Rn 50
Eine Pflicht des Verwalters, seine Verwertungsbefugnis auszuüben, besteht grundsätzlich nicht. Er kann die Verwertung ebenso dem Sicherungsgläubiger überlassen und den Gegenstand freigeben. In der Regel wird der Insolvenzverwalter hierbei die sog. "unechte Freigabe" nach § 170 Abs. 2 wählen, d.h. den Vermögensgegenstand zwar nicht aus dem Insolvenzbeschlag entlassen, ihn aber dem Gläubiger übergeben. Dieser hat dann den Gegenstand zu verwerten und über die erzielten Erlöse abzurechnen. Anders als bei der echten Freigabe, bei der der Gegenstand vollständig aus der Masse ausscheidet, steht der Masse auf diese Weise zumindest die Feststellungskostenpauschale und der anfallende Umsatzsteuerbetrag zu.
Der Verwalter muss im jeweiligen Einzelfall prüfen, ob eine Überlassung des zu verwertenden Gegenstands an den Sicherungsgläubiger in Form einer echten oder unechten Freigabe für die Insolvenzmasse günstiger ist.
Rn 51
In der Praxis wird der Verwalter den Gegenstand immer dann freigeben, wenn dieser entweder wertlos oder nur unter großem Aufwand zu verwerten ist. Eine zumindest unechte Freigabe kommt auch dann in Betracht, wenn zwischen Verwalter und Sicherungsnehmer erhebliche Differenzen über den zu erzielenden Kaufpreis bestehen (vorrangig dann, wenn der Gläubiger unrealistisch hohe Erwartungen an den zu realisierenden Kaufpreis hat). Ebenso kann dieser Weg vorzugswürdig sein, wenn der Gläubiger über günstigere Verwertungsmöglichkeiten verfügt als der Verwalter, z.B. weil der Gläubiger spezielle Geschäftsverbindungen oder Branchenkenntnisse besitzt und dementsprechend einen besonders hohen Veräußerungserlös erzielen kann.
Rn 52
Umgekehrt kommt eine Freigabe dann in keinem Fall in Betracht, wenn der Verwalter seinerseits in der Lage ist, einen besonders hohen Veräußerungserlös zu erzielen. Der Erlös muss aber auch nach Abzug der der Masse nach § 171 Abs. 2 zu erstatten Verwertungskosten noch höher sein, als ein von dem Gläubiger zu erzielender Erlös. Der Insolvenzverwalter ist verpflichtet, die günstigste Verwertungsart zu wählen.
Rn 53
Liegt keiner dieser Sonderfälle vor, kann sich ggf. aus der Kostenregelung des § 171 ergeben, dass entweder eine Verwertung durch den Gläubiger oder eine solche durch den Verwalter vorzuziehen ist: Während bei einer Verwertung durch den Verwalter der Erlös erst nach Abzug aller in § 171 aufgeführten Kosten an den Gläubiger ausgekehrt wird, entfällt bei Verwertung durch den Gläubiger die Verwertungskostenpauschale. Für seine Entscheidung darüber, ob er einen Gegenstand dem Gläubiger zur Verwertung überlässt, muss der Verwalter mithin die Verwertungskostenpauschale in Höhe von 5% des Erlöses gegen den der Masse aus der Verwertung erwachsenden Aufwand abwägen. Ratsam ist eine Überlassung in den Fällen, in denen der Verwalter absehen kann, dass seine Kosten über 5% des Erlöses liegen werden. In diesen Fällen kann der Verwalter nicht die tatsächlichen Kosten in Anwendung des § 171 Abs. 2 Satz 2 ansetzen, da es sich nicht – wie dort gefordert – um "tatsächlich wesentlich höhere Kosten" handelt, so dass es bei den pauschalen 5% verbleibt. In dieser Konstellation kann der Verwalter die Kostenbelastung für die Masse in Form des Differenzbetrags zwischen den ihm entstehenden Kosten und der 5%-igen Pauschale zu Gunsten der Masse durch Überlassung der Sache zur Verwertung durch den Gläubiger einsparen.
Rn 54
Sind die Kosten dagegen erheblich niedriger oder erheblich höher als 5%, liegt also eine erhebliche Abweichung vor, so sind nach § 170 Abs. 2 Satz 2 die tatsächlichen Kosten zugrunde zu legen und der Verwalter muss sich überlegen, ob der mit der Verwertung verbundene Aufwand, der auch Personalkapazitäten bindet, sich letztlich für die Masse lohnt.
Rn 55
Liegen die Kosten nur unerheblich unter der 5%-Grenze, kommt der Differenzbetrag der Masse zugute und es ist die Verwertung durch den Verwalter zu wählen.