Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückforderung von zu Unrecht für die Herstellung von Zytostatika an ein Krankenhaus gezahlte Umsatzsteuer durch die private Krankenkasse
Leitsatz (redaktionell)
1. Dass Rückforderungsansprüche eines privaten Krankenversicherers beim Ansatz einer (materiell-rechtlich nicht angefallenen) Umsatzsteuer für die Herstellung und Verabreichung von Zytostatika bestehen, ist anzunehmen, wenn die Rechnungen des herstellenden Krankenhauses die in § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 7 und 8 UStG genannten Angaben enthalten.
2. Die zwischen Patienten und einem Krankenhaus bezüglich der Herstellung und Lieferung von Zytostatika getroffenen Vergütungsvereinbarungen sind regelmäßig als Bruttopreisabreden zu werten. Diese Bruttopreisvereinbarungen sind allerdings nicht durch Ausübung eines dem Krankenhaus stillschweigend eingeräumten Preisbestimmungsrechts nach §§ 315, 316 BGB und damit mit der Bindungswirkung nach § 315 Abs. 3 BGB zustande gekommen, sondern dadurch, dass die Versicherungsnehmer der Krankenkasse das in der jeweiligen Rechnungstellung liegende Angebot der Beklagten durch vorbehaltlose Zahlungen gemäß § 151 BGB angenommen haben.
3. Im Streitfall hat das Krankenhaus gegenüber den Versicherungsnehmern der Krankenkasse Rechnungen mit unrichtigem Steuerausweis im Sinne des § 14c Abs. 1 Satz 1 UStG ausgestellt, so dass sie nur im Wege einer Rechnungskorrektur und anschließender Berichtigung des Steuerbetrags gemäß § 14c Abs. 1 Satz 2, § 17 Abs. 1 Satz 1 und 7 UStG im aktuellen Besteuerungszeitraum der Rechnungskorrekturen einen Erstattungsanspruch gegen das Finanzamt geltend machen kann. Zu berücksichtigen ist ggf., in welchem Umfang der vom Krankenhaus vorgenommene Vorsteuerabzug zu dessen Lasten rückwirkend entfallen und das Finanzamt Zinsen für die Berichtigung des Vorsteuerabzugs erheben könnte.
Normenkette
BGB § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 1, § 433 Abs. 2, §§ 316, 315 Abs. 3, §§ 151, 157; BGB a.F. § 651 S. 1; UStG § 4 Nr. 14 Buchst. b, Nr. 16 Buchst. b, § 14 Abs. 4 S. 1 Nrn. 7-8, § 14c Abs. 1; AO §§ 233a, 238, 37 Abs. 2
Verfahrensgang
AG Nürnberg (Entscheidung vom 17.07.2017; Aktenzeichen 12 C 2044/17) |
LG Nürnberg-Fürth (Urteil vom 05.07.2018; Aktenzeichen 4 S 5126/17) |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth – 4. Zivilkammer – vom 5. Juli 2018 wird zurückgewiesen.
Auf die Anschlussrevision der Beklagten wird das vorbezeichnete Urteil aufgehoben, soweit zu ihrem Nachteil erkannt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Rz. 1
Die Klägerin ist eine private Krankenversicherung. Das von der Beklagten betriebene Krankenhaus stellt in seiner hauseigenen Apotheke patientenindividuell sogenannte Zytostatika (Krebsmedikamente zur Anwendung in der Chemotherapie) her, so auch in den Jahren 2012 und 2013 für die Versicherungsnehmer der Klägerin K. … und T. …. Die Klägerin nimmt die Beklagte als Trägerin des Krankenhauses auf Rückerstattung von Umsatzsteuer, hilfsweise auf Abänderung der erstellten Rechnungen mit der Begründung in Anspruch, die Umsätze aus der Verabreichung patientenindividuell zubereiteter Zytostatika seien umsatzsteuerfrei.
Rz. 2
Für die Abgabe solcher Medikamente an die genannten Versicherungsnehmer der Klägerin erstellte die Beklagte in den Jahren 2012 und 2013 Rechnungen unter Bezugnahme auf die für die verordneten Medikamente ausgestellten Rezeptformulare, in denen unter der dort vorgedruckten Überschrift „Gesamt-Brutto” die jeweils angesetzten Preise aufgedruckt waren. In diesen Rechnungen sind jeweils der Gesamtnettobetrag, die darauf entfallende Umsatzsteuer nebst Steuersatz sowie der Bruttobetrag angegeben. Die Klägerin erstattete die in Rechnung gestellten Beträge ihren beiden Versicherungsnehmern in tarifgemäßem Umfang vollständig, insbesondere auch hinsichtlich der in den Rechnungen in Höhe von 19 % des jeweiligen Rechnungsbetrags ausgewiesenen Umsatzsteuer von (insgesamt) 4.215,47 EUR. Die Beklagte führte die nach Vorsteuerabzug verbliebenen Umsatzsteuerbeträge an das Finanzamt ab.
Rz. 3
Am 24. September 2014 erging ein Urteil des Bundesfinanzhofs (Aktenzeichen V R 19/11; veröffentlicht in BFHE 247, 369), wonach die im Rahmen einer ambulant in einem Krankenhaus durchgeführten Heilbehandlung erfolgte Verabreichung individuell für den einzelnen Patienten von einer Krankenhausapotheke hergestellter Zytostatika als ein mit der ärztlichen Heilbehandlung eng verbundener Umsatz gemäß § 4 Nr. 16 Buchst. b Umsatzsteuergesetz (UStG) (aF; seit 1. Januar 2009: § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG) steuerfrei ist. Unter dem 28. September 2016 folgte ein Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (Aktenzeichen III C 3 – S 7170/11/10004; veröffentlicht in UR 2016, 891), das auf die Entscheidung des Bundesfinanzhofs sowie – unter anderem – auf die Möglichkeit einer Berichtigung der wegen unrichtigen Ausweises der Steuer geschuldeten Beträge nach dem Umsatzsteuergesetz hinwies.
Rz. 4
Mit der vorliegenden Klage hat die Klägerin gegen die Beklagte einen auf Bereicherungsrecht gestützten Anspruch aus übergegangenem Recht ihrer Versicherungsnehmer K. … und T. … auf Rückzahlung von insgesamt 4.215,47 EUR nebst Zinsen, hilfsweise auf Abänderung der gestellten Rechnungen dahin, dass die Umsatzsteuer entfällt, geltend gemacht. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Beklagte – unter Abweisung der Klage im Übrigen – verurteilt, an die Klägerin 261,52 EUR nebst Zinsen zu bezahlen; die weitergehende Berufung hat es zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter, soweit es bisher keinen Erfolg gehabt hat. Die Beklagte will mit ihrer Anschlussrevision eine vollständige Klageabweisung erreichen.
Entscheidungsgründe
Rz. 5
Die Revision hat keinen Erfolg; die Anschlussrevision ist dagegen begründet.
A.
Rz. 6
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:
Rz. 7
Der Klägerin stehe ein Rückzahlungsanspruch gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB in Verbindung mit § 86 Abs. 1, § 194 Abs. 2 VVG lediglich in Höhe von 261,52 EUR zu.
Rz. 8
Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts seien vorliegend zwischen der Beklagten und ihren Patienten Festpreise nicht vereinbart worden. Denn es habe nicht dem übereinstimmenden Willen beider Parteien entsprochen, dass eine in der Rechnung ausgewiesene Umsatzsteuer auch dann zu bezahlen sei, wenn sie materiell-rechtlich nicht geschuldet werde.
Rz. 9
Mit Urteil vom 24. September 2014 (V R 19/11) habe der Bundesfinanzhof – auch mit Wirkung für die Vergangenheit – entschieden, dass eine Umsatzsteuerpflicht für die Verabreichung patientenindividuell hergestellter Zytostatika nach § 14 Nr.14b UStG nicht bestehe. Diesen Fall hätten die (Vertrags-)Parteien bei Vertragsschluss nicht bedacht, so dass entweder im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung oder nach § 313 Abs. 2 BGB eine nachträgliche Vertragsanpassung vorzunehmen sei.
Rz. 10
In deren Rahmen sei allerdings zu berücksichtigen, dass sich nach der zitierten Entscheidung des Bundesfinanzhofs die Umsatzsteuerfreiheit allein auf die von der Beklagten erbachten Leistungen beziehe. Der für die patientengerechte Herstellung der Medikamente notwendige Erwerb pharmazeutischer Erzeugnisse durch die Beklagte von Dritten unterliege indes der Umsatzsteuer. In Kenntnis der späteren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs hätte sich die Beklagte damit lediglich bereit erklärt, auf den Ansatz von Umsatzsteuer für die von ihr selbst erbrachten Leistungen zu verzichten. Dies betreffe nach den insoweit unwidersprochen gebliebenen Berechnungen der Beklagten lediglich einen Betrag unzutreffend ausgewiesener Umsatzsteuer in Höhe von 261,52 EUR.
Rz. 11
Dem Umstand, dass die Umsatzsteuer bereits bestandskräftig festgesetzt und von der Beklagten an das Finanzamt abgeführt worden sei, komme für die Entscheidung keine Bedeutung zu, da die Beklagte die Änderung der Steuerfestsetzung beantragen könne. Wenn sie hiervon keinen Gebrauch mache, könne dies nicht zu Lasten der Klägerin gehen, zumal diese keinen Einfluss auf die steuerliche Behandlung der Vorgänge (gehabt) habe.
Rz. 12
Auch der Einwand der Beklagten, zu erwartende Rechnungskorrekturen zögen bei ihr einen enormen Aufwand nach sich, rechtfertige ein anderes Ergebnis nicht. Der Gesetzgeber habe den Ausweis und die Vereinnahmung der durch den Endverbraucher zu tragenden Umsatzsteuer in die Verantwortung der an der Leistungserbringung beteiligten Unternehmen gelegt. Damit trügen diese auch das Risiko eines unzutreffenden Steuerausweises.
B.
Rz. 13
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht in allen entscheidungserheblichen Punkten stand. Im Ergebnis zutreffend hat das Berufungsgericht allerdings einen über den von ihm zugebilligten Betrag hinausgehenden Rückzahlungsanspruch der Klägerin in Höhe von weiteren 3.953,95 EUR (zuzüglich Zinsen) aus übergegangenem Recht gemäß § 812 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 BGB in Verbindung mit § 86 Abs. 1, § 194 Abs. 2 VVG verneint mit der Folge, dass die Revision der Klägerin zurückzuweisen ist. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann dagegen ein Anspruch der Klägerin nach diesen Vorschriften auf Rückzahlung von 261,52 EUR (derzeit) nicht bejaht werden.
Rz. 14
I. Zur Revision der Klägerin:
Rz. 15
Das Berufungsgericht hat im Ergebnis zutreffend angenommen, dass im Streitfall zwischen den Versicherungsnehmern der Klägerin und der Beklagten Bruttopreisvereinbarungen zustande gekommen sind. Es hat weiter im Ergebnis richtig erkannt, dass die Vertragsparteien rechtsirrig von einer Umsatzsteuerpflicht der von der Beklagten durch ihre Apotheke erbrachten Leistungen ausgegangen sind mit der Folge, dass die zwischen ihnen getroffenen Vereinbarungen im Hinblick auf die später bekannt gewordene Umsatzsteuerfreiheit der Herstellung und Veräußerung von Zytostatika – unter Umständen (siehe dazu die Ausführungen zur Anschlussrevision der Beklagten unter II) – eine planwidrige Regelungslücke aufweisen könnten, die möglicherweise mit Hilfe einer vom Berufungsgericht auch zutreffend in Betracht gezogenen ergänzenden Vertragsauslegung zu schließen wäre (vgl. hierzu Senatsurteile vom 20. Februar 2019 – VIII ZR 115/18, juris Rn. 46 ff., 73, 79 ff., und VIII ZR 189/18, juris Rn. 46 ff., 72, 78 ff.; Senatsurteil vom 10. Juni 2020 – VIII ZR 360/18, NJW-RR 2020, 1106 Rn. 17, 36, 53 bis 66). Im Ergebnis zutreffend hat das Berufungsgericht weiter angenommen, dass die Klägerin im Rahmen einer ergänzenden Vertragsauslegung allenfalls Rückzahlung eines Teils der Umsatzsteuer verlangen kann.
Rz. 16
Dies folgt letztlich, auch wenn das Berufungsgericht nicht auf die steuerrechtlichen Mechanismen (Umsatzsteueranmeldung und Vorsteuerabzug), sondern allein auf das daraus folgende wirtschaftliche Ergebnis abgestellt hat, aus dem Umstand, dass die Krankenhäuser – so auch die Beklagte – auf die für den Erwerb der für die Herstellung der Zytostatika notwendigen pharmazeutischen Erzeugnisse von Dritten zu zahlende Vergütung Umsatzsteuer entrichten müssen und dies dann bei ihrer Umsatzsteueranmeldung als Vorsteuer in Abzug bringen können. Zwar ist die Argumentation des Berufungsgerichts, das meint, die vom Bundesfinanzhof für die Verabreichung von Zytostatika bejahte Umsatzsteuerfreiheit beziehe sich nicht auf die Gesamtheit der von den Krankenhäusern für die Verabreichung von Zytostatika in Rechnung gestellten Beträge (siehe aber BFH, aaO Rn. 19, 24), sondern nur auf deren Eigenleistungen, rechtsfehlerhaft. Das von ihm gefundene Ergebnis, wonach die Klägerin höchstens Erstattung von 261,52 EUR verlangen kann, entspricht vorliegend jedoch, weil es seine Betrachtung letztlich auf den Vortrag der Beklagten zum Vorsteuerabzug stützt, den vom Senat entwickelten Grundsätzen. Danach ist der vereinbarte Preis zwar um die gesamte im Prozess der Herstellung und Verabreichung der Zytostatika angesetzte Umsatzsteuer zu verringern, jedoch ist im Gegenzug der auf Seiten der Krankenhäuser dann entfallende Vorsteuerabzug zu addieren.
Rz. 17
1. Zwischen den genannten Versicherungsnehmern der Klägerin und der Beklagten sind in Bezug auf die Herstellung und Veräußerung von Zytostatika Werklieferungsverträge nach § 651 BGB aF (heute § 650 BGB) abgeschlossen worden, für die bezüglich der Entgeltpflicht § 433 Abs. 2 BGB gilt (vgl. Senatsurteile vom 20. Februar 2019 – VIII ZR 7/18, BGHZ 221, 145 Rn. 21, VIII ZR 66/18, juris Rn. 19, VIII ZR 115/18, aaO Rn. 20, und VIII ZR 189/18, aaO Rn. 18; Senatsurteil vom 10. Juni 2020 – VIII ZR 360/18, aaO Rn. 18). Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass die den Versicherungsnehmern der Klägerin in Rechnung gestellte Vergütung jeweils die darin eingeschlossene Umsatzsteuer von 19 % enthält und diese damit als unselbständigen Entgeltbestandteil einschließt. Damit ist es entgegen der Auffassung der Anschlussrevision – wenn auch unausgesprochen – davon ausgegangen, dass die Vertragsparteien Bruttopreisabreden getroffen haben (vgl. Senatsurteile vom 20. Februar 2019 – VIII ZR 7/18, aaO Rn. 25, VIII ZR 66/18, aaO Rn. 23, VIII ZR 115/18, aaO Rn. 24, und VIII ZR 189/18, aaO Rn. 22; vom 10. Juni 2020 – VIII ZR 360/18, aaO). Dies steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Senats.
Rz. 18
Die zwischen Patienten und einem Krankenhaus bezüglich der Herstellung und Lieferung von Zytostatika getroffenen Vergütungsvereinbarungen sind regelmäßig als Bruttopreisabreden zu werten (Senatsurteile vom 20. Februar 2019 – VIII ZR 7/18, aaO Rn. 41 ff., VIII ZR 66/18, aaO Rn. 45, VIII ZR 115/18, aaO Rn. 39 ff., und VIII ZR 189/18, aaO Rn. 39 f.). Denn nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung ist grundsätzlich – auch wenn sich die Vertragsparteien nicht ausdrücklich darauf verständigt haben (vgl. Senatsurteil vom 24. Februar 1988 – VIII ZR 64/87, BGHZ 103, 284, 287) – vom Vorliegen einer Bruttopreisabrede auszugehen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Parteien einen „Nettopreis” vereinbart haben, wofür auch ein Handelsbrauch oder eine Verkehrssitte maßgeblich sein kann (BGH, Urteile vom 14. Januar 2000 – V ZR 416/97, WM 2000, 915 unter II 1 mwN; vom 11. Mai 2001 – V ZR 492/99, NJW 2001, 2464 unter II 1; vom 28. Februar 2002 – I ZR 318/99, NJW 2002, 2312 unter II 1; BSG, NJOZ 2009, 1914 Rn. 17). Greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines solchen Sonderfalls bestehen hier nicht.
Rz. 19
2. Diese Bruttopreisvereinbarungen sind – entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung – allerdings nicht durch Ausübung eines der Beklagten stillschweigend eingeräumten Preisbestimmungsrechts nach §§ 315, 316 BGB und damit mit der Bindungswirkung nach § 315 Abs. 3 BGB zustande gekommen, sondern dadurch, dass die Versicherungsnehmer der Klägerin das in der jeweiligen Rechnungstellung liegende Angebot der Beklagten durch vorbehaltlose Zahlungen gemäß § 151 BGB angenommen haben. Vor diesem Hintergrund kann ein – auf die Klägerin übergegangener – bereicherungsrechtlicher Anspruch auf (teilweise) Rückzahlung der Beträge, die auf die zu Unrecht angesetzten Umsatzsteueranteile entfallen (zur bereicherungsrechtlichen Natur dieses Anspruchs eingehend Senatsurteil vom 10. Juni 2020 – VIII ZR 360/18, aaO Rn. 41 ff. und Senatsbeschluss vom 12. Mai 2020 – VIII ZR 171/19, NJW 2020, 2730 Rn. 24 f.), nicht von vornherein ausgeschlossen werden.
Rz. 20
a) Ein von der Revisionserwiderung angenommenes, nach billigem Ermessen auszuübendes Preisbestimmungsrecht der Beklagten gemäß § 316 BGB wird weder dem eingeschränkten Anwendungsbereich dieser Vorschrift noch der beiderseitigen Interessenlage gerecht. Die genannte Bestimmung enthält lediglich eine nur im Zweifel eingreifende gesetzliche Auslegungsregel, der gegenüber die Vertragsauslegung Vorrang hat. Daher kann eine Vertragslücke nicht durch Rückgriff auf § 316 BGB geschlossen werden, wenn und weil dies dem Interesse der Vertragsparteien und ihrer wirklichen oder mutmaßlichen Willensrichtung typischerweise nicht entspricht (vgl. Senatsurteile vom 20. Februar 2019 – VIII ZR 7/18, aaO Rn. 34, VIII ZR 66/18, aaO Rn. 31, VIII ZR 115/18, aaO Rn. 32, VIII ZR 189/18, aaO Rn. 31; vom 10. Juni 2020 – VIII ZR 360/18, aaO Rn. 21; jeweils mwN).
Rz. 21
b) So verhält es sich hier. Bei dem Erwerb von durch eine Krankenhausapotheke individuell hergestellten Zytostatika für eine ambulante Krankenhausbehandlung entspricht es weder den Interessen der Beteiligten noch deren mutmaßlichem Willen, dass das Krankenhaus eine einseitige Preisbestimmung nach §§ 316, 315 BGB vornimmt.
Rz. 22
aa) Ein privatversicherter Patient hat kein erkennbares Interesse daran, einer Krankenhausapotheke, zu der er in aller Regel nicht einmal Kontakt aufgenommen hat, das Recht einzuräumen, die Höhe der geschuldeten Gegenleistung nach freiem Ermessen und damit bis zur Grenze der Unbilligkeit (§§ 316, 315 BGB) einseitig zu bestimmen. Denn in einem solchen Fall wäre er gezwungen, auch einen Betrag zu bezahlen, der sogar an der Obergrenze der Spanne läge, die sich noch innerhalb der Billigkeit bewegte. Dass dies seinen Interessen zuwiderläuft, ergibt sich bereits daraus, dass der Patient darauf angewiesen ist, von seiner Krankenversicherung (und gegebenenfalls zusätzlich von anderer Stelle) eine Kostenerstattung zu erhalten, was wiederum voraussetzt, dass angemessene und grundsätzlich erstattungsfähige Preise berechnet werden (Senatsurteile vom 20. Februar 2019 – VIII ZR 7/18, aaO Rn. 37, VIII ZR 66/18, aaO Rn. 34, VIII ZR 115/18, aaO Rn. 35, und VIII ZR 189/18, aaO Rn. 34; Senatsurteile vom 6. Mai 2020 – VIII ZR 44/19, NJW-RR 2020, 851 Rn. 25; vom 10. Juni 2020 – VIII ZR 360/18 aaO, Rn. 24).
Rz. 23
bb) Die Krankenhausapotheke hat ebenfalls kein berechtigtes Interesse daran, einen über das Angemessene (einschließlich einer üblichen Gewinnspanne) hinausgehenden, allein nach billigem Ermessen festzusetzenden Preis zu verlangen (Senatsurteile vom 20. Februar 2019 – VIII ZR 7/18, aaO, VIII ZR 66/18, aaO, VIII ZR 115/18, aaO, und VIII ZR 189/18, aaO). Im Hinblick auf diese Interessenlage entspräche ein solches Vorgehen auch nicht dem mutmaßlichen Willen der Vertragsparteien (Senatsurteile vom 20. Februar 2019 – VIII ZR 7/18, aaO Rn. 38, VIII ZR 66/18, aaO Rn. 35, VIII ZR 115/18, aaO Rn. 36, und VIII ZR 189/18, aaO Rn. 35; Senatsurteile vom 6. Mai 2020 – VIII ZR 44/19, aaO Rn. 26; vom 10. Juni 2020 – VIII ZR 360/18, aaO Rn. 25).
Rz. 24
cc) Damit käme ein von der Revisionserwiderung angenommenes einseitiges Preisbestimmungsrecht der Beklagten selbst dann nicht in Betracht, wenn es – wie nicht (dazu sogleich) – an einer Vergütungsabrede der Vertragsparteien fehlen würde. Die in diesem Fall bestehende Vertragslücke wäre dann nach den Grundsätzen der ergänzenden Vertragsauslegung (§ 157 BGB) dahin zu schließen, dass ein angemessener, grundsätzlich von den Krankenversicherern erstattungsfähiger Preis geschuldet wäre (Senatsurteile vom 20. Februar 2019 – VIII ZR 7/18, aaO Rn. 39, VIII ZR 66/18, aaO Rn. 36, VIII ZR 115/18, aaO Rn. 37 und VIII ZR 189/18, aaO Rn. 36, vom 10. Juni 2020 – VIII ZR 360/18, aaO Rn. 26).
Rz. 25
c) Eine solche Lückenschließung ist vorliegend aber deshalb entbehrlich, weil die Vertragsparteien zumindest nachträglich dadurch wirksame Preisabreden getroffen haben, dass die Beklagte den Versicherungsnehmern der Klägerin für die verabreichten Zytostatika jeweils Rechnungen unter Ausweis der verlangten Beträge gestellt und diese deren Angebote durch vorbehaltlose Zahlungen angenommen haben.
Rz. 26
aa) Eine Absprache über die Vergütung für die zubereiteten Zytostatika kann stillschweigend auch noch nach der Herstellung oder gar der Verabreichung der Medikamente getroffen werden (vgl. hierzu Senatsurteile vom 20. Februar 2019 – VIII ZR 7/18, aaO Rn. 35, 40, VIII ZR 66/18, aaO Rn. 28, 37, VIII ZR 115/18, aaO Rn. 29, 38, und VIII ZR 189/18, aaO Rn. 27, 37; Senatsurteile vom 6. Mai 2020 – VIII ZR 44/19, aaO Rn. 21; vom 10. Juni 2020 – VIII ZR 360/18, aaO Rn. 28). Eine solche nachträgliche Einigung kann unter den hier gegebenen besonderen Umständen (Vertragsgegenstand, keine angemeldeten oder ersichtlichen Bedenken gegen die Angemessenheit der verlangten Vergütung, Erstattung durch den privaten Krankenversicherer der Patienten) insbesondere dadurch erzielt werden, dass der Versicherungsnehmer des privaten Krankenversicherers die von dem Krankenhaus jeweils in den gestellten Rechnungen geforderten Beträge durch vorbehaltlos erbrachte Zahlungen entsprechend § 151 BGB billigt und dadurch eine bis dahin bezüglich der konkreten Vergütungshöhe bestehende Vertragslücke schließt (vgl. Senatsurteile vom 20. Februar 2019 – VIII ZR 7/18, aaO Rn. 40, VIII ZR 66/18, aaO Rn. 32, 37, VIII ZR 115/18, aaO, und VIII ZR 189/18, aaO Rn. 32, 37; vom 10. Juni 2020 – VIII ZR 360/18, aaO).
Rz. 27
bb) Da das Berufungsgericht die gebotene Auslegung der von den Vertragsparteien abgegebenen Erklärungen unterlassen hat und weitere Feststellungen hierzu nicht zu erwarten sind, kann der Senat die Auslegung der von den Vertragsparteien geschaffenen Erklärungstatbestände selbst vornehmen (vgl. etwa Senatsurteil vom 25. April 2018 – VIII ZR 176/17, NJW 2018, 2472 Rn. 32 mwN). Dies führt zu einer spätestens mit Rechnungstellung und vorbehaltloser Begleichung der Rechnungsbeträge stillschweigend und unter Anwendung des § 151 BGB getroffenen konkreten Vergütungsabrede der Vertragsparteien und damit zum Ausschluss eines einseitigen Preisbestimmungsrechts der Beklagten (Senatsurteile vom 20. Februar 2019 – VIII ZR 7/18, aaO, VIII ZR 66/18, aaO Rn. 28, 37, VIII ZR 115/18, aaO, und VIII ZR 189/18, aaO Rn. 27, 37; vom 6. Mai 2020 – VIII ZR 44/19, aaO; vom 10. Juni 2020 – VIII ZR 360/18, aaO).
Rz. 28
3. Aus dem Vorliegen von stillschweigend zustande gekommenen Bruttopreisabreden folgt aber nicht, dass die getroffenen Regelungen abschließend wären und es der Klägerin daher gänzlich verwehrt wäre, zu Unrecht angesetzte Umsatzsteueranteile (aus übergegangenem Recht) teilweise wegen ungerechtfertigter Bereicherung zurückzufordern (vgl. eingehend hierzu Senatsurteile vom 20. Februar 2019 – VIII ZR 7/18, aaO Rn. 58 f., VIII ZR 66/18, aaO Rn. 59 f., VIII ZR 115/18, aaO Rn. 55 f., und VIII ZR 189/18, aaO Rn. 55 f.; Senatsurteil vom 6. Mai 2020 – VIII ZR 44/19, aaO Rn. 19; vom 10. Juni 2020 – VIII ZR 360/18, aaO Rn. 44). Eine Bruttopreisabrede führt nicht dazu, dass ein Vertragsverhältnis damit zugleich als Festpreisvereinbarung einzustufen wäre. Vielmehr hängt es von dem im Wege der Auslegung unter Heranziehung aller Umstände des Einzelfalls zu ermittelnden wirklichen Willen der Vertragsparteien (§§ 133, 157 BGB) ab, ob und wieweit die getroffenen Preisvereinbarungen abschließend sein sollten (Senatsurteile vom 20. Februar 2019 – VIII ZR 7/18, aaO Rn. 58, VIII ZR 66/18, aaO Rn. 59, VIII ZR 115/18, aaO Rn. 55, und VIII ZR 189/18, aaO Rn. 55; vom 10. Juni 2020 – VIII ZR 360/18, aaO).
Rz. 29
Vorliegend ist nicht auszuschließen, dass der Klägerin gemäß § 86 Abs. 1, § 194 Abs. 2 VVG auf sie übergegangene Rückzahlungsansprüche ihrer Versicherungsnehmer aus § 812 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 BGB aufgrund einer ergänzenden Auslegung (§ 157 BGB) der zwischen diesen und der Beklagten geschlossenen Verträge zustehen, weil infolge der ergänzenden Vertragsauslegung der Rechtsgrund für die Beträge, die als Umsatzsteueranteil geleistet worden sind, (teilweise) nachträglich entfiele.
Rz. 30
a) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts gingen die Versicherungsnehmer der Klägerin und die Beklagte zum Zeitpunkt der Vertragsschlüsse von einer (tatsächlich nicht bestehenden) materiellen Umsatzsteuerpflicht (Regelsteuersatz) in Bezug auf die streitgegenständlichen Zytostatikalieferungen aus. Soweit die Revisionserwiderung diese Feststellung unter Verweis darauf in Frage stellen will, die Patienten hätten sich bei Vertragsschluss über den Preis, insbesondere etwaige Steueranteile, keine Gedanken gemacht, hat die Beklagte die vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen nicht mit einem Tatbestandsberichtigungsantrag gemäß § 320 ZPO angegriffen (vgl. hierzu Senatsurteil vom 20. Februar 2019 – VIII ZR 7/18, aaO Rn. 49). Davon abgesehen verkennt die Revisionserwiderung, dass auch bei den von ihr geschilderten Umständen eine Fallgestaltung vorläge, in der die Vertragsparteien eine tatsächlich bestehende materiell-rechtliche Umsatzsteuerfreiheit und sich hieraus zukünftig möglicherweise ergebende Rückforderungsansprüche der Beklagten gegenüber dem Finanzamt nicht bedacht und daher für diesen Fall keine Regelungen getroffen hätten (Senatsurteile vom 20. Februar 2019 – VIII ZR 115/18, aaO Rn. 48, und VIII ZR 189/18, aaO Rn. 47; Senatsbeschluss vom 12. Mai 2020 – VIII ZR 171/19, aaO Rn. 16).
Rz. 31
Vor dem Hintergrund der unzutreffenden Annahme einer bei Vertragsschluss bestehenden materiell-rechtlichen Umsatzsteuerpflicht der Beklagten ist nicht auszuschließen, dass die Verträge zwischen dem jeweiligen Versicherungsnehmer der Klägerin und der Beklagten infolge einer nicht bedachten Unvollständigkeit eine planwidrige Regelungslücke aufweisen, die auch nicht durch das dispositive Recht ausgefüllt werden könnte und daher im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu schließen wäre.
Rz. 32
aa) Für die Beklagte bestand bezüglich der vereinbarten Herstellung und Lieferung von Zytostatika zur Zeit der Vertragsschlüsse materiell-rechtlich keine Umsatzsteuerpflicht. Dies ergibt sich aus dem Urteil des Bundesfinanzhofs vom 24. September 2014 (V R 19/11, BFHE 247, 369), wonach die Verabreichung von individuell für den einzelnen Patienten in einer Krankenhausapotheke im Rahmen einer ambulant in einem Krankenhaus durchgeführten ärztlichen Heilbehandlung hergestellten Zytostatika entgegen den Regelungen in Abschn. 100 Abs. 3 Nr. 4 Umsatzsteuer-Richtlinien 2005 (UStR 2005) und Abschn. 4.14.6 Abs. 3 Nr. 3 Umsatzsteuer-Anwendungserlass in der Fassung vom 17. November 2010 (BStBl I S. 846; im Folgenden UStAE aF) als ein mit der ärztlichen Heilbehandlung eng verbundener Umsatz gemäß § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG aF (entsprechend § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG nF) steuerfrei ist.
Rz. 33
bb) Gleichwohl unterlag die Beklagte bei Abschluss und Durchführung sämtlicher mit den Versicherungsnehmern der Klägerin in dem streitgegenständlichen Zeitraum (2012 und 2013) getroffenen Vereinbarungen einer faktischen Verpflichtung zur Abführung der Umsatzsteuer, weil sämtliche beteiligten Verkehrskreise einschließlich der Finanzbehörden (vgl. Abschn. 100 Abs. 3 Nr. 4 UStR 2005 und Abschn. 4.14.6 Abs. 3 Nr. 3 UStAE aF) seinerzeit von einer materiell-rechtlichen Umsatzsteuerpflicht ausgingen (vgl. zu der Maßgeblichkeit auch dieser faktischen Umsatzsteuerpflicht im Vertragsverhältnis zwischen steuerpflichtigem Unternehmer und Leistungsempfänger BSG, NZS 2010, 154 Rn. 17 ff.; Urteil vom 9. April 2019 – B 1 KR 5/19 R, juris Rn. 21).
Rz. 34
Dies änderte sich erst mit dem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 28. September 2016 (Az. III C 3 – S 7170/11/10004, aaO), mit dem dieses unter entsprechender Änderung des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses klarstellte, dass der Entscheidung des Bundesfinanzhofs in der Finanzverwaltung gefolgt werde und die Grundsätze dieses Urteils auch im Hinblick auf andere Arzneimittel, die wie Zytostatika patientenindividuell hergestellt würden, Anwendung finde. Zudem führte das Bundesministerium der Finanzen in dem genannten Schreiben aus, dass der Unternehmer, der sich für einen bereits getätigten Umsatz auf die Grundsätze des Urteils des Bundesfinanzhofs berufe und davon abweichend in einer Rechnung Umsatzsteuer ausgewiesen habe, zwar diese nach § 14c Abs. 1 UStG schulde (vgl. zur Anwendbarkeit von § 14c Abs. 1 UStG auf Fälle des gesonderten Steuerausweises bei Umsatzsteuerfreiheit: BFHE 261, 451 Rn. 36 mwN zu § 14 Abs. 2 UStG 1993/1999; Abschn. 14c.1. Abs. 1 Satz 4 Alt. 1 und Satz 5 Nr. 3 UStAE), die Rechnung aber bei Behandlung des Umsatzes als steuerfrei gemäß § 31 Abs. 5 Satz 1 Buchst. b Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) berichtigen könne.
Rz. 35
cc) Diese von den Vertragsparteien nicht geregelten und auch nicht bedachten Umstände könnten (dazu sogleich näher unter II.) dazu führen, dass ohne eine Vervollständigung ihrer Abreden im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung eine angemessene, interessengerechte Lösung nicht zu erzielen wäre (vgl. Senatsurteile vom 20. Februar 2019 – VIII ZR 115/18, aaO Rn. 47, 49, VIII ZR 189/18, aaO Rn. 46, 48; vgl. auch Senatsurteile vom 20. Februar 2019 – VIII ZR 7/18, aaO Rn. 47 ff., und VIII ZR 66/18, aaO Rn. 49 ff., sowie Senatsurteil vom 5. Mai 2020 – VIII ZR 44/19, aaO Rn. 33).
Rz. 36
dd) Jedoch kann die Klägerin nach den vom Senat entwickelten Grund-sätzen im Rahmen einer ergänzenden Vertragsauslegung nur Rückzahlung des Betrags verlangen, der der von ihren Versicherungsnehmern auf die gestellten Rechnungen geleisteten (gesamten) Umsatzsteuer abzüglich der von der Beklagten hiervon in Abzug gebrachten Vorsteuer, deren Wegfall durch eine Erhöhung des ursprünglich verlangten Nettopreises zu kompensieren ist, entspricht (vgl. Senatsurteile vom 20. Februar 2020 – VIII ZR 7/18, aaO Rn. 60, 80 f., VIII ZR 66/18, aaO Rn. 83 ff., VIII ZR 115/18, aaO Rn. 73 f., und VIII ZR 189/18, aaO Rn. 73 f.). Denn etwaige, sich nach der Rechtsprechung des Senats im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung ergebende Rückzahlungsansprüche eines Krankenversicherers bestehen von vorneherein nur in Höhe der Differenz zwischen den vertraglich vereinbarten Entgelten und den Preisen, die die Versicherungsnehmer des Krankenversicherers und das Krankenhaus bei Vertragsschluss als redliche Vertragspartner jeweils hypothetisch vereinbart hätten, wenn ihnen die Steuerfreiheit der Umsätze des Krankenhauses aus den Verträgen über die Herstellung und Lieferung der Zytostatika bekannt gewesen wäre und sie ihrer Willensbildung weiter – als hypothetischen Umstand – zugrunde gelegt hätten, dass auch die Finanzbehörden bereits zum damaligen Zeitpunkt von einer Umsatzsteuerfreiheit ausgingen. In Höhe dieser Differenz ist der Rechtsgrund für die jeweiligen Zahlungen der Versicherungsnehmer ab dem Zeitpunkt entfallen, in dem das Krankenhaus im Jahr 2016 schließlich die Möglichkeit erhielt, die abgeführte Umsatzsteuer von dem Finanzamt zurückzuerlangen (vgl. Senatsurteile vom 20. Februar 2019 – VIII ZR 7/18, aaO Rn. 80, VIII ZR 66/18, aaO Rn. 82, VIII ZR 115/18, aaO Rn. 73, und VIII ZR 189/18, aaO Rn. 72).
Rz. 37
(1) Der unter den vorstehend beschriebenen Voraussetzungen maßgebliche hypothetisch vereinbarte Kaufpreis errechnete sich für den jeweiligen Vertrag in der Weise, dass ein Betrag in Höhe des für den Rechnungsbetrag angesetzten Umsatzsteueranteils von dem tatsächlich vereinbarten Kaufpreis abgezogen, dafür jedoch die anteilig auf den Vertrag entfallende, von der Beklagten gemäß § 15 UStG in Bezug auf die vertraglich geschuldete Leistung bei ihrem Finanzamt angemeldete Vorsteuer addiert würde. Die bei der Ermittlung der hypothetisch vereinbarten Preise vorzunehmende Addition der durch die Beklagte angemeldeten Vorsteuer entspräche dem – anknüpfend an die Regelungen und Wertungen der abgeschlossenen Verträge und gemessen an den Geboten von Treu und Glauben zu ermittelnden – hypothetischen Parteiwillen. Wäre die Steuerfreiheit der streitgegenständlichen Umsätze von Anfang an bekannt gewesen, hätte die Beklagte insoweit auch keinen Vorsteuerabzug gegenüber dem Finanzamt vornehmen können und damit die eigenen, aus dem Ankauf der für die Herstellung der Zytostatika notwendigen Grundstoffe resultierenden Umsatzsteueraufwendungen auf den jeweiligen Vertrag – ohne die Möglichkeit einer vertraglichen Weitergabe an die Versicherungsnehmer der Klägerin – im Ergebnis zunächst selbst tragen müssen (vgl. Senatsurteile vom 20. Februar 2019 – VIII ZR 7/18, aaO Rn. 81 f., und VIII ZR 115/18, aaO Rn. 74 f., und VIII ZR 189/18, aaO Rn. 74 f.).
Rz. 38
(2) Der Entfall des Vorteils eines nach Angaben der Beklagten vorgenommenen Vorsteuerabzugs wäre jedoch im Fall der Rechnungskorrektur nach dem – unter den beschriebenen Voraussetzungen anzunehmenden – hypothetischen Parteiwillen nicht endgültig von der Beklagten zu tragen. Denn dem Regelungsplan der Vertragsparteien liegt die Vorstellung zugrunde, dass die Aufwendungen, die die Beklagte für die Herstellung der Zytostatika dauerhaft zu erbringen hat, in voller Höhe an die Versicherungsnehmer der Klägerin weitergegeben werden. Ausgehend hiervon hätten die Vertragsparteien bei einer nicht gegebenen Möglichkeit des Vorsteuerabzugs der Beklagten ihrer Preisvereinbarung – neben etwaigen sonstigen zulässigerweise angesetzten Preisbestandteilen – redlicherweise auch die für die Medikamentenherstellung getätigten Aufwendungen (insbesondere die bei dem Einkauf der benötigten Grundstoffe und Materialien anfallenden Bruttopreise) zugrunde gelegt (vgl. Senatsurteile vom 20. Februar 2019 – VIII ZR 7/18, aaO Rn. 83, VIII ZR 66/18, aaO Rn. 85, VIII ZR 115/18, aaO Rn. 76, und VIII ZR 189/18, aaO Rn. 75).
Rz. 39
(3) Im Hinblick auf die Notwendigkeit, einen nach Angaben der Beklagten vorgenommenen Vorsteuerabzug rückabzuwickeln, wird die Beklagte bei ihren Rechnungskorrekturen gegenüber den Versicherungsnehmern der Klägerin zu beachten haben, dass sie neben einer Streichung des vollen Umsatzsteuerbetrags zugleich eine Erhöhung des (Netto-)Entgelts um die etwaig jeweils (anteilig) auf den Umsatz angemeldete Vorsteuer im Sinne des § 15 Abs. 1 UStG vornehmen muss. Ein solches Vorgehen bei der Rechnungskorrektur ist deshalb geboten, weil das Finanzamt der Beklagen die Umsatzsteuer – losgelöst von der zivilrechtlichen Sicht der Bruttopreisabrede und die sich daraus ergebende Unselbständigkeit der Preisbestandteile – nur erstatten wird, „soweit” (vgl. Abschn. 14c.1 Abs. 5, Beispiel Satz 3 UStAE) sie selbst eine Rückzahlung vornimmt, davon unabhängig aber zugleich rückwirkend für die Besteuerungszeiträume 2012 und 2013 die etwaig durch die Beklagten vorgenommenen Vorsteuerabzüge in Fortfall bringen wird. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Ausführungen in den Senatsurteilen vom 20. Februar 2019 (VIII ZR 115/18, aaO Rn. 78, und VIII ZR 189/18, aaO Rn. 77) verwiesen.
Rz. 40
ee) Das Berufungsgericht hat den vorbeschriebenen Inhalt der – auch von ihm zurecht in Betracht gezogenen – ergänzenden Vertragsauslegung zwar nicht in der an sich gebotenen Weise erkannt, weil es den ineinandergreifenden Mechanismus von Abführung der für die Herstellung und Verabreichung von Zytostatika (gesamten) anfallenden Umsatzsteuer und Vorsteuerabzug nicht im Blick hatte. Stattdessen hat es rechtsfehlerhaft angenommen, nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs vom 24. September 2014 (aaO) seien nur die Eigenleistung der Beklagten und nicht der gesamte Vorgang der Verabreichung von Zytostatika umsatzsteuerfrei.
Rz. 41
Im Ergebnis wirkt sich dies jedoch nicht aus. Denn das Berufungsgericht hat sich bei seiner Erwägung, der Klägerin stehe nur ein Betrag von 261,52 EUR zu auf den unwidersprochen gebliebenen beziehungsweise nicht hinreichend bestrittenen Vortrag der Beklagten gestützt, sie habe bezüglich des Erwerbs der für die Zubereitung der Zytostatika notwendigen Grundstoffe Vorsteuer gemäß § 15 Abs. 1 UStG in Abzug gebracht; bezüglich der eigenen Herstellungskosten sei lediglich ein Umsatzsteuerbetrag in Höhe von 331,74 EUR verblieben. Das Berufungsgericht hat hiervon nur deswegen lediglich einen Betrag in Höhe von 261,52 EUR angesetzt, weil die Klägerin einem ihrer Versicherungsnehmer nur 30 % der Kosten erstattet hat. Die Revision hat – auch nach Verkündung der Senatsurteile vom 20. Februar 2019 – nicht dargelegt, dass sich bei Anwendung der vom Senat geprägten Grundsätze der ergänzenden Vertragsauslegung ein höherer Erstattungsbetrag für die Klägerin ergäbe.
Rz. 42
Vor diesem Hintergrund kommt es auf den – an sich zutreffenden – Einwand der Revision, die jedoch die zu dem Erstattungsbetrag von 261,52 EUR führenden tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht mit einer Verfahrensrüge angreift, nicht an, das Berufungsgericht habe dem Urteil des Bundesfinanzhofs vom 24. September 2014 (aaO Rn. 33) zu Unrecht entnommen, dass sich die dortigen Erwägungen nur auf die Umsatzsteuerfreiheit der von den Krankenhäusern selbst erbrachten Leistungen und nicht auf die Herstellung und Verabreichung von Zytostatika als einheitliche Leistung bezögen.
Rz. 43
Zur Klarstellung weist der Senat auf Anregung der Anschlussrevision ergänzend darauf hin, dass die Feststellung des Vorsteuerabzugs nicht eine detailgenaue Aufschlüsselung der Einkaufsvorgänge und Einkaufspreise erfordert, sondern auch aufgrund aussagekräftiger Steuerberaterbestätigungen oder ähnlicher Unterlagen nach § 287 Abs. 2 ZPO geschätzt werden kann.
Rz. 44
II. Zur Anschlussrevision der Beklagten:
Rz. 45
Die Anschlussrevision der Beklagten ist begründet, weil auf der Grundlage der bisher vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen nicht abschließend beurteilt werden kann, ob der Klägerin aus übergegangenem Recht tatsächlich ein Anspruch auf Rückzahlung von 261,52 EUR, nebst Zinsen, zusteht.
Rz. 46
1. Auf die Beklagte könnten im Zusammenhang mit der Rückabwicklung etwaig vorgenommener Vorsteuerabzüge aus dem Bezug pharmazeutischer Grundstoffe für die Herstellung der den Versicherungsnehmern der Klägerin verabreichten Zytostatika wegen der dann drohenden Zinsschulden gemäß § 233a Abs. 1, 3 und 5, § 238 AO unter Umständen erhebliche Vermögenseinbußen zukommen, die – gegebenenfalls – im Rahmen der Bestimmung von Inhalt, Reichweite und Umfang einer in Betracht zu ziehenden ergänzenden Vertragsauslegung zu berücksichtigen sein werden.
Rz. 47
a) Die Beklagte hat gegenüber den Versicherungsnehmern der Klägerin Rechnungen mit unrichtigem Steuerausweis im Sinne des § 14c Abs. 1 Satz 1 UStG ausgestellt, so dass sie nur im Wege einer Rechnungskorrektur nach § 14c Abs. 1 Satz 2, § 14 Abs. 6 Nr. 5 UStG in Verbindung mit § 31 Abs. 5 Satz 1 Buchst. b UStDV und anschließender Berichtigung des Steuerbetrags gemäß § 14c Abs. 1 Satz 2, § 17 Abs. 1 Satz 1 und 7 UStG im aktuellen Besteuerungszeitraum der Rechnungskorrekturen einen Erstattungsanspruch gegen das Finanzamt geltend machen kann (eingehend hierzu Senatsurteile vom 20. Februar 2019 – VIII ZR 115/18, aaO Rn. 66, und VIII ZR 189/18, aaO Rn. 64 f.; Senatsurteil vom 10. Juni 2020 – VIII ZR 360/18, aaO Rn. 55).
Rz. 48
Zum einen hat sie – ungeachtet ihrer fehlenden Verpflichtung zur Ausstellung einer Rechnung im umsatzsteuerrechtlichen Sinne (vgl. § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 bis 3 UStG aF) – die umsatzsteuerrechtlichen Pflichtangaben gemäß § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 7 und 8 UStG gemacht und damit zugleich die Voraussetzungen für einen gesonderten Steuerausweis im Sinne des § 14c UStG geschaffen (vgl. Abschn. 14c.1 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 4 Satz 2 UStAE; vgl. zu dem gesonderten Steuerausweis bei § 14c Abs. 2 UStG: BFHE 255, 340 Rn. 32 f. mwN; bei § 14c Abs. 2 UStG 1999/2005: BFHE 233, 94 Rn. 25 f.). Sie hat in den Rechnungen jeweils sowohl die einzelnen Nettopreise, also die einzelnen Entgelte im Sinne des § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG, als auch den Steuersatz sowie den Gesamt-Nettobetrag, also das Gesamtentgelt, und den hierauf bei dem angesetzten Steuersatz anfallenden Gesamtsteuerbetrag angegeben (vgl. auch Senatsurteile vom 20. Februar 2019 – VIII ZR 189/18, aaO Rn. 64, und VIII ZR 115/18, aaO Rn. 65; Senatsurteil vom 10. Juni 2020 – VIII ZR 360/18, aaO Rn. 56).
Rz. 49
Zum anderen ist der gesonderte Steuerausweis auch unrichtig gewesen, da die in Rechnung gestellten Umsätze bereits bei Vertragsschluss umsatzsteuerfrei gewesen sind. Daher hat die Beklagte erst durch ihre Rechnungstellung eine Umsatzsteuerpflicht gemäß § 14c Abs. 1 Satz 1 UStG begründet und schuldet (nur) aus diesem Grund den „Mehrbetrag”, hier also die gesamte in Rechnung gestellte Umsatzsteuer gemäß § 14c Abs. 1 Satz 1 UStG (so auch BFHE 261, aaO).
Rz. 50
b) Die Berichtigung des Steuerbetrags gegenüber dem Finanzamt gemäß § 14c Abs. 1 Satz 2, § 17 Abs. 1 Satz 1 und 7 UStG hätte zur Folge, dass das Finanzamt im Hinblick auf den dann rückwirkend ausgeschlossenen, im damaligen Besteuerungszeitraum vorgenommenen Vorsteuerabzug (§ 15 Abs. 1 UStG) von Amts wegen tätig werden und die Beklagte auch daran mitwirken müsste, die von ihr nunmehr den einzelnen Verträgen zuzuordnenden Eingangsumsätze zu korrigieren. Denn die von ihr aufgewendete Umsatzsteuer für die unter anderem auch zur Erfüllung der geschlossenen Verträge getätigten umsatzsteuerpflichtigen Aufwendungen (etwa beim Einkauf der zur Herstellung der Zytostatika erforderlichen Grundstoffe) bliebe infolge der rückwirkenden Behandlung der mit dem Versicherungsnehmer der Klägerin getätigten Geschäfte als umsatzsteuerfrei im Hinblick auf § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG nicht mehr vollständig gemäß § 15 Abs. 1 UStG dem Vorsteuerabzug unterworfen. Vielmehr wäre nun dem Umstand Rechnung zu tragen, dass der erfolgte Vorsteuerabzug bei richtiger umsatzsteuerrechtlicher Behandlung der Geschäfte zwischen der Beklagten und dem Versicherungsnehmer der Klägerin entsprechend § 15 Abs. 4 Satz 1 UStG (gemischte steuerfreie und steuerpflichtige Verwendung von gelieferten Gegenständen) von Anfang an nur gekürzt um diejenige anteilige Vorsteuer in Betracht gekommen wäre, die auf die Aufwendungen für die Lieferung von Zytostatika an den Versicherungsnehmer der Klägerin entfiel.
Rz. 51
c) Bei einem solch rückwirkenden Ausschluss der vorgenommenen anteiligen Vorsteuerabzüge setzt das Finanzamt aber gemäß § 233a Abs. 1, 3 und 5, § 238 AO (Nachzahlungs-)Zinsen in Höhe von jährlich sechs Prozent, beginnend 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist (§ 233a Abs. 2 Satz 1 AO), fest. Hieraus könnten der Beklagten, je nachdem, wie sich das zuständige Finanzamt bezüglich der Zinsfrage verhalten wird, erhebliche Vermögenseinbußen entstehen. Denn die Beklagte schuldet die abgeführte Umsatzsteuer aufgrund der Rechnungstellung gemäß § 14c Abs. 1 Satz 1 UStG bis zu dem Zeitpunkt, in dem sie den Steuerbetrag (nach Rechnungskorrektur und Auskehr der Differenz an ihren Vertragspartner) gemäß § 14c Abs. 1 Satz 2, § 17 Abs. 1 Satz 1 und 7 UStG berichtigt. Daher werden auf diesen Betrag keine Zinsen zu ihren Gunsten ab Verstreichen eines Zeitraums von 15 Monaten seit dessen Abführung an das Finanzamt festgesetzt, sondern erst seit der Berichtigung des Steuerbetrags (vgl. hierzu Senatsurteil vom 20. Februar 2019 – VIII ZR 115/18, aaO Rn. 80, und VIII ZR 189/18, aaO Rn. 79; Senatsurteil vom 10. Juni 2020 – VIII ZR 360/18, aaO Rn. 59).
Rz. 52
Demgegenüber schuldet die Beklagte bei einer Rechnungskorrektur und einer sich daran anschließenden Änderung der Steueranmeldung durch das Finanzamt (Streichung der Vorsteuerabzüge) für vergangene Besteuerungszeiträume gemäß § 37 Abs. 2 AO rückwirkend die Nachzahlung etwaig abgezogener Vorsteuern, denn insoweit greifen die Vorschriften der § 14c Abs. 1 Satz 2, § 17 Abs. 1 Satz 7 UStG nicht ein. Bei strikter Anwendung der Zinsvorschriften der § 233a Abs. 1, 3 und 5, § 238 AO auf den rückwirkend geschuldeten Nachzahlungsbetrag bezüglich zu Unrecht vorgenommener Vorsteuerabzüge könnte sich die Beklagte hier also infolge des inzwischen verstrichenen langen Zeitraums einer erheblichen Zinsforderung des Finanzamts ausgesetzt sehen (vgl. eingehend dazu Senatsurteile vom 20. Februar 2019 – VIII ZR 115/18, aaO Rn. 81, und VIII ZR 189/18, aaO Rn. 80; Senatsurteil vom 10. Juni 2020 – VIII ZR 360/18, aaO Rn. 60).
Rz. 53
d) Dies könnte bewirken, dass das Interesse der Versicherungsnehmer der Klägerin an einer Rückzahlung in keinem angemessenen Verhältnis mehr zu den sich für die Beklagte aus einer solchen Rückzahlung und den sich aus einer möglichen Berichtigung der eigenen Steuerschuld gegenüber dem Finanzamt ergebenden Nachteilen stünde (grundlegend hierzu Senatsurteile vom 20. Februar 2019 – VIII ZR 115/18, aaO Rn. 79 bis 84, und VIII ZR 189/18, aaO Rn. 78 bis 83; Senatsurteil vom 10. Juni 2020 – VIII ZR 360/18, aaO Rn. 61). Ob und in welcher Höhe das zuständige Finanzamt tatsächlich Nachzahlungszinsen geltend machen würde, ist allerdings offen. Insoweit wird auf die Ausführungen in den Senatsurteilen vom 20. Februar 2019 (VIII ZR 115/18, aaO Rn. 82 f., und VIII ZR 189/18, aaO Rn. 81 f.) verwiesen.
Rz. 54
e) Dagegen scheiterte eine ergänzende Vertragsauslegung entgegen der Auffassung der Anschlussrevision nicht bereits an einem der Beklagten unzumutbaren administrativen Aufwand. Auch insoweit wird auf die Ausführungen in den Senatsurteilen vom 20. Februar 2019 (VIII ZR 7/18, aaO Rn. 73 f., VIII ZR 66/18, aaO Rn. 74 ff., VIII ZR 115/18, aaO Rn. 68 ff., und VIII ZR 189/18, aaO Rn. 67 ff.) verwiesen.
Rz. 55
2. Im Falle des Vorliegens der Voraussetzungen einer ergänzenden Vertragsauslegung könnte die Beklagte – wie das Berufungsgericht im Ergebnis richtig gesehen hat – nicht mit Erfolg geltend machen, sie sei aufgrund der Abführung des jeweiligen Umsatzsteueranteils an das Finanzamt im Sinne des § 818 Abs. 3 BGB entreichert, weil der abgeführte Betrag nicht mehr in ihrem Vermögen vorhanden sei oder weil sie gegen das Finanzamt nur eine Rückforderung in etwas geringerem Umfang als den der Klägerin gegebenenfalls geschuldeten Rückzahlungsanspruch zur Entstehung bringen und durchsetzen könne.
Rz. 56
Denn ungeachtet der Frage, in welchen Fallkonstellationen sich ein Bereicherungsschuldner gegebenenfalls auf den Wegfall der Bereicherung infolge einer Abführung der Umsatzsteuer berufen kann, wäre der Beklagten diese Möglichkeit mit Blick auf die gegebenenfalls ergänzend ausgelegten Verträge zwischen ihr und den Versicherungsnehmern der Klägerin, auf denen ein Wegfall des Rechtsgrunds und damit auch eine nachträglich eintretende ungerechtfertigte Bereicherung der Beklagten beruhen würde, bereits deswegen verwehrt, weil dies dem etwaigen hypothetischen Parteiwillen zuwider laufen würde (vgl. Senatsurteile vom 20. Februar 2019 – VIII ZR 7/18, aaO Rn. 87 ff., VIII ZR 66/18, aaO Rn. 89 ff., VIII ZR 115/18, aaO Rn. 85 f.; VIII ZR 189/18, aaO Rn. 84 f.).
III.
Rz. 57
Nach alledem kann das Urteil des Berufungsgerichts keinen Bestand haben, sofern dort zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist; es ist daher insoweit aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO).
Rz. 58
Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif. Nach den im Revisionsverfahren nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts ist zwar davon auszugehen, dass nach Abzug der von der Beklagten angemeldeten Vorsteuer noch ein Umsatzsteuerbetrag von 331,74 EUR verblieben ist, so dass es hierzu weiterer Feststellungen nicht bedarf. Das Berufungsgericht hat aber bislang keine ausreichenden Feststellungen zu der Frage getroffen, ob und welche Zinsschäden der Beklagten infolge einer Rechnungskorrektur und der Berichtigung des Steuerbetrags gegenüber dem Finanzamt (§ 14c Abs. 1 Satz 2, § 17 Abs. 1 Satz 1 und 7 UStG) entstehen würden.
Rz. 59
Die Sache ist daher im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO), damit dieses – gegebenenfalls nach ergänzendem Vortrag der Parteien – die erforderlichen Feststellungen nachholt.
Rz. 60
Auf den im Revisionsverfahren weiterverfolgten Hilfsantrag auf Abänderung der Rechnungen dahin, dass die Rechnungsbeträge umsatzsteuerfrei sind, kommt es im wiedereröffneten Berufungsverfahren nicht an. Bei einer (auch nur teilweisen) Stattgabe des Zahlungsantrags wäre über den Hilfsantrag mangels Eintritts der (innerprozessualen) Bedingung nicht zu entscheiden. Im Falle einer Abweisung des Zahlungsbegehrens wegen Fehlens der Voraussetzungen einer ergänzenden Vertragsauslegung bestünde keine Veranlassung für eine Rechnungsberichtigung, denn diese soll lediglich der Verwirklichung eines Zahlungsanspruchs der Versicherungsnehmer der Klägerin dienen (Senatsurteile vom 20. Februar 2019 – VIII ZR 115/18, aaO Rn. 90, vom 10. Juni 2020 – VIII ZR 360/18, aaO Rn. 72).
Unterschriften
Dr. Fetzer, Dr. Schneider, Kosziol, Dr. Schmidt, Wiegand
Fundstellen
Haufe-Index 14351915 |
BFH/NV 2021, 622 |
HFR 2021, 305 |