Rn 45
Zunächst hat der Insolvenzverwalter die Pflicht, einen geltend gemachten Aussonderungsanspruch zu prüfen. Hierbei handelt es sich um eine originäre Pflicht des Insolvenzverwalters. Der Zeitraum, in dem diese Prüfung durchzuführen ist, ist gesetzlich nicht normiert. In mittleren Firmeninsolvenzverfahren wird ihm allgemein ein Zeitraum von zwei Monaten zugebilligt. Abhängig vom Einzelfall kann dieser jedoch kürzer, aber auch insbesondere in Verfahren mit vielen Einzelpositionen, komplexer Sicherheitenlage oder verschiedenen Beteiligten, die am gleichen Gegenstand Aussonderungsrechte geltend machen, deutlich verlängert sein. Der Insolvenzverwalter hat von sich aus jedoch nur Aussonderungsrechte zu beachten, für die konkrete Anhaltspunkte bestehen. Dies kann beispielsweise dann der Fall sein, wenn unbezahlte Waren vorhanden sind, für die üblicherweise ein Eigentumsvorbehalt vereinbart wird. Er muss jedoch nicht jeden einzelnen Vermögensgegenstand aktiv auf Aussonderungsrechte überprüfen oder aktiv an einen Aussonderungsberechtigten herantreten. Meint ein Gläubiger, Aussonderungsrechte zu haben, ist er daher gehalten, dies dem Insolvenzverwalter unter Übersendung geeigneter Unterlagen anzuzeigen.
Rn 46
Hat der Insolvenzverwalter Aussonderungsrechte festgestellt, erklärt er in der Praxis meist die "Freigabe" des Aussonderungsgutes. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um eine Freigabe im engeren Sinne, weil das Aussonderungsgut nie zur Insolvenzmasse gehörte, sondern lediglich um eine Willenserklärung an den Aussonderungsberechtigten, er könne sich in den Besitz am Gegenstand setzen. Bei Aussonderungsrechten von erheblichem Wert ist streitig, ob es sich hierbei um ein besonders bedeutende Rechtshandlung i. S. v. § 160 Abs. 1 Satz 1 handelt für die die Zustimmung des Gläubigerausschusses erforderlich ist. Dies könnte sich aus dem Wortlaut des § 160 Abs. 1 Satz 1 ergeben, weil dort von einer "für das Insolvenzverfahren" bedeutsamen Rechtshandlung gesprochen wird und kein unmittelbarer Bezug auf die Insolvenzmasse nach § 35 hergestellt wird. Nach hier vertretener Ansicht ist das nicht erforderlich, denn es steht nicht in der Macht des Gläubigerausschusses an der materiellen Rechtslage etwas zu ändern. Wenn ein Aussonderungsanspruch besteht, muss der Insolvenzverwalter dem nachkommen. Eine Delegation der Prüfung auf Mitglieder des Gläubigerausschusses, auf was eine Befassung des Gläubigerausschusses letztendlich hinauslaufen würde, ist nicht möglich.
Rn 47
Daneben ist der Insolvenzverwalter verpflichtet, dem Aussonderungsberechtigten Auskunft über den Verbleib, den Zustand und eine etwaige Verarbeitung des Aussonderungsgutes zu erteilen. Gesetzlich normiert ist dies nicht, kann jedoch in Analogie zu § 167, der eine solche Pflicht für mit Absonderungsrechten belastete Gegenstände normiert, hergeleitet werden. Zumindest ist es Ausfluss des fehlenden Selbsthilferechtes des Gläubigers und leitet sich nach der herrschenden Meinung aus § 242 BGB her. Der Insolvenzverwalter ist zu dieser Auskunft jedoch nur im Rahmen des Zumutbaren verpflichtet. Es trifft ihn keine Pflicht, umfangreiche Nachforschungen anzustellen, wenn der Aussonderungsberechtigte die Gegenstände nicht näher bezeichnet. Der Insolvenzverwalter kann den Aussonderungsberechtigten auch darauf verweisen, Einsicht in die Geschäftsunterlagen zu nehmen.
Rn 48
Der Insolvenzverwalter ist nach erfolgter Prüfung zur Bereitstellung des Absonderungsgegenstandes verpflichtet. Eine Pflicht zur Versendung des Gegenstandes trifft ihn nicht. Bei Grundstücken verpflichtet die Aussonderung nicht zur Räumung nach § 546 BGB. Es reicht aus, das Grundstück herauszugeben. Der Räumungsanspruch ist pure Insolvenzforderung. Die Kosten für eine Räumung bzw. Wiederherstellung des Grundstückes sind keine Masseverbindlichkeiten, soweit die Beteiligten Veränderungen vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen haben. Lediglich für Veränderungen, die der Insolvenzverwalter im Rahmen zum Beispiel einer Betriebsfortführung veranlasst hat, besteht ein Anspruch im Range einer Masseverbindlichkeit.
Rn 49
Die Kosten für die Feststellung, Auskunftserteilung und Bereitstellung des Gegenstandes können nicht dem Aussonderungsberechtigten auferlegt werden. Der Aussonderungsberechtigte trägt jedoch die Kosten der Abholung. Insoweit für die Verwahrung und Sicherung des Gegenstandes der Masse Kosten entstanden sind, kommt eine Inanspruchnahme des Aussonderungsberechtigten nach §§ 994, 996 BGB in Betracht.
Rn 50
Welche Rechte bzw. Pflichten den vorläufigen Insolvenzverwalter treffen, ist im Detail umstritten. Grundsätzlich entsteht ein Aussonderungsanspruch erst mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens, so dass der vorläufige Verwalter nicht verpflichtet ist, dem Aussonderungsbegehren Rechnung zu tragen. Jedoch wird er ebenso nicht daran gehindert sein, einem unzweifelhaften Aussonderungsbegehren dann Rechnung zu tragen, wenn der Gege...