Leitsatz (amtlich)
Die Regelung in § 17 Abs. 1 Satz 1 ApBetrO, wonach die in § 25 ApBetrO genannten Waren (apothekenübliche Waren) nur in den Apothekenbetriebsräumen in den Verkehr gebracht werden dürfen, ist wegen Verstoßes gegen das Grundrecht der Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und den Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG nichtig.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1; ApBetrO § 17 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
OLG Celle (Aktenzeichen 13 U 251/95) |
LG Hannover (Aktenzeichen 25 O 60/95) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 18. Dezember 1996 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als das Berufungsgericht zum Nachteil der Beklagten erkannt hat.
Im Umfang der Aufhebung wird auf die Berufung der Beklagten das Urteil der 5. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Hannover vom 13. Juli 1995 weiter abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Beklagte betreibt im Gebäudekomplex eines Verbrauchermarktes eine Apotheke. Die Betriebsräume sind durch eine deckenhohe Glaswand von der Ladenstraße getrennt. Die Beklagte bot wiederholt apothekenübliche Waren i.S. des § 25 der Verordnung über den Betrieb von Apotheken (Apothekenbetriebsordnung – ApBetrO) in sogenannten Verkaufsschütten an, die vor der Glastrennwand auf der zur Ladenstraße gehörenden Verkehrsfläche aufgestellt waren.
Die Klägerin, die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e.V., erblickt in dem Anbieten apothekenüblicher Waren außerhalb der Betriebsräume einer Apotheke einen Verstoß gegen § 1 UWG i.V. mit § 17 Abs. 1 ApBetrO, da diese Waren des sogenannten Rand- oder Nebensortiments ebenso wie Arzneimittel nach der letztgenannten Bestimmung nur in Apothekenbetriebsräumen in Verkehr gebracht werden dürften.
Die Beklagte ist dem entgegengetreten und hat geltend gemacht, aus der ihr erteilten Apothekenbetriebserlaubnis nebst Lageplan ergebe sich, daß die angemietete Verkehrsfläche vor der Glasfront auf der Ladenstraße zu den Apothekenbetriebsräumen gehöre. Sie hat überdies die Auffassung vertreten, § 17 Abs. 1 ApBetrO stehe dem beanstandeten Verhalten nicht entgegen, da diese Vorschrift verfassungsrechtlich bedenklich sei; es werde in unverhältnismäßiger Weise in ihre Berufsausübung eingegriffen.
Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß – auch noch wegen weiterer Verhaltensweisen – verurteilt.
Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Beklagte unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel verurteilt,
- es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken apothekenübliche Waren i.S. von § 25 ApBetrO mit Ausnahme von Kondomen und Einwegspritzen nebst Zubehör außerhalb der Betriebsräume in Verkaufsschütten aufzustellen oder in sonstiger Weise in Verkehr zu bringen;
- an die Klägerin 267,50 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 20. April 1995 zu zahlen.
Hinsichtlich weiter beanstandeter Verhaltensweisen hat es die Klage abgewiesen.
Die gegen die Teilabweisung der Klage gerichtete Revision der Klägerin hat der Senat nicht zur Entscheidung angenommen. Die Beklagte erstrebt mit ihrer Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, die Abweisung der Klage auch im übrigen.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht hat in dem Aufstellen von Verkaufsschütten mit apothekenüblichen Waren ein nach § 1 UWG wettbewerbswidriges Inverkehrbringen außerhalb der Apothekenbetriebsräume i.S. von § 17 Abs. 1 ApBetrO gesehen und die Beklagte zur Unterlassung verurteilt. Dazu hat es ausgeführt:
Die Beklagte verstoße mit dem untersagten Verhalten gegen § 17 Abs. 1 ApBetrO, da die von ihr angemietete Verkehrsfläche vor der Glasfront der Apotheke im Bereich der Ladenstraße nicht mehr zu den Apothekenbetriebsräumen gehöre, wie § 4 Abs. 5 ApBetrO zu entnehmen sei. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der der Beklagten erteilten Apothekenbetriebserlaubnis.
Die Bestimmung des § 17 Abs. 1 ApBetrO sei verfassungsrechtlich unbedenklich. Die Vorschrift verstoße nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Die besondere Aufgabe der Apotheke, die fachgerechte Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln sicherzustellen, rechtfertige es, den Apotheker hinsichtlich des Anbietens von Waren auf seine Betriebsräume zu beschränken, obwohl dem übrigen Einzelhandel, insbesondere Drogerien, auch eine Präsentation von Waren vor den Geschäftsräumen erlaubt sei. Sinke die Apotheke in ihrem äußeren Erscheinungsbild auf das Niveau einer Drogerie ab, weil ähnliche Waren nach außen in gleicher anreißerischer Form präsentiert würden, bestehe die Gefahr des Arzneimittelshoppings. Eine besondere Qualifikation des Apothekers werde nicht mehr erkennbar, so daß zu besorgen sei, daß der Kunde eine fachgerechte Beratung nicht mehr erwarte und beanspruche. Eine derartige Geschäftsgestaltung gebe einer Apotheke den Charakter eines Drugstores. Dadurch würde eine Entwicklung eingeleitet, die befürchten lasse, daß der Apotheker seine Hauptaufgabe im Rahmen der Arzneimittelversorgung der Bevölkerung hintanstelle und sich zunehmend einträglicheren Geschäften zuwende.
Ebensowenig verstoße § 17 Abs. 1 ApBetrO gegen Art. 12 Abs. 1 GG. Der Verordnungsgeber habe mit dieser Vorschrift aufgrund der Ermächtigung in § 21 des Gesetzes über das Apothekenwesen – ApoG – die Berufsausübung in zulässiger Weise eingeschränkt. Die Regelung sei gerechtfertigt, weil sie der Durchsetzung der besonderen Aufgabe und Stellung der Apotheke als Einrichtung des Gesundheitswesens diene.
Bei der Regelung des § 17 Abs. 1 ApBetrO handele es sich nach ihrem Sinn und Zweck um eine wertbezogene Norm. Eine Mißachtung dieser Bestimmung stelle daher zugleich einen Verstoß gegen § 1 UWG dar.
II. Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, soweit das Berufungsgericht zum Nachteil der Beklagten erkannt hat, und zur Abweisung der Klage in diesem Umfang.
Das Inverkehrbringen der in § 25 ApBetrO genannten Waren außerhalb der Apothekenbetriebsräume verstößt entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht gegen § 1 UWG i.V. mit § 17 Abs. 1 Satz 1 ApBetrO. Denn das in der letztgenannten Bestimmung enthaltene Verbot, apothekenübliche Waren i.S. von § 25 ApBetrO außerhalb der Betriebsräume einer Apotheke, die nach § 4 Abs. 5 ApBetrO von anderweitig gewerblich oder freiberuflich genutzten Räumen sowie von öffentlichen Verkehrsflächen und Ladenstraßen durch Wände oder Türen abgetrennt sein müssen, in den Verkehr zu bringen, verstößt gegen Art. 3 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG und ist daher unwirksam.
1. Die Feststellung der Verfassungswidrigkeit des § 17 Abs. 1 Satz 1 ApBetrO in dem genannten Umfang kann der Senat selbst treffen. Einer Aussetzung des Verfahrens und der Einholung einer Vorabentscheidung des Bundesverfassungsgerichts nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG bedarf es nicht. Dem Verwerfungsmonopol des Bundesverfassungsgerichts unterliegen grundsätzlich nur förmliche Gesetze des Bundes und der Länder (vgl. BVerfGE 48, 40, 44; Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 3. Aufl., Art. 100 Rdn. 6). Rechtsverordnungen – um eine solche handelt es sich bei der Apothekenbetriebsordnung (vgl. § 21 Abs. 1 ApoG) – sind somit vom Anwendungsbereich des Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG ausgenommen (BVerfGE 68, 316, 326; 71, 305, 337).
2. Die Regelung des § 17 Abs. 1 Satz 1 ApBetrO stellt eine Beeinträchtigung der durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Freiheit der Berufsausübung dar, soweit danach apothekenübliche Waren i.S. des § 25 ApBetrO nur in den Apothekenbetriebsräumen in Verkehr gebracht werden dürfen. Zur Freiheit der Berufsausübung gehört nicht nur die berufliche Praxis selbst, sondern auch jede Tätigkeit, die mit der Berufsausübung zusammenhängt und dieser dient. Sie schließt die Außendarstellung von selbständig Berufstätigen ein, soweit sie auf die Förderung des beruflichen Erfolgs gerichtet ist. Staatliche Maßnahmen, die geschäftliche oder berufliche Werbung beschränken, sind daher Eingriffe in die Freiheit der Berufsausübung (vgl. BVerfGE 85, 248, 256; 94, 372, 389).
Derartige Eingriffe bedürfen gemäß Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG einer gesetzlichen Grundlage, die den Anforderungen der Verfassung an grundrechtsbeschränkende Gesetze genügt. Die gesetzlichen Grundlagen sind nur dann mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar, wenn sie durch ausreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt werden und wenn sie dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen, wenn also das gewählte Mittel zur Erreichung des verfolgten Zwecks geeignet und auch erforderlich ist und wenn bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit noch gewahrt ist (vgl. BVerfGE 76, 196, 207; 85, 248, 259; 94, 372, 390). Diese Voraussetzungen sind bei § 17 Abs. 1 Satz 1 ApBetrO nicht erfüllt, soweit darin bestimmt ist, daß apothekenübliche Waren i.S. von § 25 ApBetrO nur in den Apothekenbetriebsräumen in den Verkehr gebracht werden dürfen (ebenso Cyran/Rotta, ApBetrO, 4. Aufl., § 17 Rdn. 10 - 12).
a) Die Regelung des § 17 Abs. 1 Satz 1 ApBetrO beruht zwar auf einer verfassungsrechtlich unbedenklichen gesetzlichen Grundlage, die durch hinreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt ist. Grundlage ist die in § 21 Abs. 1 ApoG enthaltene Ermächtigung des Bundesministers für Gesundheit, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates eine Apothekenbetriebsordnung zu erlassen, um einen ordnungsgemäßen Betrieb der Apotheken zu gewährleisten und um die Qualität der dort herzustellenden und abzugebenden Arzneimittel sicherzustellen. Nach § 21 Abs. 2 Nr. 8 ApoG können in der Rechtsverordnung u.a. Regelungen getroffen werden über die apothekenüblichen Waren, die Nebengeschäfte sowie die Arzneimittelabgabe innerhalb und außerhalb der Apothekenbetriebsräume.
Die Vorschrift des § 21 ApoG enthält eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Ermächtigung zur Regelung der Berufsausübung der Apotheker. Werbeverbote und Werbeeinschränkungen für freie Berufe sollen als Teil der Berufsordnung mit dazu beitragen, daß der Berufsstand seine Aufgaben ordnungsgemäß erfüllt. Sie sollen das berufliche Verantwortungsgefühl ebenso stärken wie das Vertrauen der Öffentlichkeit in den Berufsstand. Den Apotheken ist nach § 1 Abs. 1 ApoG gesetzlich die Aufgabe zugewiesen, die ordnungsgemäße Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln sicherzustellen. Die Bevölkerung soll darauf vertrauen dürfen, daß der Apotheker – obwohl auch Gewerbetreibender – sich nicht vom Gewinnstreben beherrschen läßt, sondern seine Verantwortung im Rahmen der Gesundheitsberufe wahrnimmt. Der Zweck der die Berufsausübung einschränkenden Werbeverbote, dem Arzneimittelfehlgebrauch entgegenzuwirken, die ordnungsgemäße Berufsausübung zu stärken und das Vertrauen der Bevölkerung in die berufliche Integrität der Apotheker zu erhalten und zu fördern, ist daher grundsätzlich nicht zu beanstanden (vgl. BVerfGE 94, 372, 391).
b) Das in § 17 Abs. 1 Satz 1 ApBetrO enthaltene Verbot, Waren des sogenannten Rand- oder Nebensortiments außerhalb der Apothekenbetriebsräume in den Verkehr zu bringen, entspricht jedoch nicht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
aa) Bereits die Annahme des Berufungsgerichts, daß das in Rede stehende Verbot zur Sicherstellung der ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung und zur Wahrung des Vertrauens der Bevölkerung in die berufliche Integrität der Apotheker geeignet und erforderlich sei, hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Die Befürchtung des Berufungsgerichts, das Anbieten der in § 25 ApBetrO genannten Waren, die selbst nicht als Arzneimittel i.S. des § 2 AMG anzusehen sind, in der im Streitfall beanstandeten Weise könnte den Arzneimittelfehlgebrauch begünstigen, da die Gefahr eines „Arzneimittelshoppings” bestehe, ist nicht gerechtfertigt. Ein unkontrollierter Zugriff auf Arzneimittel wird durch das beanstandete Verhalten der Beklagten nicht ermöglicht.
Die von der Revisionserwiderung der Klägerin aufgezeigte Gefahr, durch den Kauf eines in einer Verkaufsschütte angebotenen Artikels könnten Kunden in die Apotheke gelockt und zum Erwerb von Arzneimitteln verleitet werden, ist nach der allgemeinen Lebenserfahrung nicht begründet. Soweit es sich um apothekenfreie Mittel handelt, hat auch der Gesetzgeber die mit ihrem Gebrauch verbundenen Gefahren so gering eingeschätzt, daß sie sogar im Einzelhandel im Wege der Selbstbedienung in Verkehr gebracht werden dürfen. Bei den apothekenpflichtigen Mitteln wird einem eventuellen Arzneimittelfehlgebrauch durch die Verpflichtung des Apothekers, die Kunden zu informieren und zu beraten (§ 20 Abs. 1 ApBetrO), sowie die dem pharmazeutischen Personal obliegende Pflicht, einem erkennbaren Arzneimittelmißbrauch in geeigneter Weise entgegenzutreten und bei begründetem Mißbrauchsverdacht die Abgabe des Arzneimittels zu verweigern (§ 17 Abs. 8 ApBetrO), in ausreichendem Maße entgegengewirkt.
Dem Berufungsgericht kann auch nicht darin beigetreten werden, das beanstandete Verhalten lasse befürchten, der Apotheker werde seine Hauptaufgabe im Rahmen der Arzneimittelversorgung der Bevölkerung vernachlässigen und sich zunehmend einträglichen anderen Geschäften zuwenden. Nach § 25 ApBetrO dürfen in der Apotheke neben Arzneimitteln ohnehin nur die dort abschließend aufgeführten Mittel und Gegenstände des sogenannten Rand- oder Nebensortiments in den Verkehr gebracht werden. Ferner ist zu berücksichtigen, daß die in § 25 ApBetrO genannten Waren gemäß § 2 Abs. 4 ApBetrO nur in einem Umfang angeboten und feilgehalten werden dürfen, der den ordnungsgemäßen Betrieb der Apotheke und den Vorrang des Arzneimittelversorgungsauftrages nicht beeinträchtigt. Die vom Berufungsgericht gesehene Gefahr ist daher bei lebensnaher Betrachtungsweise auch insoweit nur als sehr gering einzuschätzen. Durch die genannten Einschränkungen wird hinreichend gewährleistet, daß der Apotheker seine Hauptaufgabe, die Bevölkerung ordnungsgemäß mit Arzneimitteln zu versorgen, nicht gegenüber dem Nebengeschäft mit apothekenüblichen Waren vernachlässigt.
Es ist auch nicht ersichtlich, daß das Vertrauen der Öffentlichkeit in die berufliche Integrität des Apothekers beeinträchtigt wird, wenn Waren des Randsortiments außerhalb der Apothekenbetriebsräume angeboten werden. Für die Annahme des Berufungsgerichts, derartige Werbemethoden gäben der Apotheke den Charakter eines „Drugstores” oder – wie die Revisionserwiderung der Klägerin vorbringt – würden zu einer basarähnlichen Gesamterscheinung der Apotheke führen, fehlt es an hinreichenden Feststellungen. Es sind auch keine Anhaltspunkte ersichtlich, die die Befürchtung des Berufungsgerichts rechtfertigen könnten, die Kunden verlören durch das beanstandete Werbeverhalten das Vertrauen in die berufliche Qualifikation des Apothekers und erwarteten oder beanspruchten keine fachgerechte Beratung mehr beim Kauf von Arzneimitteln. Hiervon kann auch nicht aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung ausgegangen werden, da die Bevölkerung im allgemeinen zwischen der streng fachbezogenen Tätigkeit des Apothekers bei der Versorgung mit Arzneimitteln und der mehr kaufmännisch, werbend ausgerichteten Tätigkeit beim Vertrieb des Randsortiments zu unterscheiden weiß (vgl. BGH, Beschl. v. 19.3.1991 - KVR 4/89, GRUR 1991, 622, 624 = WRP 1991, 393 - Warenproben in Apotheken).
bb) Das Berufungsgericht hat auch nicht hinreichend beachtet, daß zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe eine Gesamtabwägung zu erfolgen hat. Eine solche Abwägung muß hier zu dem Ergebnis führen, daß die Grenzen der Zumutbarkeit überschritten sind, da § 17 Abs. 1 Satz 1 ApBetrO keinen Raum für die Prüfung der Umstände des Einzelfalls läßt.
Bei der Gesamtabwägung ist zu berücksichtigen, daß der Apotheker nicht nur Angehöriger eines freien Berufs, sondern zugleich Kaufmann ist. Er steht hinsichtlich der apothekenfreien Arzneimittel und des Randsortiments im allgemeinen Wettbewerb und muß werbend auf sich aufmerksam machen dürfen. Der Gesetzgeber darf zwar ein übersteigertes kaufmännisches Werbeverhalten des Apothekers im Interesse einer funktionstüchtigen Gesundheitsvorsorge verhindern (vgl. BVerfGE 53, 96, 98 f.; 75, 166, 182). Knüpft das Verbot der Werbung für apothekenübliche Waren aber wie im Streitfall allein an die Form der Werbung – Präsentation der Waren in vor der Apotheke aufgestellten Verkaufsschütten – an, so schwächt sich die Beziehung zum rechtfertigenden Gemeinwohlbelang ab. Aus dem Werbeträger unmittelbar auf eine Gefährdung der Arzneimittelversorgung oder mittelbar auf ein Herabsinken des Vertrauens der Bevölkerung in die berufliche Integrität des Apothekers zu schließen, ist jedenfalls solange nicht gerechtfertigt, als sich die Werbemittel im Rahmen des Üblichen bewegen. Nur übertriebene und anreißerische Werbung, die auf eine Vernachlässigung der Pflichten hindeuten könnte, soll vermieden werden (BVerfGE 94, 372, 393). Werbung für das Randsortiment ist daher nicht allein schon deshalb aufdringlich, weil sich der Apotheker damit derselben Methoden bedient, die auch von anderen Kaufleuten beim Handel mit gleichartigen Artikeln verwendet werden (BVerfGE 94, 372, 400). Bei der gebotenen Gesamtabwägung ist ferner zu berücksichtigen, daß die Präsentation von Waren in vor den Ladenräumen aufgestellten Verkaufsschütten eine gängige Form des Warenvertriebs ist, an die der Verkehr – jedenfalls soweit es sich um Waren der hier in Rede stehenden Art handelt – gewöhnt ist.
Umstände, die die beanstandete Werbung der Beklagten als anreißerisch und übertrieben erscheinen lassen könnten, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt; sie können auch nicht dem Vorbringen der Parteien entnommen werden.
3. Das in § 17 Abs. 1 ApBetrO enthaltene Verbot begegnet auch verfassungsrechtlichen Bedenken aus Art. 3 Abs. 1 GG. Der Gleichbehandlungsgrundsatz ist verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten ungleich behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (BVerfGE 75, 166, 179 m.w.N.). Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts rechtfertigt die besondere Aufgabe der Apotheke, die fachgerechte Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln sicherzustellen, es nicht, die Apotheke im Unterschied zu den übrigen Einzelhändlern, insbesondere den Drogisten, hinsichtlich des Anbietens von apothekenüblichen Waren auf ihre Betriebsräume zu beschränken. Denn eine derartige Werbebeschränkung ist – wie unter II 2 dargelegt – weder geeignet noch erforderlich, um die Erfüllung dieser Aufgabe zu gewährleisten (vgl. auch BGH GRUR 1991, 622, 624 - Warenproben in Apotheken).
4. Die Bestimmung des § 17 Abs. 1 Satz 1 ApBetrO läßt sich auch nicht auf einen verfassungsrechtlich unbedenklichen Inhalt reduzieren, da die in dieser Vorschrift enthaltenen Begriffe „Inverkehrbringen” in § 4 Abs. 17 AMG und „Apothekenbetriebsräume” in § 4 Abs. 5 ApBetrO eindeutig definiert sind.
III. Danach war auf die Revision der Beklagten das angefochtene Urteil im Kostenpunkt und insoweit aufzuheben, als darin zu ihrem Nachteil erkannt wurde und die Klage auf die Berufung der Beklagten insgesamt abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Erdmann, Mees, v. Ungern-Sternberg, Starck, Pokrant
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 11.02.1999 durch Walz Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
NJW 1999, 3406 |
NWB 1999, 3006 |
GRUR 1999, 1014 |
Nachschlagewerk BGH |
ZAP 1999, 766 |
GewArch 1999, 372 |
MDR 1999, 1454 |
WRP 1999, 920 |
ApoR 1999, 100 |
ApoR 1999, 106 |