärker hervorzuheben. Eine enge Zusammenarbeit mit Hochschulen und ein tiefer Praxiseinblick durch Praktika können dazu beitragen, die junge Generation für den Beruf zu begeistern.


Zur Person:

Romana Dziuk ist Vizepräsidentin des Steuerberaterverband Berlin-Brandenburg. Sie ist Steuerberaterin und Fachberaterin für Internationales Steuerrecht in Berlin. Außerdem verfügt Frau Dziuk über langjährige Erfahrungen als Prüferin. Seit 2015 ist sie Mitglied im Prüfungsausschuss für die Steuerberaterprüfung sowie die Fortbildungsprüfung zum Fachassistenten Lohn und Gehalt (FALG) und zum Fachassistenten Digitalisierung und IT-Prozesse (FAIT) bei der Steuerberaterkammer Berlin. Ferner gehört Frau Dziuk seit 2007 zu den Mitgliedern des Berufsbildungsausschusses der Steuerberaterkammer Berlin.


Schlagworte zum Thema:  Steuerberater, Steuerberatung