Leitsatz (amtlich)
a) Zur Anwendung der Vorschriften über die Gesellschaft bürgerlichen Rechts auf eine nach DDR-Recht gegründete zwischenbetriebliche Meliorationseinrichtung.
b) § 32 Abs. 1 Satz 2 BGB findet im Bereich der Gesellschaft bürgerlichen Rechts jedenfalls dann keine Anwendung, wenn das Einstimmigkeitsprinzip im Gesellschaftsvertrag nicht abbedungen worden ist.
Normenkette
BGB §§ 705, 32
Verfahrensgang
KreisG Grimmen |
OLG Rostock |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Teilurteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Rostock vom 15. April 1993 aufgehoben, soweit die Beklagte zur Erteilung einer Auskunft verurteilt und das Verfahren an das Landgericht zurückverwiesen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin verlangt im Wege der Stufenklage von der Beklagten, die aus der Z. (Z.) G. hervorgegangen ist, Auskunft über die Abschlußbilanz der Z. Die Rechtsvorgängerin der Klägerin, die Gründungsmitglied der Z. war, ist aus dieser am 30. Juni 1990 ausgetreten.
In der Bevollmächtigtenversammlung der Z. vom 29. März 1990 wurde über eine Umwandlung der Z. in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung zum 30. Juni 1990 beraten. Den Trägerbetrieben wurde aufgegeben, durch ihre Vollversammlungen über ihre Mitgliedschaft in der zu gründenden Gesellschaft entscheiden zu lassen. In einer weiteren Bevollmächtigtenversammlung vom 26. Juni 1990, an der die Rechtsvorgängerin der Klägerin nicht teilnahm, wurde der Gesellschaftsvertrag verabschiedet; weiter wurde festgelegt, daß im Falle des Austritts„nur die gezahlten Anteile erstattet werden – so, wie sie einmal eingezahlt wurden”. Der Klägerin wurde demgemäß nur ihr Anteil ausgezahlt.
Die Klägerin hält die von der Bevollmächtigtenversammlung beschlossene Abfindungsregelung für unwirksam und beruft sich dafür auf Ladungs- und Einberufungsmängel. Die gezahlte Abfindung stehe zudem in einem erheblichen Mißverhältnis zu dem tatsächlichen Anteilswert. Zwecks genauer Bezifferung ihres Abfindungsanspruchs sei sie auf die Einsicht in die Abschlußbilanz angewiesen.
Das Kreisgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat das erstinstanzliche Urteil aufgehoben, die Beklagte unter Abweisung der Klage im übrigen zur Auskunft über die Bilanz der Z. verurteilt und das Verfahren wegen der Leistungsstufe an das Landgericht zurückverwiesen.
Mit der Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt, soweit zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist, zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1. Das Berufungsgericht hat den Anspruch der Klägerin auf Auskunft durch Vorlage der Abschlußbilanz deshalb bejaht, weil der den Auseinandersetzungsanspruch der Klägerin auf die eingezahlte Einlage beschränkende Beschluß der Bevollmächtigtenversammlung vom 26. Juni 1990 an einem Einberufungsmangel leide und deshalb unwirksam sei. Hiergegen wendet sich die Revision mit Erfolg. Das Berufungsgericht hat die nach dem Recht der früheren DDR an die Einladung zu der Versammlung zu stellenden Anforderungen überspannt und zudem das Ergebnis der vorangegangenen Bevollmächtigtenversammlung vom 29. März 1990 nicht hinreichend gewürdigt.
a) Dem Recht der ehemaligen DDR lassen sich präzise Regeln über die Ladung und Einberufung von Bevollmächtigten- oder Mitgliederversammlungen nicht entnehmen. Das auf dem Musterstatut (Beschl. d. Ministerrates der DDR v. 8. Juni 1988, Sonderdruck 1310) beruhende Statut der zwischenbetrieblichen Einrichtung (Z.) führt in Nr. 46.0 lediglich aus, daß die Bevollmächtigtenversammlung von ihrem Vorsitzenden einberufen wird; über Form und Inhalt schweigt sie. Verwandte Vorschriften enthalten ebenfalls keine genauen Regelungen. Die Leitungsorgane einer landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft waren gemäß § 5 Abs. 2, 3 LPG-Gesetz v. 2. Juli 1982 (DDR-Gesetzbl. I Nr. 25, 443) verpflichtet, bei der Vorbereitung der Versammlungen die kollektive Meinungs- und Willensbildung zu fördern. Die Musterstatuten der LPG (P) (Beschl. d. Ministerrates der DDR v. 28. Juli 1977, Sonderdruck 937) und der kooperativen Einrichtung (Beschl. d. Ministerrates der DDR v. 1. November 1972, DDR-Gesetzbl. II Nr. 68, 781) verpflichteten den Vorstand bzw. den Vorsitzenden ebenfalls nur allgemein, für eine gründliche Vorbereitung der Versammlung Sorge zu tragen. Immerhin war anerkannt, daß eine qualifizierte Teilnahme an der Versammlung deren gute Vorbereitung einschloß; bereits dabei hatte die „demokratische Mitwirkung” einzusetzen (Arlt, LPG-Recht 1984, 136 ff.). Allerdings diente dies nur teilweise dem Zweck, den einzelnen Trägerbetrieben und Mitgliedern eine genaue Kenntnis der Beschlußgegenstände zu verschaffen; vielmehr sollte sichergestellt werden, daß kollektive Standpunkte erarbeitet und genossenschaftliche, gesellschaftliche und individuelle Interessen in Übereinstimmung gebracht wurden. Die geplanten Entscheidungen sollten deshalb vorher abgestimmt werden. Dem entspricht die Pflicht zur Vorlage der Tagesordnung und der Beschlußvorlagen an den Rat des Kreises zur „Sicherung der staatlichen Anleitung” (vgl. Arlt aaO).
Die nach der Wende erlassenen Rechtsvorschriften der DDR sind insoweit ebenfalls nicht aussagekräftig. Das das Entstehen der Beklagten ermöglichende Gesetz über die Gründung und Tätigkeit privater Unternehmen und Unternehmensbeteiligungen vom 7. März 1990 (DDR-Gesetzbl. I Nr. 17, 141), dessen Hauptanliegen die Schaffung der dringend erforderlichen Grundlagen für unternehmerische Aktivitäten zur Gründung oder Erweiterung von privaten Klein- und Mittelbetrieben ist, geht auf derartige Fragen nicht ein. Die Verordnung zur Umwandlung von volkseigenen Kombinaten, Betrieben und Einrichtungen in Kapitalgesellschaften vom 1. März 1990 (DDR-Gesetzbl. I Nr. 14, 107), die auf die zwischenbetriebliche Einrichtung ohnehin nicht anwendbar ist, gibt dazu ebenfalls keinen Aufschluß. Das Landwirtschaftsanpassungsgesetz vom 29. Juni 1990 (DDR-Gesetzbl. I Nr. 42, 642), das in den §§ 5-9 ausführliche Regelungen über die Vorbereitung und den Beschluß zur Teilung oder Umwandlung von landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften und rechtsfähigen zwischenbetrieblichen Einrichtungen enthält, galt zum hier entscheidenden Zeitpunkt noch nicht; überdies wäre es auf die Z. G. nicht anzuwenden, weil diese keine Rechtsfähigkeit besaß.
In der Praxis hat die Z. G., wie aus den in der Akte enthaltenen Ladungsschreiben und Protokollen hervorgeht, durch eingeschriebenen Brief, der Ort und Zeit der Versammlung nannte und die Tagesordnungspunkte stichwortartig aufzählte, eingeladen. Entsprechend ist sie bei der Einberufung der Bevollmächtigtenversammlung vom 26. Juni 1990 verfahren.
b) Das Berufungsgericht hat die Anforderungen an die inhaltliche Bestimmtheit von Ladung und Einberufung aus dem Grundsatz von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB abgeleitet und ansonsten Parallelen zu der für rechtsfähige Vereine geltenden Bestimmung des § 32 BGB gezogen. Diese Vorschrift bietet indessen keinen geeigneten Maßstab, weil die Struktur einer Zwischenbetrieblichen Einrichtung nicht der eines rechtsfähigen Vereins entsprach. Sie war eine kooperative Einrichtung von landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften, volkseigenen Gütern und anderen sozialistischen Betrieben der Nahrungsgüterwirtschaft und des Handels, die auf der Grundlage staatlich-sozialistischen und genossenschaftlich-sozialistischen Eigentums gebildet wurde (Lexikon-Recht der Landwirtschaft, Stichwort „Kooperative Einrichtungen”). Die Trägerbetriebe hatten gemeinsam die für die Tätigkeit der Z. erforderlichen materiellen, finanziellen und personellen Voraussetzungen zu gewährleisten, insbesondere hatten sie ihre Einlage zu erbringen. An dem der Z. zugeordneten Vermögen (soweit es sich nicht um lediglich zur Nutzung überlassenes Volkseigentum handelte) entstand gemeinsames Eigentum der Trägerbetriebe. Sie waren am wirtschaftlichen Ergebnis der Z. beteiligt; im Falle ihres Ausscheidens stand ihnen ein Abfindungsanspruch zu. Die Z. weist damit eine deutliche Nähe zur G esellschaft bürgerlichen Rechts auf. Die Trägerbetriebe haben sich vertraglich verpflichtet, einen gemeinsamen, auf Dauer angelegten Zweck, nämlich die Errichtung einer spezialisierten, industriemäßig produzierenden Einheit, zu fördern; dazu haben sie Mittel zur Verfügung gestellt und sich verpflichtet, diese in der Z. zu belassen sowie als Kooperation nach außen gemeinsam aufzutreten (vgl. Dehne, Agrarrecht 1993, 165, 168). Im Bereich der Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist die Einhaltung bestimmter Förmlichkeiten bei der Beschlußfassung nicht vorgeschrieben. § 32 Abs. 1 Satz 2 BGB findet hier jedenfalls dann keine Anwendung, wenn das Einstimmigkeitsprinzip im Gesellschaftsvertrag nicht abbedungen worden ist (vgl. MünchKomm.-Ulmer, BGB 2. Aufl. § 709 Rdn. 65 f. m.w.N.; Soergel/Hadding, BGB 11. Aufl. § 709 Rdn. 38).
Im vorliegenden Fall war das Einstimmigkeitsprinzip allerdings dahin modifiziert worden, daß die Bevollmächtigtenversammlung zwar einstimmig zu entscheiden hatte, aber beschlußfähig war, wenn 2/3 der Trägerbetriebe vertreten waren (Nr. 45.1 des Statuts der Z. vom 1. Juni 1989). Die nicht vertretenen Betriebe konnten also überstimmt werden. Angesichts der Besonderheiten des vorliegenden Falles rechtfertigt dies einen Rückgriff auf § 32 Abs. 1 Satz 2 BGB jedoch nicht. Das Einladungsschreiben vom 13. Juni 1990 ist nach allgemeinen Grundsätzen (§ 242 BGB) nicht zu beanstanden. Hiernach ist ein Tagesordnungspunkt allenfalls dann mitzuteilen, wenn es um überraschende Beschlüsse geht und es sich um schwerwiegende Dinge handelt. Ein solcher Ausnahmefall liegt nicht vor. Vielmehr entsprach das Einladungsschreiben vom 13. Juni 1990 der bisherigen Übung, auf die sich die Trägerbetriebe eingerichtet hatten. In der Vergangenheit wurden sie durch eingeschriebenen Brief, der die Tagesordnungspunkte stichwortartig aufzählte, geladen. Dadurch wurde ihnen die Kenntnis der Verhandlungs- und Beschlußgegenstände verschafft; das erlaubte ihnen einen sachgerechten Beschluß über den Besuch der Versammlung sowie deren sachgerechte Vorbereitung. Durch die kurze Kennzeichnung der Tagesordnungspunkte wurden sie vor überraschenden Entscheidungen geschützt. Dem entspricht das Einladungsschreiben vom 13. Juni 1990. Es nennt die „Diskussion und Beschlußfassung zum vorgelegten Entwurf des Gesellschaftsvertrages zur Umwandlung der Z. in eine K. GmbH” als einzigen Tagesordnungspunkt. Gleichzeitig wird um unbedingtes Erscheinen der Vorsitzenden bzw. Direktoren der Mitgliedsbetriebe gebeten, was ersichtlich an der besonderen Bedeutung des Tagesordnungspunktes liegt und diesen unterstreicht. Der Wortlaut der Einberufung umfaßt sicherlich nicht ausdrücklich die Beschlußfassung über die Abfindung im Falle des Austritts eines Trägerbetriebes. Angesichts der besonderen Umstände dieses Falles kann jedoch entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht nur auf diesen Wortlaut abgestellt werden. Die Einladung muß vielmehr vor dem Hintergrund der vorangegangenen Bevollmächtigtenversammlung vom 29. März 1990 gesehen werden. Dort war, und zwar auch mit der Stimme der Rechtsvorgängerin der Klägerin, Einigkeit erzielt worden, die Z. zu verselbständigen und in eine GmbH umzuwandeln. Darüber wurde ausweislich des Protokolls umfangreich diskutiert. Die Diskussion endete in dem Auftrag an die Leitung der Z., einen „Gründungs- und Gesellschaftsvertrag” zu erarbeiten und den Mitgliedsbetrieben zu übersenden. Diese erhielten die Auflage, durch ihre Vollversammlungen entscheiden zu lassen, ob sie Gesellschafter der GmbH werden wollten oder nicht. Weiter heißt es, daß „im Verneinungsfalle darunter nicht die Arbeitsfähigkeit der Meliorationsgenossenschaft leiden sollte”. Die Rechtsvorgängerin der Klägerin wußte also, was unter dem Verhandlungs- und Beschlußgegenstand der Einladung zur Bevollmächtigtenversammlung vom 26. Juni 1990 zu verstehen war. Dem Vorbringen der Klägerin zufolge hatte sie nach der Bevollmächtigtenversammlung vom 29. März 1990 beschlossen, nicht Gesellschafterin der GmbH zu werden. Das bedeutet zwar, daß sie an der weiteren Entwicklung nur noch insoweit interessiert war, als es um ihre Abfindung ging. Diese Frage hing aber untrennbar mit der Gründung der GmbH zusammen; denn selbstverständlich und für die Rechtsvorgängerin der Klägerin nach der vorangegangenen Bevollmächtigtenversammlung erkennbar waren die anderen Trägerbetriebe daran interessiert, das Vermögen der Z. möglichst geschlossen und ohne Belastung mit Abfindungsansprüchen in die zu gründende GmbH einzubringen. Eine Beschränkung der Abfindungsansprüche ausscheidender Trägerbetriebe drängte sich danach geradezu auf. Zudem ließ Nr. 54.2 des Statuts der Z. eine solche Entscheidung ausdrücklich zu.
Die Betrachtungsweise des Berufungsgerichts läßt überdies die besonderen Umstände des Übergangs von der staatlichen Planwirtschaft zur sozialen Marktwirtschaft in den neuen Bundesländern außer Betracht. Die hier zu beurteilenden Vorgänge fallen in die Zeit zwischen der letzten Volkskammerwahl im März 1990 und dem Inkrafttreten der Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion am 1. Juli 1990, die erst das bundesdeutsche Handels- und Gesellschaftsrecht in den neuen Bundesländern einführte. Die Regierung Modrow hatte zwischen Wende und Volkskammerwahl nur zögerliche Schritte in Richtung auf eine neue Wirtschaftsverfassung unternommen. Das änderte sich auch nach der Märzwahl vorerst nicht; die Volkskammer traf nur punktuelle Regelungen zu wirtschaftlichen Fragen. Erst die Verfassungsänderung vom 17. Juni 1990 führte eine neue Wirtschaftsverfassung ein (vgl. dazu Horn, Das Zivil- und Wirtschaftsrecht im neuen Bundesgebiet, 2. Aufl. S. 42 ff.). Im Frühjahr 1990 fehlte damit naturgemäß ein verläßliches rechtliches Instrumentarium, mit dessen Hilfe sich die Umstellung von der Plan- zur Marktwirtschaft hätte bestreiten lassen. Die in der Landwirtschaft der ehemaligen DDR verwandten Organisationsformen waren den nunmehr auf die Landwirtschaft zukommenden Problemen nicht gewachsen und mußten möglichst schnell durch handlungsfähige Rechtsformen ersetzt werden. Daneben fehlte es auch an Kenntnissen und Erfahrungen im Umgang mit dem bundesdeutschen Gesellschaftsrecht. Vor diesem Hintergrund ist es nicht zu beanstanden, daß sich die Leitungsorgane der Z. bei der Vorbereitung der Bevollmächtigtenversammlung vom 26. Juni 1990 an die bisher üblichen und allen Trägerbetrieben bekannten Regeln gehalten haben.
2. Das Berufungsurteil kann weder mit einer anderen Begründung gehalten werden noch ist die Sache anderweitig entscheidungsreif.
a) Der weitere von der Klägerin gerügte formelle Beschlußmangel besteht nicht. Sie macht geltend, ihrer Rechtsvorgängerin seien die Ladung und die damit verbundene Mitteilung der Tagesordnung nicht zugegangen. Das Berufungsgericht – von seinem Standpunkt aus folgerichtig – hat diese Frage anders als das Kreisgericht, das einen Zugang als erwiesen erachtet hat, offengelassen. Auf den Zugang des Ladungsschreibens kommt es indes aus Rechtsgründen nicht an.
Die Trägerbetriebe der Z. G. sind stets mittels eingeschriebener Briefe zu den Bevollmächtigtenversammlungen geladen worden. Das entspricht dem in § 51 Abs. 1 GmbHG angeordneten Verfahren. Für das Bewirken der Ladung und die Mitteilung der Tagesordnung genügt dann nach ganz einhelliger Meinung die Aufgabe des Schreibens zur Post, ein Zugang im Sinne des § 130 BGB ist nicht erforderlich (RGZ 60, 144, 145 f.; Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbHG 15. Aufl. § 51 Rdn. 3, 20; Hachenburg/Hüffer, GmbHG GroßKomm. 8. Aufl. § 51 Rdn. 6; Scholz/K. Schmidt, GmbHG 7. Aufl. § 51 Rdn. 13; Eder in GmbH-Hdb. I, 457; Meyer-Landrut, GmbHG-Komm. 1987, § 51 Rdn. 4). Bei Abstellen auf den Zugang könnte nämlich die Bevollmächtigtenversammlung die Frage ihrer wirksamen Einberufung nicht überprüfen; sie wäre nicht in der Lage beurteilen zu können, ob ihre Beschlüsse später mangels ordnungsgemäßer Einberufung vernichtet werden können. Derartige Erwägungen werden auch der Vorgehensweise der Z. bei der Ladung und Einberufung von Bevollmächtigtenversammlungen zugrunde gelegen haben. Eine Übertragung der zu § 51 Abs. 1 GmbHG entwickelten Grundsätze ist daher geboten. Aufgrund der vom Kreisgericht durchgeführten Beweisaufnahme steht fest, daß die Z. alle Trägerbetriebe mit eingeschriebenem Brief geladen hat und daß diese Schreiben fristgerecht herausgegangen sind. Ihr vorheriges Bestreiten dieser Tatsache hat die Klägerin nach der Beweisaufnahme aufgegeben; auf den von ihr weiterhin in Abrede gestellten Zugang kommt es aus Rechtsgründen nicht an.
b) Aufgrund des bisherigen Sach- und Streitstandes läßt sich nicht ausschließen, daß der Klägerin der im Wege der Stufenklage verfolgte Anspruch auf Auskunft durch Vorlage der Bilanz der Z. G. per 30. Juni 1990 zusteht. Die Klägerin will sich mit der Einsichtnahme in die Bilanz die Möglichkeit verschaffen, sich selbst ein Bild über die Grundlagen zu machen, die für die Ermittlung ihres Abfindungsanspruchs von Bedeutung sind. Insoweit gelten die von der Rechtsprechung für das Einsichtsrecht des ausgeschiedenen Gesellschafters einer Personengesellschaft entwickelten Grundsätze (BGH, Urt. v. 17. April 1989 – II ZR 258/88, ZIP 1989, 768, 769 f.; Kellermann/Stodolkowitz, Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Personengesellschaftsrecht, 4. Aufl., S. 80; MünchKomm.-Ulmer, BGB 2. Aufl. § 738 Rdn. 22 f.; Staub/Ulmer, HGB 3. Aufl. § 138 Anm. 50 f.; zu § 44 LandwirtschaftsanpassungG vgl. BGH, Beschl. v. 24. November 1993 – Blw 57/92, ZIP 1994, 234, 235) entsprechend. Art und Umfang des Einsichtsverlangens der Klägerin sind durch seinen Zweck gedeckt; denn die Bilanz ist für die Berechnung eines eventuellen Abfindungsanspruchs, der gemäß Nr. 54.2 des Statuts der Z. nach den Anteilen an den materiellen und finanziellen Fonds zu bemessen ist, von ausschlaggebender Bedeutung. Die Beklagte vermag die zur Erlangung der Gewißheit erforderliche Auskunft unschwer zu erteilen.
c) Das rechtliche Interesse der Klägerin an der Einsichtnahme in die Bilanz kann ebenfalls nicht von vornherein ausgeschlossen werden. Ein solches Interesse ist dann zu bejahen, wenn trotz der vereinbarten Abfindungsbeschränkung eine höhere Abfindung in Betracht kommen kann. Es müssen konkrete Anhaltspunkte dafür ersichtlich sein, daß die nach der vertraglichen Vereinbarung gezahlte Abfindung in einem erheblichen Mißverhältnis zu dem tatsächlichen Anteilswert steht. Für die die Unwirksamkeit einer gesellschaftsvertraglichen Abfindungsbeschränkung begründenden Umstände ist der ausgeschiedene Gesellschafter darlegungs- und beweispflichtig. Damit er dazu imstande ist, hat er gemäß §§ 242, 810 BGB Anspruch auf Einsicht in die Unterlagen der Gesellschaft, wenn er Tatsachen darlegt und gegebenenfalls beweist, die eine solche Möglichkeit zumindest nahelegen (BGH, Urt. v. 17. April 1989 aaO; v. 25. September 1980 – II ZR 255/79, ZIP 1981, 75, 76; Kellermann/Stodolkowitz aaO, S. 80). Die Klägerin beruft sich über die erfolglose Rüge von Ladungs- und Einberufungsmängeln hinaus auch auf die materielle Unwirksamkeit des ihren Abfindungsanspruch beschränkenden Beschlusses der Bevollmächtigtenversammlung vom 26. Juni 1990. So macht sie geltend, daß ihr Anteil am Eigenkapital der Z. sich auf etwa 1 Mio. DM belaufe; außerdem beanstandet sie eine Ungleichbehandlung im Verhältnis zu den Trägerbetrieben, die Gesellschafter der Beklagten geworden sind. Für ein Mißverhältnis zwischen der aufgrund des Beschlusses vom 26. Juni 1990 gezahlten Abfindung von 9.000,– DM und dem wirklichen Wert der Beteiligung könnten zudem die gescheiterten Vergleichsverhandlungen zwischen den Parteien sprechen; denn die Beklagte war immerhin bereit, zur Abgeltung der Klageforderung eine Immobilie im Wert von ca. 385.000,– DM auf die Klägerin zu übertragen. Das Berufungsgericht hat – von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig – keine Feststellungen zur Frage der Wirksamkeit der Abfindungsklausel getroffen; die Beklagte hat sich noch nicht dazu geäußert. Dies wird nach Zurückverweisung der Sache nachzuholen sein.
d) Dem Recht der ehemaligen DDR lassen sich Maßstäbe für die Beurteilung der inhaltlichen Unwirksamkeit eines die Abfindung eines ausscheidenden Trägerbetriebes beschränkenden Beschlusses nicht entnehmen. Das Musterstatut der Z. läßt zwar das Ausscheiden eines Trägerbetriebes zu und regelt dessen Abfindung, dies allerdings nur unter dem Vorbehalt einer anderen Entscheidung der Bevollmächtigtenversammlung. Ansonsten war dem Recht der sozialistischen Kollektivpersonen, die an die Stelle der Handels- und Kapitalgesellschaften des bundesdeutschen Rechts getreten waren, das Ausscheiden eines Mitglieds und die Auseinandersetzung des Vermögens fremd; dementsprechend fehlte es auch an derartige Fälle regelnden Normen. Das LPG-Gesetz, das gemäß § 46 auf die kooperativen Beziehungen der LPG entsprechend anwendbar ist, enthält in § 45 nur Regelungen für die Abrechnung beim Tod eines Genossenschaftsbauern. Der Vertrag zur gemeinschaftlichen Lösung von Aufgaben (§§ 73 ff. Vertragsgesetz) sah zwar die Möglichkeit einer Beendigung der Zusammenarbeit vor; er unterstellte die Vertragsaufhebung und das Ausscheiden eines Partners jedoch gesamtgesellschaftlichen und volkswirtschaftlichen Anforderungen und schloß Ausgleichs- und Rückzahlungsansprüche im Fall des Austritts aus (Vertragsgesetzkommentar, Autorenkollektiv unter Leitung von Walter, 2. Aufl. 1989 § 77 Anm. 2).
Die Wirksamkeit der am 26. Juni 1990 beschlossenen Abfindungsklausel ist deshalb entsprechend den zu § 738 BGB entwickelten Grundsätzen zu beurteilen. Abfindungsbeschränkungen sind danach grundsätzlich zulässig. Gegen die Zulässigkeit einer Abfindungsregelung können jedoch im Einzelfall Bedenken bestehen, wenn sie nicht entsprechend den Maßstäben der gesetzlichen Regelung im wesentlichen zur Abgeltung des vollen Wertes des Gesellschaftsanteils, sondern zu einer Bereicherung der verbleibenden Gesellschafter führt (BGH, Urt. v. 29. Mai 1978 – II ZR 52/77, LM Nr. 8 zu § 738 BGB; v. 9. Januar 1989 – II ZR 83/88, LM Nr. 14 zu § 738 BGB; MünchKomm.-Ulmer aaO, § 738 Rdn. 27 ff.; Schlegelberger/K. Schmidt aaO, § 138 Rdn. 69 ff.). Die Frage, ob eine Abfindungsklausel als angemessen und ausgewogen anzusehen ist, kann nicht allgemein, sondern nur anhand der gesamten Umstände des konkreten Falles beantwortet werden; von Bedeutung sind insbesondere der Anlaß des Ausscheidens, die Interessenlage des ausscheidenden Gesellschafters sowie die Vermögens- und Ertragsstruktur der Gesellschaft (vgl. auch Sen. Urt. v. 24. Mai 1993 – II ZR 36/92, ZIP 1993, 1160, 1161; v. 20. September 1993 – II ZR 104/92, ZIP 1993, 1611, 1612 ff.).
Das Berufungsgericht wird daher auch zu prüfen haben, ob der Bestandsschutz des Unternehmens eine – im vorliegenden offenbar sehr weitgehende – Beschränkung des Abfindungsanspruchs der Klägerin rechtfertigt. Dem Interesse der Beklagten, das Vermögen der Z. möglichst vollständig in die neu gegründete GmbH einzubringen, wird man im Hinblick auf die Änderung der Wirtschaftsverfassung und die damit verbundene wirtschaftliche Entwicklung im Gebiet der ehemaligen DDR im Jahr 1990 einen nicht geringen Stellenwert beimessen müssen. Der Gesichtspunkt, durch die Begrenzung der Abfindungszahlungen die Kapitalgrundlage und die Liquidität der Gesellschaft zu erhalten, findet sich auch im Statut der Z.; denn gemäß Nr. 54.3 darf „die Ablösung der Anteile” eines Trägerbetriebes nicht zur Beeinträchtigung der Aufgaben oder des finanziellen Reproduktionsprozesses der Z. führen.
e) Sollte das Berufungsgericht nach weiterer Sachaufklärung und Würdigung zu dem Ergebnis gelangen, daß die Abfindungsbeschränkung gemäß Beschluß vom 26. Juni 1990 wirksam ist, so ist die Klage insgesamt abzuweisen. Sollte sie sich hingegen als unwirksam erweisen, richtet sich der Abfindungsanspruch der Klägerin nach Nr. 54.2 und 54.3 des Statuts.
Das Berufungsgericht wird weiter zu prüfen haben, ob der Abfindungsanspruch der Klägerin an der die Vermögensauseinandersetzung in der landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft regelnden Vorschrift des § 44 LandwirtschaftsanpassungsG zu messen ist. Zwar ist das Landwirtschaftsanpassungsgesetz erst nach den hier zu beurteilenden Vorgängen in Kraft getreten; unmittelbar anwendbar ist es zudem nur auf landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften und rechtsfähige kooperative Einrichtungen, zu denen die Z. G. nicht gehörte. Nach ihrer Tätigkeit und ihrer Verfassung unterschieden sich aber rechtsfähige und nicht rechtsfähige zwischenbetriebliche Einrichtungen nicht wesentlich. Aus § 44 LandwirtschaftsanpassungsG könnten deshalb Maßstäbe für die einem ausscheidenden Trägerbetrieb zustehende Abfindung zu gewinnen sein.
3. Damit die nach Maßgabe der Ausführungen zu 2 noch erforderlichen Tatsachenfeststellungen – gegebenenfalls nach Ergänzung des Parteivorbringens – getroffen werden können, ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 609468 |
ZIP 1994, 1523 |