Beteiligte
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 1. März 2000 – L 5 AL 2625/99 – aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Gründe
I
Streitig ist die Erstattung von Arbeitslosengeld (Alg) einschließlich hierauf entfallender Beiträge gemäß § 128 Arbeitsförderungsgesetz (AFG).
Die I. GmbH (I.), ein Zulieferunternehmen der Autoindustrie, vereinbarte mit dem am 11. Juni 1936 geborenen Arbeitnehmer H. P. (P) am 2. September 1993 dessen Ausscheiden zum 28. Februar 1994. P erhielt eine Abfindung von 30.500 DM. Er war seit dem 4. Mai 1981 bei der S. GmbH (S.) beschäftigt gewesen, die ihr Vermögen aufgrund Verschmelzungsvertrags vom 23. Juni 1993 als Ganzes auf die I. übertragen hatte und am 30. August 1993 infolgedessen im Handelsregister gelöscht worden war, und danach bei der I.. P, der vom 26. März bis 3. April und vom 22. Mai bis 19. Juni 1996 krankenhauskrank war, bezog auf seinen am 1. März 1994 gestellten Antrag ab 15. Juni 1994 Alg, seit dem 1. Juli 1996 bezieht er Altersrente.
Nach Anhörung der I. stellte die Beklagte mit Bescheid vom 9. November 1994 fest, daß die I. gemäß § 128 AFG verpflichtet sei, das Alg (nebst Kranken- und Rentenversicherungsbeiträge) ab 22. Juni 1994 für längstens 624 Tage zu erstatten. Der Widerspruch hatte keinen Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 3. Januar 1995). In der Folgezeit forderte die Beklagte von der I. mit Bescheiden vom 19. Januar, 26. April und 9. November 1995 sowie vom 11. April, 7. und 29. November 1996 insgesamt 54.639,39 DM für die Zeit vom 22. Juni 1994 bis 21. Mai 1996 sowie vom 20. bis 30. Juni 1996, die die I. gezahlt hat.
Das Sozialgericht hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 21. November 1995). Während des Berufungsverfahrens nahm die Beklagte das Verwaltungsverfahren wieder auf, hörte die I. bzw deren Verfahrensbevollmächtigte an und forderte durch den an die Verfahrensbevollmächtigten gerichteten Bescheid vom 24. November 1998 wiederum für die Zeit vom 22. Juni 1994 bis 21. Mai 1996 sowie vom 20. bis 30. Juni 1996 die Erstattung von 54.639,39 DM. Gegen diesen Bescheid wandte sich vor dem Landessozialgericht (LSG) nicht mehr die I., sondern die jetzige Klägerin, die 1998 aus der I. ausgegliedert und verselbständigt worden ist. Das LSG hat P schriftlich zu seinem Gesundheitszustand befragt. P hat mitgeteilt, über die bereits bekannten Zeiträume vom 26. März bis 3. April 1996 und vom 22. Mai bis 19. Juni 1996 hinaus habe ihm kein Arzt eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausgestellt; er habe auch keine solche verlangt. Zu stationären Behandlungen könne er für 1994 und 1995 keine Angaben mehr machen. Die bekannten Behandlungen 1996 seien „wegen Alkoholintoxikation” erfolgt. Er habe nicht an schweren Erkrankungen gelitten und keine anderen Sozialleistungen beantragt.
In der mündlichen Verhandlung vor dem LSG hat die Beklagte die Erstattungsforderung im Hinblick auf die Zeit vom 26. März bis 3. April 1996 um 765,06 DM ermäßigt.
Das LSG hat die Klage abgewiesen und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt, Gegenstand des Verfahrens sei ausschließlich der Bescheid vom 24. November 1998, der die früheren Bescheide ersetzt habe. Die Klage sei unbegründet, da die Klägerin als Rechtsnachfolgerin der I. verpflichtet sei, das an P gezahlte Alg nebst Sozialversicherungsbeiträgen zu erstatten. Formale Bedenken gegen den Bescheid bestünden nicht, insbesondere habe die Beklagte während des Gerichtsverfahrens und ungeachtet des zwischenzeitlichen Zeitablaufs zur Heilung von Formfehlern einen frühere Verwaltungsakte ersetzenden Bescheid erlassen dürfen. Die erforderliche Anhörung sei in ausreichendem Umfang erfolgt. Auf die Rüge einer Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes im Verwaltungsverfahren komme es im Ergebnis nicht an, da in der Sache keine andere Entscheidung hätte getroffen werden können. Die Voraussetzungen einer Erstattungspflicht nach § 128 Abs 1 Satz 1 AFG seien gegeben, insbesondere seien die Beschäftigungszeiten des P bei der S. deren Rechtsnachfolgerin, der I., zuzurechnen. Dies folge sowohl aus der bei Verschmelzungen angeordneten Universalsukzession als auch aus § 613a BGB. Tatbestände, bei deren Vorliegen die Erstattungspflicht nicht eintrete, lägen nicht vor. Der Senat sei davon überzeugt, daß P nicht die Voraussetzungen für eine der in § 118 Abs 1 Satz 1 Nrn 2 bis 4 AFG genannten Leistungen oder für eine Rente wegen Berufsunfähigkeit erfüllt habe. Dies folge aus der schriftlichen Anhörung des P, der die gestellten Fragen eindeutig und glaubwürdig beantwortet habe. Die Diagnose einer Alkoholintoxikation als Grund der Krankenhausbehandlungen lege weitere Zeiten der Arbeitsunfähigkeit vor und nach der stationären Behandlung nicht zwingend nahe. Es sei daher nicht erforderlich, insoweit weitere Ermittlungen anzustellen, insbesondere P persönlich als Zeugen zu vernehmen, wie die Klägerin beantragt hatte. Die schriftliche Zeugenanhörung stehe grundsätzlich einer persönlichen Vernehmung gleich, und eine weitere Klärung der Beweisfrage sei, auch unter Berücksichtigung der bekannten Krankheitszeiten vor Beginn der Arbeitslosigkeit, nicht notwendig. Die in § 128 Abs 1 Satz 2 Nrn 1 bis 7 AFG genannten Tatbestände seien ebenfalls nicht erfüllt. Dasselbe gelte für die Tatbestände des § 128 Abs 2 Nr 2 und Abs 3 AFG. Schließlich habe die Beklagte auch die Höhe des Erstattungsbetrags zutreffend errechnet (Urteil vom 1. März 2000).
Mit der vom Bundessozialgericht zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 128 Abs 1 Satz 1 AFG, der Aufklärungspflicht nach § 103 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und des rechtlichen Gehörs (§ 62 SGG). Die Klägerin trägt vor, das LSG habe ihren Antrag, P als Zeugen persönlich zu seinem Gesundheitszustand zu befragen, nicht übergehen dürfen. Insbesondere weil bei der schriftlichen Befragung offengeblieben sei, ob P auch 1994 und 1995 im Krankenhaus gewesen sei, und wegen der bekannt gewordenen Diagnose der Alkoholintoxikation habe sich das LSG zu weiteren Ermittlungen gedrängt fühlen müssen. Weitere Zeiten der Arbeitsunfähigkeit lägen nahe. Im übrigen entfalle eine Erstattungspflicht, weil die Beschäftigungszeiten des P bei der S. nicht zu berücksichtigen seien. § 128 AFG fordere eine strenge Identität der Rechtsperson des Arbeitgebers, an der es wegen der Verschmelzung der S. mit der I. fehle. Dies ergebe sich sowohl aus § 613a BGB als auch aus dem Widerspruchsrecht gegen den Eintritt des Betriebsübernehmers in das Arbeitsverhältnis, das Arbeitnehmern bei Betriebsübergängen zustehe. Der Umstand, daß das Vermögen der S. auf die I. übertragen worden sei, rechtfertige kein anderes Ergebnis. Denn § 613a BGB sei jedenfalls entsprechend anzuwenden. Das den Arbeitnehmern bei Betriebsübergängen und gleichermaßen bei Verschmelzungen zustehende Widerspruchsrecht lasse die besondere Verantwortung des Betriebsübernehmers bzw Rechtsnachfolgers für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, die Voraussetzung für eine Erstattungspflicht sei, entfallen. Denn der neue Arbeitgeber werde nur deswegen gezwungen, in die Rechte und Pflichten aus den Arbeitsverhältnissen langjährig beschäftigter Arbeitnehmer einzutreten, da diese ihr Widerspruchsrecht nicht ausgeübt hätten.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des LSG und den Bescheid vom 24. November 1998 gänzlich aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
II
Die Revision der Klägerin ist im Sinne der Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet.
Verfahrensmängel, die von Amts wegen zu berücksichtigen sind, da sie einer Sachentscheidung des Revisionsgerichts entgegenstehen, liegen nicht vor. Zu entscheiden ist über eine Anfechtungsklage, die sich gegen die Heranziehung der I. zur Erstattung von Alg usw richtet, die das Arbeitsamt Ludwigsburg im Bescheid vom 24. November 1998 verfügt hat. Dieser Bescheid ist, wie das LSG unbeanstandet und zutreffend entschieden hat, gemäß § 96, § 153 Abs 2 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden, in dem sich die I. gegen die vom Arbeitsamt früher getroffenen entsprechenden und durch den genannten Bescheid ersetzten Regelungen zur Wehr gesetzt hat. Allerdings hat nach dem Bescheid vom 24. November 1998 nicht die – den Unterlagen der Beklagten zufolge trotz zwischenzeitlicher Spaltungen ihres Vermögens nach dem Umwandlungsgesetz (UmwG) weiterbestehende – I. das wiederaufgenommene Verfahren weiter betrieben, sondern allein die ua aus diesen Spaltungen hervorgegangene Klägerin. Sie ist 1999 in das Verfahren eingetreten. Die Klagänderung, die mit dem Wechsel der Klägerrolle vorgenommen worden ist, ist nach § 99 Abs 1 SGG zulässig, da die übrigen Beteiligten eingewilligt haben; die Beklagte hat die Klägerin selbst als neue Klägerin in ihrem Antrag bezeichnet, das ruhende Gerichtsverfahren wieder aufzunehmen. Eine solche Klagänderung ist auch im Berufungsverfahren möglich (BSGE 8, 113, 114 f), insbesondere bei der Anfechtung eines Bescheids, der wie hier erst im Berufungsverfahren Gegenstand der Klage wird; denn in diesen Fällen entscheidet das Gericht nicht über eine Berufung, sondern über eine Klage (BSGE 18, 231, 234 f). Der Zulässigkeit der Klage steht schließlich nicht entgegen, daß der angefochtene Bescheid sich nicht an die Klägerin, sondern an die I. richtet und deren Erstattungspflicht regelt. Für die Klagebefugnis der Klägerin genügt es nach § 54 Abs 1 Satz 2 SGG, daß sie geltend macht, durch die Heranziehung der I. zur Erstattung von Alg usw durch den Bescheid vom 24. November 1998 beschwert, dh in ihren Rechten verletzt, zu sein. Mangels Klagebefugnis unzulässig wäre die Klage nur, wenn Rechte der Klägerin offensichtlich und eindeutig nach jeder Betrachtungsweise nicht verletzt sein könnten (vgl für viele BSGE 43, 134, 141 = SozR 4100 § 34 Nr 6; BSGE 68, 291, 292 f = SozR 3-1500 § 54 Nr 7; BSGE 70, 99, 100 f = SozR 3-1500 § 54 Nr 15; BVerwGE 102, 12, 15). Auch wenn die Klägerin nicht Gesamtrechtsnachfolger der weiter bestehenden I. ist, kann hiervon schon der – naheliegenden – Möglichkeit wegen keine Rede sein, daß die diesbezüglichen vor der Spaltung entstandenen Verbindlichkeiten der I. gegenüber der Beklagten zusammen mit einem Anspruch auf Rückerstattung des von der I. etwa zu Unrecht gezahlten Erstattungsbetrages bei der Spaltung des Vermögens der I. (vgl §§ 126, 133 UmwG) der Klägerin zugeordnet sein könnten. Es kann daher offenbleiben, ob genügt, daß nach § 133 Abs 1 UmwG alle an einer Spaltung beteiligten Rechtsträger für vor der Spaltung entstandene Verbindlichkeiten haften. Ob der angefochtene Verwaltungsakt die Klägerin tatsächlich in ihren Rechten verletzt, ist eine Frage der Begründetheit der Klage, nicht ihrer Zulässigkeit (vgl BSGE 14, 164, 165 f; SozR 3-1500 § 54 Nr 1).
Ob die I., wie in dem Bescheid vom 24. November 1998 nach der Ermäßigung der Erstattungsforderung noch geregelt ist, 53.874,33 DM (nämlich 54.639,39 DM abzüglich 765,06 DM) an Alg (und Beiträgen) des P zu erstatten hat, und, wenn dies nicht der Fall ist, die Klägerin hierdurch in ihren Rechten verletzt ist, kann aufgrund der bisher getroffenen Feststellungen nicht abschließend entschieden werden.
Rechtsgrundlage der Erstattungsansprüche ist § 128 AFG (eingefügt durch das Gesetz zur Änderung von Förderungsvoraussetzungen und anderen Gesetzen vom 18. Dezember 1992, BGBl I 2044, hier anwendbar in der durch das Beschäftigungsförderungsgesetz 1994 vom 26. Juli 1994, BGBl I 1786, geänderten Fassung). Diese Vorschrift ist zwar durch Art 11 des Arbeitsförderungs-Reformgesetzes (AFRG) vom 24. März 1997 (BGBl I 594) aufgehoben worden. Auf Erstattungsansprüche für Zeiten bis zum 31. März 1997, um die es hier ausschließlich geht, wirken sich die Aufhebung der Vorschrift und die mit der Aufhebung verbundenen Übergangsvorschriften (§ 242x Abs 6 AFG, § 431 Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung –) aber nicht aus; denn die Aufhebungsvorschrift ist erst am 1. April 1997 in Kraft getreten (Art 83 Abs 3 AFRG).
Nach § 128 Abs 1 Satz 1 AFG erstattet der Arbeitgeber, bei dem der Arbeitslose innerhalb der letzten vier Jahre vor dem Tag der Arbeitslosigkeit, durch den nach § 104 Abs 2 AFG die Rahmenfrist bestimmt wird, mindestens 720 Kalendertage in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gestanden hat, der Beklagten vierteljährlich das Alg für die Zeit nach Vollendung des 58. Lebensjahres des Arbeitslosen, längstens für 624 Tage. Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG stand P innerhalb der letzten vier Jahre vor dem Tag, durch den nach § 104 Abs 2 AFG die Rahmenfrist bestimmt wird, hier also dem 1. März 1994, mindestens 720 Kalendertage in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung bei der I. und davor bei der S.. Denn nicht nur die Beschäftigungszeiten nach der Verschmelzung 1993, sondern auch die Beschäftigungszeiten bei der S. seit Mai 1981 muß sich die I. zurechnen lassen, wie das LSG zutreffend entschieden hat.
Nach den insoweit bindenden Feststellungen des LSG ist die S., bei der P seit Mai 1981 beschäftigt war, aufgrund eines Verschmelzungsvertrages vom 23. Juni 1993 in die I. als übernehmende Gesellschaft übergegangen und selbst mit der Eintragung der Verschmelzung in das Handelsregister erloschen. Rechtsfolge der Eintragung der Verschmelzung war ua der Übergang des Vermögens der S. einschließlich der Verbindlichkeiten auf die I. (§§ 19, 25 Kapitalerhöhungsgesetz, vgl seit 1995 §§ 2, 20 Abs 1 Nr 1 UmwG). Damit ist die I. umfassend in die Rechtsstellung der S., also auch in die Stellung als Arbeitgeber des P eingetreten. Dies gilt auch nach § 128 AFG und führt dazu, daß sich entgegen der Auffassung der Revision die I. die bei der S. zurückgelegten Beschäftigungszeiten des P zurechnen lassen muß. Für eine andere Entscheidung gibt es keinen aus Wortlaut oder Zweck des § 128 AFG ableitbaren Grund.
Zweck der Anordnung der Erstattungspflicht des Arbeitgebers ist in erster Linie, den Arbeitgeber zu veranlassen, ältere und langjährig beschäftigte Arbeitnehmer weiter zu beschäftigen und nicht in die Arbeitslosigkeit mit anschließender Frühverrentung zu entlassen. Dieses vom Gesetzgeber angestrebte Ziel, das den eigentlichen Grund der Erstattungspflicht bildet und diese verfassungsrechtlich rechtfertigt, soll dadurch erreicht werden, daß Arbeitgeber, die Arbeitsverhältnisse mit älteren und langjährig beschäftigten Arbeitnehmern lösen wollen, die durch die Erstattungspflicht ausgelösten Folgekosten bei der Entscheidung über die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses mit einbeziehen und hiervon möglichst absehen. Diese Lenkungsfunktion soll bewirken, daß ältere betriebstreue Arbeitnehmer vor Entlassung geschützt werden. Bei der Auswahl der in den Erstattungstatbestand einbezogenen Arbeitnehmer hat der Gesetzgeber das besondere Schutzbedürfnis der älteren und betriebstreuen Arbeitnehmer berücksichtigt, das mit einer erhöhten Fürsorgepflicht des Arbeitgebers korrespondiert. Bildet die aus Alter und Betriebstreue des Arbeitnehmers resultierende erhöhte Fürsorgepflicht des Arbeitgebers den Anknüpfungspunkt für seine Erstattungspflicht, so ist kein Grund ersichtlich, weshalb der Rechtsträger, der das Vermögen eines untergegangenen Rechtsträgers mit allen Rechten und Pflichten übernommen hat, für Beschäftigungszeiten nicht aufkommen soll, die bei dem infolge der Vermögensübertragung untergegangenen Rechtsträger zurückgelegt worden sind. Denn auch gegenüber dem neuen Rechtsträger kann sich der Arbeitnehmer auf seine bisherigen Rechte berufen. Seine Betriebstreue ist gleichermaßen gegeben, ob die Verschmelzung stattgefunden hat oder nicht. Die aus der Dauer der Betriebszugehörigkeit erwachsene Fürsorgepflicht als Nebenpflicht des Arbeitgebers im Arbeitsverhältnis ändert sich nicht. Daraus folgt, daß für die Berechnung der für den Erstattungstatbestand erheblichen Beschäftigungszeiten selbstverständlich auch die Beschäftigungszeiten einzubeziehen sind, die vor der Verschmelzung bei dem untergegangenen Rechtsträger zurückgelegt worden sind. Es liegt auf der Hand, daß sich die Arbeitgeberschaft Verpflichtungen, die sich mit Rücksicht auf Beschäftigungen in der Vergangenheit in Zukunft aus § 128 AFG ergeben, nicht durch Verschmelzung und ähnliche Transaktionen entziehen kann. Gegenteiliges wird auch in der Literatur nicht angenommen (vgl Gagel, AFG, § 128 RdNrn 75 ff; Wissing NZA 1993, 385, 388). Umstritten war lediglich, ob bloße Betriebsübernahmen dazu führen, daß der neue Arbeitgeber für Beschäftigungszeiten beim alten Arbeitgeber aufzukommen hat (verneinend Gagel aaO RdNr 74; bejahend Wissing aaO). Das Urteil des Senats, in dem diese Frage bejaht worden ist (SozR 3-4100 § 128 Nr 3), geht daher als selbstverständlich davon aus, daß Beschäftigungszeiten zusammenzurechnen sind, wenn sich die Übernahme eines Betriebes dadurch vollzogen hat, daß anstelle des bisherigen Betriebsinhabers dessen Gesamtrechtsnachfolger getreten ist. Ob Arbeitnehmer nicht nur bei der Übernahme ihres Betriebes, sondern auch bei der Verschmelzung des Betriebsinhabers das Recht haben, dem Übergang der Arbeitsverhältnisse zu widersprechen, ist hier nicht zu prüfen. Es ist nicht ersichtlich, weshalb aus einem solchen Recht des Arbeitnehmers, wenn es – wie hier – nicht einmal wahrgenommen worden ist, folgen soll, daß der Arbeitgeber nunmehr nicht mehr aus öffentlichem Interesse gehalten ist, die älteren Arbeitnehmer weiter zu beschäftigen.
Nach § 128 Abs 1 Satz 2 AFG tritt die Erstattungspflicht allerdings in bestimmten Fällen nicht ein. Insoweit kann sich die Revision nicht darauf berufen, daß das Arbeitsverhältnis vor Vollendung des 56. Lebensjahres beendet noch daß dargelegt und nachgewiesen worden sei, daß ein Fall der Nrn 1 bis 7 vorläge. Da der I. die Beschäftigung des P bei der S. zuzurechnen ist, greift der Ausnahmetatbestand der Nr 1 nicht ein. Die Ausnahmetatbestände der Nrn 2, 3, 4 und 5, die die Klägerin beim LSG geltend gemacht hatte, liegen nach den Ausführungen des LSG nicht vor. Diese sind nicht zu beanstanden; gegenteiliges macht die Revision auch nicht geltend. Allerdings tritt nach § 118 Abs 1 Satz 2 AFG die Erstattungspflicht für die Zeit nicht ein, für die der Arbeitslose auch die Voraussetzungen für eine der in § 128 Abs 1 Satz 1 Nrn 2 bis 4 AFG genannten Leistungen oder für eine Rente wegen Berufsunfähigkeit erfüllt. Das LSG hat angenommen, P erfülle diese Voraussetzungen nicht, habe also weder Krankengeld, Rente wegen Erwerbsunfähigkeit oder Rente wegen Berufsunfähigkeit fordern können, und hat sich wegen der gesundheitlichen Voraussetzungen dieser Ansprüche auf das Fehlen von Krankmeldungen während der Beschäftigung, die Angaben des P bei der Beantragung des Alg und die schriftliche Zeugenanhörung des P berufen und sich nicht gedrängt gesehen, weitere Ermittlungen anzustellen, insbesondere P persönlich als Zeugen zu vernehmen. Die gegen diese tatsächlichen Feststellungen gerichteten Rügen der Revision greifen durch.
Nach § 103 SGG hat das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen. Diese Pflicht besteht, soweit Sachverhalt und Beteiligtenvortrag dies nahelegen. Zu § 128 Abs 1 Satz 2 AFG hat der Senat bereits mehrfach darauf hingewiesen, daß sich die amtliche Sachaufklärungspflicht nicht auf Tatsachen erstreckt, für deren Bestehen die Umstände des Einzelfalles keine Anhaltspunkte bieten (BSGE 81, 259, 262 f = SozR 3-4100 § 128 Nr 5; Urteil vom 21. September 2000 – B 11 AL 7/00 R – zur Veröffentlichung vorgesehen). Nach den Umständen des vorliegenden Falles waren jedoch Anhaltspunkte gegeben, die dem LSG eine weitere Sachaufklärung – jedenfalls die weitere Befragung des P – nahelegen mußten.
Die Revision hat den Verfahrensmangel ordnungsgemäß gerügt. Sie verweist ausdrücklich auf den in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag, P persönlich zu seinem Gesundheitszustand zu hören. Hierbei handelt es sich um einen Beweisantrag. Das LSG hatte den P bereits unter Formulierung bestimmter Fragen zu seinem Gesundheitszustand schriftlich befragt; der Antrag, P persönlich zu seinem Gesundheitszustand zu hören, kann deshalb nur so verstanden werden, daß nach der schriftlichen Befragung P vor dem Gericht mündlich zu den bereits gerichtlich formulierten Beweisfragen vernommen werden sollte. Die Revision trägt auch im einzelnen vor, inwiefern sich das LSG hätte gedrängt fühlen müssen, den beantragten Beweis zu erheben. Insbesondere hat die Klägerin auf Unklarheiten in der schriftlichen Aussage des P hingewiesen, die eine weitere Klärung erfordern. So erscheinen vor allem die schriftlichen Ausführungen des P, er könne Angaben zu stationären Behandlungen in den Jahren 1994 und 1995 nicht mehr machen und er sei 1996 wegen „Alkoholintoxikation” behandelt worden, als unzureichend bzw weiter aufklärungsbedürftig. Offen bleibt nach der schriftlichen Aussage ua, inwieweit eine – möglicherweise von P selbst nicht in ihrem Ausmaß und ihren Auswirkungen vollständig erkannte – Alkoholerkrankung vorlag. Daß auch das LSG aus der Mitteilung der „Alkoholintoxikation” keine eindeutigen Schlüsse ziehen konnte, belegt die Formulierung in den Entscheidungsgründen, diese Erkrankung lege den Eintritt weiterer Zeiten der Arbeitsunfähigkeit „nicht zwingend” nahe. Das ist zwar unzweifelhaft zutreffend, schließt aber keinesfalls aus, daß die Alkoholerkrankung sich nicht schon früher auf die Arbeits- und Erwerbsfähigkeit ausgewirkt hat.
Der Verfahrensmangel liegt auch tatsächlich vor. Das LSG durfte sich angesichts der bereits dargestellten Unzulänglichkeit der schriftlichen Aussage des P nicht mit dieser begnügen, sondern war gehalten, auf eine weitere Sachaufklärung hinzuwirken. Da Alkoholerkrankungen von den Betroffenen häufig nicht in ihrem vollen Ausmaß erkannt werden, kann es mit der schriftlichen Zeugenbefragung nicht sein Bewenden haben. Ohnehin kommt die Anordnung einer schriftlichen Beantwortung von Beweisfragen nur dann in Betracht, wenn der zu befragende Zeuge insoweit geeignet ist, dh die Erwartung einer zuverlässigen und der Beweiswürdigung zugänglichen Beantwortung gerechtfertigt ist (vgl Zöller, ZPO, 21. Aufl, § 377 RdNr 8); die Art und Weise, in der P die schriftlichen Fragen des LSG beantwortet hat, lassen eine solche Eignung aber zweifelhaft erscheinen.
Kann der Senat hiernach nicht davon ausgehen, daß P keine Ansprüche auf alternative Sozialleistungen hatte, muß die Revision der Klägerin zur Zurückverweisung der Sache an das LSG führen; eine abschließende Entscheidung aus anderen Gründen ist dem Senat nicht möglich.
Nach § 128 Abs 2 Nr 2 AFG entfällt die Erstattungspflicht zwar, wenn der Arbeitgeber darlegt und nachweist, daß die Erstattung für ihn eine unzumutbare Belastung bedeuten würde, weil durch die Erstattung der Fortbestand des Unternehmens oder die nach Durchführung des Personalabbaus verbleibenden Arbeitsplätze gefährdet wären. Insoweit ist zum Nachweis die Vorlage einer Stellungnahme einer fachkundigen Stelle erforderlich. Nach den Feststellungen des LSG hat die Klägerin jedoch eine solche Stellungnahme nicht vorgelegt, so daß sie sich auf diesen Sondertatbestand nicht berufen kann. Gegen die weitere Geltendmachung der 1994 bis 1996 entstandenen Erstattungsansprüche gegen die I. bestehen keine Bedenken, auch wenn bei der Spaltung des Vermögens der I. Verbindlichkeiten dieser Art einem anderen Rechtsträger zugewiesen worden sind; denn nach § 133 Abs 1 und 3 UmwG haftet jeder bei einer Spaltung beteiligte Rechtsträger für die bis zur Spaltung entstandenen Verbindlichkeiten. Auch im übrigen bestehen gegen die Geltendmachung des Erstattungsanspruchs durch den Bescheid vom 24. November 1998 keine Bedenken. Die Ersetzung von wegen Verletzung der Anhörungspflicht fehlerhaften Bescheiden durch einen die Anhörungspflicht beachtenden Bescheid während des gerichtlichen Verfahrens ist rechtmäßig. Daß der Erstattungsbescheid nicht nur die für ein Vierteljahr erbrachten Leistungen betrifft, ist, wie der Senat wiederholt entschieden hat, unerheblich. Daß dieser Bescheid mehr als zwei Jahre nach dem Ende des Erstattungszeitraums ergangen ist, ist ebenfalls unerheblich, zumal die Beklagte ihre Erstattungsansprüche schon vorher geltend gemacht hatte. Die Revision muß daher zur Zurückverweisung der Sache an das LSG führen.
Für die erneute Entscheidung des LSG, die auch die Kosten des Revisionsverfahrens umfassen wird, ist auf folgendes hinzuweisen: Da P am 11. Juni 1994 das 58. Lebensjahr vollendet und ab 15. Juni 1994 Alg bezogen hatte, beginnt nach dem Gesetz die Erstattungspflicht mit dem 15. und nicht erst mit dem 22. Juni 1994. Wird bei der Berechnung des Erstattungsbetrages ein zu später Beginn angesetzt, kann dies zu einem zu hohen Erstattungsbetrag führen, den der Arbeitgeber nicht schuldet. Sollte die Beklagte einen zu hohen Erstattungsbetrag gegen die I. festgesetzt haben, wird sich das LSG auch davon überzeugen müssen, daß die Klägerin hierdurch in ihren Rechten verletzt wird, bevor es der Klage entspricht.
Fundstellen
Haufe-Index 600104 |
AuA 2001, 327 |