Beteiligte
Kassenärztliche Vereinigung Schleswig-Holstein |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Schleswig-Holstein vom 7. Dezember 1999 wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat der Beklagten auch deren außergerichtliche Kosten für das Revisionsverfahren zu erstatten.
Gründe
I
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit einer Disziplinarmaßnahme.
Der seit 1987 als Praktischer Arzt zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassene Kläger teilte der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) im Oktober 1994 bzw im April und Mai 1995 ua im Wege einer „Abmeldung” mit, daß er seine für die Erbringung physikalisch-medizinischer Leistungen vorgehaltenen Geräte (Rotlicht, Inhalationsgerät, Reizstrom, Saugmassage, Ultraschall, Iontophorese, intermittierende Kompressionstherapie, Höhensonne, Infrarot, Kurzwelle, Extension, Kälte- sowie Wärmepackung) nicht mehr für die Versorgung von Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) einsetzen werde; mangels Kostendeckung infolge des zu niedrigen Punktwertes werde er die Leistungen bei diesen künftig nur noch privatärztlich oder gegen Kostenerstattung erbringen; für eine Kurzwellenbehandlung verlange er zB statt des vertragsärztlichen Honorars von 2,23 DM bzw 2,40 DM nunmehr 7,33 DM Privathonorar. Seine bekundete Absicht setzte der Kläger vom 1. Juli 1995 an um. Dies geschah nach seiner Schilderung derart, daß Versicherte nach der von ihm festgestellten medizinischen Notwendigkeit für eine physikalisch-medizinische Maßnahme befragt wurden, ob sie die Leistung auf eigenes Kostenrisiko sofort wünschten oder die Entscheidung ihrer Krankenkasse (KK) über einen (vom Kläger für die Versicherten formularmäßig vorformulierten) Kostenerstattungsantrag abwarten wollten. Die entsprechenden Behandlungsmaßnahmen führte der Kläger dann nur nach bejahter Zahlungsbereitschaft der Patienten (sofort) durch bzw nach Kostenzusage der KK, im Falle einer Ablehnung dagegen nicht. Mehrere KKn erhielten solche Kostenerstattungsanträge übermittelt und beanstandeten sie bei der Beklagten.
Die Beklagte wies den Kläger ua mit Schreiben vom 27. Oktober 1994 sowie vom 27. Juli, 15. August, 25. und 26. September 1995 auf die rechtliche Unzulässigkeit seines Vorgehens hin und erläuterte ihm die rechtlichen Konsequenzen seines Verhaltens. Er hielt demgegenüber in diversen Äußerungen an seiner gegenteiligen Rechtsauffassung fest. Schließlich „meldete” der Kläger im Oktober 1995 bei der Beklagten die genannten Leistungen „bis auf Widerruf wieder [zur vertragsärztlichen Versorgung] an”.
Im November 1995 beschloß der Vorstand der Beklagten, die Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen den Kläger zu beantragen. Ihr Disziplinarausschuß sprach gegen ihn einen Verweis aus: Er habe mit seinem Leistungs- und Abrechnungsverhalten gegen den Bundesmantelvertrag/Ärzte (BMV-Ä) und den Ärzte-/Ersatzkassenvertrag (EKV-Ä) verstoßen. Auch wenn es an verbindlichen Leistungs- und Ausstattungsanforderungen für Vertragsärzte fehle, habe der Kläger mit der „Abmeldung” wegen fehlender Kostendeckung gegen seine Verpflichtung verstoßen, die vertragsärztlichen Leistungen nach den Regeln der ärztlichen Kunst und unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse zu erbringen. Ein Vertragsarzt dürfe zudem von einem Versicherten eine Vergütung nur fordern, wenn und soweit der Versicherte vor Beginn der gesamten Behandlung ausdrücklich verlangt habe, auf eigene Kosten behandelt zu werden und dieses dem Vertragsarzt schriftlich bestätigt habe. Dem Verlangen nach Kostenerstattung durch die KKn stehe der Grundsatz der Gesamtabrechnung der vertragsärztlichen Leistungen entgegen. Das Verhalten des Klägers sei schuldhaft, da er in umfangreichem Schriftwechsel belehrt worden sei. Ihm müsse bekannt sein, daß das Vergütungssystem durch eine Gesamtvergütung und eine Mischkalkulation geprägt sei. Seine von der Auffassung der Beklagten abweichende Meinung berechtige ihn nicht, in Teilbereichen aus dem Honorarverteilungssystem auszubrechen. Die Hartnäckigkeit des Klägers und der Ansehensverlust der Beklagten bei den KKn erforderten eine Ahndung durch Verweis (Beschluß vom 5. August 1996).
Klage und Berufung sind ohne Erfolg geblieben. Das Landessozialgericht (LSG) hat ausgeführt, die privatärztliche Abrechnung bzw Kostenerstattungspraxis bei den physikalisch-medizinischen Geräteleistungen rechtfertige einen Verweis nach § 81 Abs 5 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) iVm der Satzung der Beklagten. § 95 Abs 3 Satz 1 und 2 SGB V verpflichteten den Kläger zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung unter Beachtung der vertraglichen Bestimmungen. Er müsse zwar nicht jede Leistung seines Fachgebiets bereit halten, verstoße aber gegen § 18 BMV-Ä und § 21 EKV-Ä, wenn er generell Leistungen, die ihrer Art nach Gegenstand der GKV seien, nur privatärztlich erbringe. Solche Leistungen dürfe er nicht einfach „in ein anderes Abrechnungssystem überführen”. Die Aufteilung in Vertragsleistungen und privatärztlich erbrachte Leistungen sei nicht statthaft, wenn im einzelnen Behandlungsfall bereits die Notwendigkeit einer physikalisch-medizinischen Leistung festgestellt worden sei. Auch § 13 SGB V führe zu keinem Kostenerstattungsanspruch. Wegen einer dem Kläger bereits 1991 erteilten Verwarnung wegen fehlerhafter Abrechnung und mit Blick auf die Außenwirkung seines Verhaltens sei der Verweis nicht zu beanstanden (Urteil vom 7. Dezember 1999).
Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision macht der Kläger geltend, nicht iS von § 81 Abs 5 SGB V gegen vertragsärztliche Pflichten verstoßen zu haben. Er sei nicht verpflichtet, Versicherten der GKV gleiche Leistungen zu bieten wie Privatpatienten, sondern könne den erstgenannten „herkömmliche kostengünstige Medikation” gewähren und besondere Leistungen – zB solche mit medizinisch-physikalischen Geräten, die nicht der vertragsärztlich geschuldeten Behandlung zuzurechnen seien – letzten vorbehalten. Daß der Einheitliche Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen (EBM-Ä) für die besonderen Leistungen eine Abrechnungsmöglichkeit vorsehe, rechtfertige nicht schon die Annahme einer Pflichtverletzung, da solche Leistungen durch geringe Punktwerte unwirtschaftlich werden könnten; sie müßten dann nicht vertragsärztlich angeboten werden. Da es allgemeinverbindliche Leistungs- und Ausstattungsanforderungen für Vertragsärzte nicht gebe, wäre er (der Kläger) sogar ohne Pflichtverstoß berechtigt, sämtliche physikalisch-medizinischen Geräte zu veräußern; dann aber müsse es ihm auch möglich sein, entsprechende Leistungen allein privatärztlich anzubieten. Er habe in keinem der Fälle den Einsatz spezifischer Gerätschaften für notwendig erachtet, sondern auch „Behandlung mit herkömmlichen Mitteln” angeboten. Nur wenn Patienten aus freier Entscheidung gerade seine Praxis aufgesucht hätten, weil sie auf bestimmte, nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot unangemessene Leistungen Wert legten, sei privat abgerechnet worden. Eine Pflichtverletzung liege nur vor, wenn für eine Behandlung, die Gegenstand der vertragsärztlichen Versorgung sei, zusätzlich Privathonorare berechnet würden. Daran fehle es hier, weil Leistungen, auf die der Patient ohnehin keinen Anspruch habe, außerhalb des Vertragsarztsystems gesondert abrechenbar seien. Ein Verstoß gegen §§ 18 BMV-Ä, 21 EKV-Ä scheide ebenso aus. Die Auffassung, daß es nicht ausreiche, wenn der Versicherte der Privatbehandlung erst vor Beginn der einzelnen Leistungen zustimme, gehe zu weit und widerspreche dem Wortlaut der im Lichte des Art 3 Abs 1 Grundgesetz (GG) auszulegenden Abrechnungsbestimmungen. Ein Patient könne seine Entscheidung auch dann frei treffen, wenn ihm erst nach Diagnosestellung erklärt werde, worauf er sich einlasse. Sähe man eine Pflichtverletzung darin, daß ein Vertragsarzt medizinisch-physikalische Leistungen gegenüber GKV-Patienten gesondert abgerechnet habe, wäre er schlechter gestellt als ein Vertragsarzt, der diese Leistungen überhaupt nicht in seinem Praxisangebot führe und deswegen nicht belangt werden könne. Einem Vertragsarzt, der schon hohe Investitionen getätigt habe, dürfe nicht zusätzlich zugemutet werden, diese besonderen Leistungen unentgeltlich zur Verfügung zu stellen, wenn er im übrigen seiner Behandlungsverpflichtung durch anerkannte Therapieformen ohne Apparaturen nachkomme. Das Verlangen einer bindenden Patientenerklärung zu privatärztlicher Behandlung schon vor Behandlungsbeginn sei unzumutbar. In seinem (des Klägers) Fall fehle aber jedenfalls das Verschulden. Zwar habe die Beklagte ihn über ihre Auslegung in Kenntnis gesetzt. Er habe sich jedoch ebenfalls um Rechtsrat bemüht und werde zB durch die KÄV Hessen (Ärztezeitung vom 29. Juli 1999, S 1 und 14) sowie Literaturstimmen in seiner gegenteiligen Auffassung bestätigt. Er müsse die Rechtslage unter Ausschöpfung des Instanzenzuges gerichtlich klären lassen können, ohne bis dahin schuldhaft zu handeln.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 7. Dezember 1999, das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 11. November 1998 sowie den Beschluß des Disziplinarausschusses der Beklagten vom 5. August 1998 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das LSG-Urteil für zutreffend und meint, ein Vertragsarzt dürfe Leistungen, die er bereits innerhalb des Systems der vertragsärztlichen Versorgung zur Verfügung gestellt und entsprechend den dafür geltenden Regelungen abgerechnet habe, nicht willkürlich und nach Maßgabe seiner persönlichen Rentabilität aus dem Leistungsangebot wieder herausnehmen, um sie teurer und lukrativer privat anzubieten. Daß der Vertragsarzt nicht sämtliche medizinischen Geräte für alle Therapiemöglichkeiten in seiner Praxis vorhalten müsse, berechtige ihn nicht, sein vorhandenes und im Rahmen des Vertragsarztsystems abgerechnetes Leistungsangebot nachträglich wieder auszugliedern. Denn er werde mit seiner Zulassung Mitglied einer KÄV und habe damit Behandlungspflichten von Versicherten im Rahmen des Sicherstellungsauftrages. Auch wenn innerhalb dieser Aufgabe ein gewisser Spielraum hinsichtlich der einzelnen Therapiemaßnahmen bestehe, solle wegen des Wirtschaftlichkeitsgebots stets die zur Erreichung des Behandlungszieles bestgeeignete und kostengünstigste Therapie angewendet und vergütet werden. Die hypothetischen Überlegungen des Klägers zu einer Veräußerung von Gerätschaften ließen außer Betracht, daß sich die Geräte nach wie vor in seiner Praxis befänden und durch das Verlangen von Privatzahlungen nur die Abrechnung über die KÄV umgangen werden solle. Ein Patient habe bei der Vorgehensweise des Klägers letztlich keine wirkliche Wahl zwischen wirtschaftlichen und weniger wirtschaftlichen Therapiemöglichkeiten, da er gegenüber einem Arzt unter dem Eindruck stehe, daß die teurere Behandlung auch die bessere sei. Die Forderung des LSG nach Vereinbarung einer privatärztlichen Behandlungsweise schon bei Behandlungsbeginn diene ähnlich wie bei Honorarvereinbarungen mit Angehörigen anderer freier Berufe dem Schutz vor mißbräuchlicher Auferlegung finanzieller Belastungen aufgrund von fachlicher Unkenntnis. Der Kläger übersehe, daß ein Vertragsarzt dem Vertragsarztrecht unterliege und sich mit der Zulassung der dem Gedanken der Solidargemeinschaft und dem EBM-Ä zugrundeliegenden Finanzierungsweise einer Mischkalkulation unterwerfe, die für die Summe der erbrachten Leistungen Kostendeckung biete. Für das Praktizieren einer „Rosinen-Theorie”, nach der vermeintlich zu gering vergütete Leistungen privat, sich lohnende Leistungen dagegen vertragsärztlich abgerechnet würden, sei kein Raum. Das Gesamtregelungssystem verstoße nicht gegen Verfassungsrecht, weil kein Arzt bestimmte Gerätschaften anschaffen müsse, deren Einsatz Behandlungserfolge nicht unbedingt schneller oder effektiver herbeiführe.
II
Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet. Zu Recht sind der Disziplinarausschuß der Beklagten und die Vorinstanzen davon ausgegangen, daß aufgrund seiner Verhaltensweise die Verhängung einer Disziplinarmaßnahme in Gestalt eines Verweises gerechtfertigt ist.
Rechtsgrundlage für die Entscheidung des Disziplinarausschusses der Beklagten sind § 3 Abs 8 und § 7 ihrer Satzung, die auf der Ermächtigungsgrundlage des § 81 Abs 5 SGB V (hier anzuwenden idF des Gesundheitsstrukturgesetzes ≪GSG≫ vom 21. Dezember 1992 ≪BGBl I 2266≫) beruhen. Nach § 81 Abs 5 Satz 1 SGB V müssen die Satzungen der KÄVen die Voraussetzungen und das Verfahren zur Verhängung von Maßnahmen gegen Mitglieder bestimmen, die ihre vertragsärztlichen Pflichten nicht oder nicht ordnungsgemäß erfüllen. Der Umfang dieser Befugnisse ergibt sich aus § 81 Abs 5 Satz 2 SGB V. Disziplinarmaßnahmen in diesem Sinne sind nach der Aufzählung des § 81 Abs 5 Satz 2 und 3 SGB V je nach der Schwere der Verfehlung Verwarnung, Verweis, Geldbuße bis 20.000 DM oder die Anordnung des Ruhens der Zulassung oder der vertragsärztlichen Beteiligung bis zu zwei Jahren. Der Senat geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, daß diese gesetzlichen Vorgaben für die Festsetzung von Disziplinarmaßnahmen ausreichen (vgl zuletzt BSG SozR 3-2500 § 81 Nr 6 S 22) und hält daran ungeachtet nunmehr teilweise geäußerter Bedenken (vgl Weimar, ZfS 2000, 257 ff), die bereits die zwischenzeitlich erfolgte Rechtsprechungsentwicklung nicht berücksichtigen, fest.
Der auf diese Regelungen gestützte Beschluß des Disziplinarausschusses ist rechtmäßig. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine disziplinarische Reaktion auf das Verhalten des Klägers als Vertragsarzt liegen vor und rechtfertigen den Ausspruch eines Verweises.
Der Kläger hat seine vertragsärztlichen Pflichten nicht bzw nicht ordnungsgemäß erfüllt iS von § 81 Abs 5 Satz 1 SGB V. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat er sich über mehrere Monate hinweg – von Juli 1995 bis Oktober 1995 – nachdrücklich geweigert, physikalisch-medizinische Leistungen der Krankenbehandlung im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung an Versicherte der GKV für diese ohne gesonderte Zahlungen zu erbringen. Er hat statt dessen rechtswidrig und pflichtwidrig von diesen dafür Geldzahlungen gefordert (und offenbar auch teilweise erhalten) und/oder diese auf vermeintliche Kostenerstattungsansprüche gegen ihre KK verwiesen, obwohl insoweit die Voraussetzungen erkennbar nicht vorlagen; bei fehlender Zahlungsbereitschaft hat er die entsprechende Leistungserbringung abgelehnt.
Die vom Kläger geäußerte Auffassung, die Forderung von Geldzahlungen sei berechtigt gewesen, weil die von ihm bei der Beklagten „abgemeldeten” physikalisch-medizinischen Leistungen nicht zum Leistungsumfang der GKV gehört hätten, geht fehl. Bei diesen Leistungen handelt es sich um ärztliche Krankenbehandlung iS von § 27 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB V, die nicht durch Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und KKn gemäß § 92 Abs 1, § 135 Abs 1 SGB V ausgeschlossen ist und deren Gewährung an Versicherte auch nicht generell das Wirtschaftlichkeitsgebot (vgl § 2 Abs 1 Satz 1, § 12, §70 Abs 1 Satz 2, § 72 Abs 2 SGB V) entgegensteht. Ärztliche Leistungen iS der genannten Vorschrift sind nicht nur die von einem Arzt selbst erbrachten Dienstleistungen, sondern auch Hilfeleistungen anderer Personen, die ein Arzt anordnet und von ihm verantwortet werden (§ 15 Abs 1 Satz 2 SGB V). Werden in diesem Zusammenhang zur Therapie von Krankheiten in den eigenen Praxisräumen technische Geräte, zB für Bestrahlungen uä, verwendet und – durch den Arzt überwacht – von eigenem Hilfspersonal erbracht, ist die Leistungserbringung regelmäßig nicht als (verordnetes) Heilmittel zu qualifizieren, sondern der ärztlichen Behandlung selbst zuzurechnen (so Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Entwurf eines Gesetzes zur Strukturreform im Gesundheitswesen ≪Gesundheits-Reformgesetz – GRG≫, BR-Drucks 200/88 S 171 zu § 28 Abs 1 des Entwurfs; ferner zB: Höfler in Kasseler Kommentar, § 15 SGB V RdNr 9; Mengert in Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Bd 1, § 15 SGB V RdNr 14 unter Hinweis auf Entscheidungen des Reichsversicherungsamts ≪RVA≫ und Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ≪BSG≫; BSGE 37, 130, 133 = SozR 2200 § 184 Nr 1; BSG SozR Nr 1 zu § 122 Reichsversicherungsordnung ≪RVO≫). Derartige Leistungen gehören gemäß § 73 Abs 2 Nr 1 SGB V zum Gegenstand der vertragsärztlichen Versorgung, zumal sie auch in Kapitel E des EBM-Ä in Nr 501 ff genannt sind (vgl auch § 2 Abs 1 Nr 12 BMV-Ä, § 2 Abs 1 Nr 12 EKV-Ä). Ebenso sind sie nicht im Katalog des § 3 Abs 2 BMV-Ä bzw des § 2 Abs 11 und 12 EKV-Ä als außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung stehend gekennzeichnet. Der Kläger besitzt ferner für die Erbringung derartiger Leistungen in seiner Praxis die notwendigen apparativen Voraussetzungen und die erforderliche fachliche Qualifikation. Schließlich können diese Leistungen auch Gegenstand der – im Falle des Klägers betroffenen – hausärztlichen Versorgung sein; denn sie sind nicht durch die Liste über in der hausärztlichen Versorgung nicht vergütungsfähige Leistungen, die auf § 6 Abs 2 des zwischen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KÄBV) und den Spitzenverbänden der KKn geschlossenen Vertrages über die hausärztliche Versorgung vom 6. September 1993 (DÄBl 1993 Heft 4) beruht, ausgeschlossen. Vor diesem rechtlichen Hintergrund erweist sich die vom Kläger vorgetragene Ansicht, physikalisch-medizinische Leistungen stellten ein gegenüber „herkömmlicher kostengünstiger Medikation” abzugrenzendes Spezifikum dar, sie seien „besonderer Natur” und für die auf Versorgung mit Arznei beschränkten Versicherten der GKV gar nicht vorgesehen, als unhaltbar. Angesichts des Umstandes, daß er entsprechende Leistungen langjährig in der Zeit bis Juli 1995 tatsächlich selbst in der vertragsärztlichen Versorgung erbracht und abgerechnet erhalten hat, kann sein diesbezüglicher Vortrag nur als zweckgerichtete Schutzbehauptung zur Vermeidung von Disziplinarmaßnahmen verstanden werden.
Der Kläger ist auch – im Gegensatz zu seinem Vortrag – bei seinem zunächst unmittelbar an die Versicherten gerichteten Zahlungsverlangen nicht unter Beachtung der Vorgaben der §§ 18 Abs 1 Nr 2 BMV-Ä, 21 Abs 1 Nr 2 EKV-Ä vorgegangen, so daß über diese Vorschriften keine Berechtigung zur privatärztlichen Behandlung bestand. Nach den Feststellungen des LSG haben die Versicherten nämlich – anders als in diesen Bestimmungen vorausgesetzt – nicht bereits „vor Beginn der Behandlung ausdrücklich verlangt”, auf eigene Kosten behandelt zu werden und dieses dem Kläger schriftlich bestätigt. Nach der in den Tatsacheninstanzen erfolgten Schilderung des Vorgehens durch ihn selbst ist nämlich das Zahlungsverlangen erst gestellt worden, nachdem die über das System der GKV abgerechnete ärztliche Behandlung (= körperliche Untersuchung) der Versicherten bereits begonnen und sich in diesem Rahmen die Notwendigkeit für die medizinische Notwendigkeit einer physikalischen Behandlungsmaßnahme ergeben hatte. Die gegenteiligen bzw relativierenden Ausführungen des Klägers im Revisionsverfahren sind ohne Belang, da die entsprechenden Tatsachenfeststellungen des LSG nicht mit zulässigen und begründeten Revisionsgründen angegriffen worden sind (vgl § 163 iVm § 160 Abs 1 Nr 3 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫).
Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang Versicherte dazu bestimmt und durch Verwendung seiner Vordrucke aktiv darin unterstützt hat, Kostenerstattungsbegehren an ihre KKn zu richten, widerspricht dies den Regelungen der § 2 Abs 2, § 13 Abs 1 SGB V. Im übrigen würde er selbst unter den Voraussetzungen des § 13 Abs 3 SGB V nur Kosten in Höhe der Vergütung liquidieren können, die die KK bei Erbringung als Naturalleistung zu tragen hätte (vgl BSGE 79, 125, 126 f = SozR 3-2500 § 13 Nr 11 S 51 f; SozR aaO Nr 17 S 79).
Die Ansicht des Klägers, berechtigt zu sein, vom Leistungskatalog der GKV umfaßte medizinisch-physikalische Leistungen aus finanziellen Gründen von seinem Leistungsangebot in der vertragsärztlichen Versorgung ausnehmen und den Versicherten statt dessen künftig nur noch im Wege der Privatbehandlung bzw im Kostenerstattungsverfahren anzubieten, ist unzutreffend. Sie beruht auf einer Verkennung des seit der Schaffung der GKV im Jahre 1883 im wesentlichen unverändert geltenden und für das System zentralen Sach- bzw Naturalleistungsprinzips (§ 2 SGB V) und der Funktion des insoweit der Leistungserbringung dienenden Kassenarztrechts. Das gesamte System der GKV ist, wie das BSG in ständiger Rechtsprechung betont hat und vom Gesetzgeber des SGB V anerkannt wird, vom Naturalleistungsprinzip geprägt und getragen; es stellt insoweit ein „grundsätzliches Strukturprinzip” dar (so Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und F.D.P. zum Entwurf eines GSG, BT-Drucks 12/3608 S 76 zu § 13 SGB V; vgl auch zB BSGE 69, 170, 173 = SozR 3-2200 § 321 Nr 1 S 4 f mwN; zur Bedeutung ferner zB Schulin in ders ≪Hrsg≫, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Bd 1, Krankenversicherungsrecht, 1994, § 3 RdNr 157 ff; § 6 RdNr 106 ff; Schmitt, ebenda, § 28 RdNr 1 ff, § 29 RdNr 2 ff; Noftz in Hauck, SGB V, K § 2 RdNr 78 ff und § 13 RdNr 16 ff; Engelmann, NZS 2000, 1, 5, jeweils mwN). Auch der einzelne Vertragsarzt hat bei der Umsetzung und Verwirklichung dieses Prinzips eine bestimmte, festgelegte Funktion.
Der Vertragsarzt übernimmt mit seiner Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung die Pflicht, an ihr unter Beachtung der dafür geltenden Vorgaben teilzunehmen. Gemäß § 95 Abs 3 SGB V bewirkt die Zulassung, daß er Mitglied der für seinen Vertragsarztsitz zuständigen KÄV wird und zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung berechtigt und verpflichtet ist (Satz 1 aaO), und daß die vertraglichen Bestimmungen über die vertragsärztliche Versorgung für ihn verbindlich sind (Satz 2 aaO). Der Inhalt der Teilnahmeverpflichtung wird vor allem durch § 73 Abs 2 SGB V konkretisiert, wonach die vertragsärztliche Versorgung ua die ärztliche Behandlung umfaßt, die wiederum mit einem entsprechenden umfassenden Leistungsanspruch des Versicherten korrespondiert (§ 11 iVm § 27 SGB V). Die ärztlichen Leistungen werden den Versicherten von den KKn zur Verfügung gestellt (§ 2 Abs 1 iVm § 1 Satz 3 SGB V), und zwar grundsätzlich als Naturalleistungen und nicht nur als Geldleistungen mit der Möglichkeit der (nachträglichen) Kostenerstattung (§ 2 Abs 2 Satz 1, § 13 Abs 1 SGB V). Da die KKn die Sach- und Dienstleistungen nicht selbst vorhalten, bedienen sie sich zu ihrer Erbringung dritter Personen und/oder Institutionen (Leistungserbringer). Über die Erbringung der Leistungen haben die KKn aufgrund der sog Leistungsverschaffungspflicht (vgl BSGE 69, 170, 173 = SozR 3-2200 § 321 Nr 1 S 4) Verträge mit den Leistungserbringern zu schließen (§ 2 Abs 2 Satz 2, §§ 69 ff SGB V). Nach der Konzeption des Gesetzes soll also – von besonders geregelten Ausnahmen abgesehen – den Versicherten der GKV die gesamte Krankenbehandlung als Sach- bzw Dienstleistung zur Verfügung gestellt werden (BSGE 81, 54, 59 = SozR 3-2500 § 135 Nr 4 S 14 f; BSGE 81, 73, 77 = SozR 3-2500 § 92 Nr 7 S 51). Die leistungserbringenden Ärzte erhalten die Vergütung für ihre Tätigkeit – vermittelt über die KÄVen – von den KKn als Leistungsträgern der GKV (§ 12 Erstes Buch Sozialgesetzbuch ≪SGB I≫), die für diesen Zweck wiederum Beiträge von Versicherten, Arbeitgebern und sonstigen Beitragspflichtigen erheben (§ 3 iVm §§ 220 ff, §§ 226 ff, §§ 249 ff SGB V). Die Pflicht der Krankenkassen zur Leistungserbringung in Natur und die Einbindung der Leistungserbringer in diese Aufgabe ist nicht bloßer Selbstzweck, sondern hat zum einen den Schutz der Versicherten vor mangelnder ärztlicher Versorgung infolge der damit eintretenden finanziellen Belastungen des einzelnen zum Ziel (so bereits BSG SozR 2200 § 182 Nr 74 S 132); zum anderen dient das Naturalleistungsprinzip der Sicherstellung einer wirtschaftlichen Versorgung mittels Einflußnahme auch der das System finanzierenden KKn auf die Ausgestaltung des Inhalts und insbesondere der Honorierung des Leistungsgeschehens (vgl zu diesem Aspekt besonders BSGE 53, 150, 155 = SozR 2200 § 222 Nr 1; BSGE 55, 188, 193 f = SozR 2200 § 257a Nr 10; BSGE 73, 271, 275 = SozR 3-2500 § 13 Nr 4 S 14; BSGE 81, 54, 59 f = SozR 3-2500 § 135 Nr 4 S 14 f; BSG MedR 1998, 230, 232 f; Schulin, aaO, § 6 RdNr 114; Noftz, aaO, K § 13 RdNr 16 f, 20).
Das gesetzlich und gesamtvertraglich austarierte, als Ergebnis eines langen historischen Prozesses geschaffene kollektivrechtliche System zur Befriedigung der individuellen Leistungsansprüche der Versicherten bringt es mit sich, daß Vertragsärzte – von hier nicht einschlägigen Sonderregelungen abgesehen – der Pflicht zur Behandlung der GKV-Versicherten, die grundsätzlich freie Arztwahl genießen (§ 76 Abs 1 SGB V), unterliegen. Da die KKn die Leistungen, die den Versicherten zustehen, diesen in Form von Dienst- und Sachleistungen der Leistungserbringer zur Verfügung stellen, widersprechen Zahlungen der Versicherten an die Leistungserbringer (auch, soweit sie darauf verwiesen werden, sich diese wiederum von ihrer KK erstatten zu lassen) – außerhalb der im SGB V geregelten Ausnahmen – dem gesetzlich vorgegebenen Naturalleistungssystem. Den Versicherten sollen finanzielle Aufwendungen vielmehr grundsätzlich nur in Gestalt der Sozialversicherungsbeiträge entstehen. Machen daher Leistungserbringer Behandlungsmaßnahmen von (zusätzlichen) Zahlungen der einzelnen Versicherten abhängig, so verstoßen sie gegen ein zentrales Prinzip der GKV und handeln der von ihnen mit ihrer Zulassung gemäß § 95 Abs 3 Satz 1 SGB V übernommenen Verpflichtung zuwider, die ärztlichen Leistungen gemäß den Bestimmungen über die vertragsärztliche Versorgung zu erbringen (vgl bereits BSGE 72, 238, 240 f = SozR 3-2500 § 15 Nr 3 S 26 für den Fall eines im Delegationsverfahren tätigen Diplom-Psychologen). Ein Versicherter, der von seinem behandelnden Arzt vor die vermeintlich „freie Wahl” zwischen der Inanspruchnahme einer kostenfreien „Kassenleistung” und einer Leistung gegen Privatzahlung gestellt wird, besitzt letztlich keine echte Entscheidungsfreiheit. Er befindet sich vielmehr in einer Zwangssituation; denn lehnt er die von dem sachkundigen Arzt seines Vertrauens angebotene und empfohlene vermeintlich „bessere” privatärztliche Leistung ab, läuft er Gefahr, den weiteren Zugang zu diesem Arzt seines Vertrauens zu verlieren. Darüber hinaus wird er – wie beim Unterbreiten solcher Behandlungsalternativen einkalkuliert ist – bereits um seiner Gesundheit willen typischerweise auf die angebotene privatärztliche Behandlung nicht verzichten wollen. Schon eine derartige Offerte des Vertragsarztes trägt daher die Gefahr einer faktischen Diskriminierung von Versicherten der GKV in sich und ist geeignet, das Naturalleistungsprinzip auszuhöhlen bzw zu umgehen. Ausnahmen von dem grundsätzlichen Verbot von (zusätzlichen) Zahlungen der Versicherten sind im SGB V nur in wenigen Fällen vorgesehen, so etwa für Teilbereiche der zahnärztlichen Versorgung (§§ 29 f SGB V), beim Erhalt verordneter Arzneimittel (§ 31 Abs 3 SGB V) oder bei Heilmitteln wie Massagen, Bäder und Krankengymnastik (§ 32 Abs 2 SGB V). Eine entsprechende Regelung für den hier betroffenen Bereich besteht dagegen nicht.
Die sich – wie dargestellt – schon aus der vertragsärztlichen Zulassung iVm dem Naturalleistungsprinzip (§ 95 Abs 3 iVm § 2 Abs 2, § 13 Abs 1 SGB V) ergebende Verpflichtung, die Versicherten grundsätzlich ohne gesonderte (Zu)zahlungen zu behandeln, ist zusätzlich in den Bundesmantelverträgen normiert. Nach § 13 Abs 6 Satz 1 BMV-Ä und § 13 Abs 4 Satz 1 EKV-Ä darf der Vertragsarzt die Behandlung eines Versicherten nur in begründeten Fällen ablehnen. Nach § 18 Abs 3 BMV-Ä und § 21 Abs 3 EKV-Ä darf für vertragsärztliche Leistungen vom Versicherten zudem grundsätzlich keine Zuzahlung gefordert werden; anderes gilt entsprechend den Vorgaben des § 32 Abs 2 Satz 2 SGB V nur für Massagen, Bäder und Krankengymnastik, soweit der Arzt diese als Teil seiner ärztlichen Behandlung erbringt. Bei den Bestimmungen des BMV-Ä und des EKV-Ä handelt es sich um sog Normverträge, die allgemein und damit insbesondere auch für den Vertragsarzt verbindlich sind (allgemein zu Normverträgen zuletzt BSG, Urteil vom 31. Januar 2001 – B 6 KA 24/00 R –, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). In ihnen werden gemäß § 82 Abs 1 Satz 1 iVm § 72 Abs 2 und § 82 Abs 2 Satz 2 iVm § 83 Abs 1 SGB V durch Vereinbarungen der KÄBV mit den Spitzenverbänden der KKn Vorgaben für die Durchführung der vertragsärztlichen Versorgung gemacht. Mißachtet ein Vertragsarzt deren Inhalt (zu deren Verbindlichkeit für ihn vgl auch § 95 Abs 3 Satz 2 SGB V), so verletzt er damit seine vertragsärztlichen Pflichten.
Aus der Verpflichtung des Vertragsarztes, den Versicherten der GKV die Leistungen grundsätzlich zuzahlungsfrei zu gewähren, folgt in Verbindung mit der Beschränkung, die Behandlung eines Versicherten nur in begründeten Fällen ablehnen zu dürfen (§ 13 Abs 6 BMV-Ä und § 13 Abs 4 EKV-Ä), daß finanzielle Aspekte wie die vermeintlich unzureichende Honorierung einer Einzelleistung im Vertragsarztrecht den Arzt nicht berechtigen, einem Versicherten gesetzlich vorgesehene Leistungen nur außerhalb des Systems der vertragsärztlichen Versorgung zukommen zu lassen oder gänzlich zu verweigern. Darauf kann es schon deshalb nicht ankommen, weil die Frage der kostendeckenden Honorierung für den einzelnen Arzt von einer Vielzahl von Faktoren abhängt, von denen einige von ihm selbst zu beeinflussen sind (zB die Kostenstruktur und der Standort seiner Praxis, die Qualität seines Dienstleistungsangebotes ua); daraus folgt, daß sich die Frage, ob für eine Leistung eine kostendeckende Vergütung zu erzielen ist, regelmäßig einer generellen Beantwortung entzieht, da es von individuell beeinflußbaren Faktoren abhängt, ob eine bestimmte Einzelleistung kostendeckend zu erbringen ist oder nicht. Dem Zuschnitt der vertragsärztlichen Vergütung insgesamt liegt eine „Mischkalkulation” zugrunde. Dieses bedeutet, daß es durchaus Leistungen geben kann, bei denen selbst für eine kostengünstig organisierte Praxis kein Gewinn zu erzielen ist. Entscheidend ist nämlich, daß der Vertragsarzt insgesamt Anspruch auf eine leistungsgerechte Teilhabe an der Gesamtvergütung hat, der in aller Regel dazu führt, daß das aus der vertragsärztlichen Tätigkeit erzielbare Einkommen Ärzten hinreichenden Anreiz bietet, an der vertragsärztlichen Versorgung mitzuwirken (vgl zum ganzen zB BSG SozR 5530 Allg Nr 1 S 5; BSGE 75, 187, 189 = SozR 3-2500 § 72 Nr 5 S 6 f; SozR 3-5533 Nr 763 Nr 1 S 5 f; SozR 3-5555 § 10 Nr 1 S 6; SozR 3-2500 § 85 Nr 30 S 228). Der einzelne Vertragsarzt ist nicht berechtigt, diese sich aus dem Gesamtsystem der vertragsärztlichen Versorgung einschließlich ihrer Finanzierungsweise ergebende Beschränkung durch gewillkürte Herauslösung einzelner Leistungen aus dem vertragsärztlichen Behandlungsangebot zu umgehen. Gründe für die Ablehnung einer Behandlung können sich allenfalls aus einer Störung des Vertrauensverhältnisses zwischen Arzt und Patient oder einer besonderen, durch Verweisung der Patienten an andere Vertragsärzte kompensierbaren Überlastungssituation des Vertragsarztes ergeben. Wollte man ein darüber hinausgehendes Ablehnungsrecht aus finanziellen Gesichtspunkten anerkennen, würde dies dem Vertragsarzt ermöglichen, die Erfüllung seiner Behandlungspflichten von Erwägungen zur Höhe der Vergütung abhängig zu machen, was mit dem Verbot des Verlangens von durch die Versicherten zu leistenden Zahlungen gerade unterbunden werden soll (gegen Ablehnungsbefugnis zB auch Krieger, MedR 1999, 519, 522 f; aA Wimmer, NZS 2000, 588, 589 f; Schiller/Steinhilper, MedR 2001, 29, 31 f). Ein Arzt, der die Vergütung im vertragsärztlichen Bereich teilweise oder generell für unzureichend hält, mag auf seine Zulassung verzichten und seine Dienstleistungen allein privatärztlich anbieten. Damit verlöre er allerdings auch die Begünstigungen, die mit dem Status eines Vertragsarztes verbunden sind. Nur die vertragsärztliche Zulassung ermöglicht nämlich den Zugang zu dem heute ca 87 % der Bevölkerung ausmachenden Kreis der GKV-Versicherten (vgl BSGE 86, 223, 229 = SozR 3-2500 § 138 Nr 1 S 7) als potentiellen Patienten und gewährt sichere, insolvenzgeschützte und – auf der Basis der statistischen Veröffentlichungen der KÄBV (vgl zB Grunddaten zur vertragsärztlichen Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland, 1999, Tabelle D 9) – auch auskömmliche Einnahmen von öffentlich-rechtlichen Institutionen als Schuldnern. Solange ein Arzt aber an seiner Zulassung als Vertragsarzt festhält, kann es keinem Zweifel unterliegen, daß er auch die mit den Vorteilen der Einbindung in das Sondersystem korrespondierenden Verpflichtungen, vor allem die ihm obliegende Behandlungspflicht, in systemkonformer Weise zu erfüllen hat.
Der in diesem Zusammenhang bisweilen anzutreffende Einwand, aufgrund der seit 1993 durch das GSG eingeführten zahlreichen neuen Regelungen zur Ausgabenbegrenzung im Gesundheitswesen sei eine Neubewertung des Systems geboten, nach der es dem Vertragsarzt gestattet sein müsse, Behandlungen bei unzureichender Honorierung abzulehnen, ist unzutreffend. Ungeachtet dessen, daß nach den erwähnten statistischen Daten zu unterstellen ist, daß vertragsärztliche Tätigkeit insgesamt nach wie vor nicht unzureichend niedrig honoriert wird, haben die Neuregelungen das Naturalleistungssystem nicht in Frage gestellt. Der Vertragsarzt ist nach wie vor nicht berechtigt, Behandlungen aus finanziellen Gründen zu verweigern, weil eine Rechtsänderung im SGB V oder im begleitenden untergesetzlichen Recht insoweit nicht eingetreten ist. Sogar die Partner der Bundesmantelverträge, also auch die den Interessen der Vertragsärzte verpflichtete KÄBV, haben ausdrücklich daran festgehalten. Sie haben nämlich zB im Zusammenhang mit der Einführung der Praxisbudgets zum 1. Juli 1997 bestimmt, daß das Überschreiten der Budgetgrenzen nicht zur privaten Abrechnung notwendiger GKV-Leistungen berechtigt (s DÄ 1997, A-403, 404 = C-314, 315 unter 2.).
Eine Befugnis des Vertragsarztes, nach Maßgabe der erzielbaren Einnahmen Behandlungen zu übernehmen oder abzulehnen, ergibt sich auch nicht aus dem Senatsurteil vom 17. September 1997 (BSGE 81, 86 = SozR 3-2500 § 87 Nr 18). Die Aussage, der Arzt dürfe sich daran orientieren, ob die Leistungen unter Berücksichtigung der anfallenden Kosten und der erzielbaren Einnahmen wirtschaftlich erbracht werden können (BSGE aaO S 93 = SozR aaO S 89), steht dort im Zusammenhang mit der in diesem Urteil entschiedenen Rückwirkungsproblematik. Mit dieser Passage ist lediglich dargelegt worden, daß die Ausgestaltung der EBM-Ä-Regelungen Bedeutung für die Dispositionen des Vertragsarztes hat, der – jedenfalls in gewissen Grenzen – daran das Leistungsangebot seiner Praxis ausrichten kann. Indessen hat der Senat nicht ausgesprochen, daß der Vertragsarzt aus wirtschaftlichen Erwägungen Behandlungen bei GKV-Versicherten ablehnen dürfte.
Der Argumentation des Klägers ist im übrigen entgegenzuhalten, daß ein wertungsmäßiger Unterschied besteht, ob ein Arzt bestimmte Gerätschaften für die Erbringung medizinisch-physikalischer Leistungen in seinen Praxisräumen vorhält und diese nur zur privatärztlichen Behandlung anbieten will oder ob er über solche Gerätschaften von vornherein gar nicht verfügt (und sie dann ggf zur Leistungserbringung durch Dritte verordnet oder Überweisungsscheine erstellt). Jedenfalls haben Versicherte der GKV – unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots nach § 12 Abs 1 SGB V – gemäß § 2 Abs 1 Satz 3 SGB V Anspruch darauf, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechend und unter Berücksichtigung des medizinischen Fortschrittes ärztlich behandelt zu werden. An der Erfüllung dieses Anspruches hat der Kläger kraft seiner Stellung als Vertragsarzt mitzuwirken und den sich daraus ergebenden Anforderungen mit seiner Behandlung im Rahmen der von ihm gewählten hausärztlichen Versorgung unter Beachtung seiner persönlichen Qualifikation und seiner materiellen Praxisausstattung zu entsprechen. Abgesehen davon, daß sein Hinweis darauf, Gerätschaften auch verkaufen zu können, ohne deswegen disziplinarischen Maßnahmen ausgesetzt zu sein, rein theoretischer Natur ist, übersieht der Kläger, daß auch derartigem Vorgehen wegen des Sicherstellungsauftrages der KÄVen, in den der einzelne Vertragsarzt eingebunden ist (vgl §§ 70 Abs 1, 72 Abs 1 Satz 1, 75 Abs 1 SGB V), Grenzen gesetzt sind. Die KÄVen haben die Vertragsärzte ggf mit dem Mittel des Disziplinarrechts nach § 81 Abs 5 SGB V dazu anzuhalten, sich der Mitwirkung an der vertragsärztlichen Versorgung nicht ohne sachlichen Grund – auch nicht in Teilbereichen – zu entziehen; im Extremfall führt die Verweigerung der vertragsärztlichen Versorgung durch Vertragsärzte dazu, daß der Sicherstellungsauftrag nach § 72a SGB V auf die Krankenkassen übergeht. Vor diesem Hintergrund war die Beklagte verpflichtet, gegen die willkürliche, allein auf finanzielle Erwägungen gegründete Ausgliederung tatsächlich vorhandener Gerätschaften, mit denen der Art nach systemkonform Leistungen erbracht werden können und dürfen, aus der vertragsärztlichen Versorgung, die Beschränkung solcher Leistungen auf den privatärztlichen Bereich und die damit verbundene faktische Diskriminierung von Versicherten der GKV durch den Kläger einzuschreiten.
Dem Kläger kann schließlich nicht darin gefolgt werden, daß ihm kein Verschulden hinsichtlich des Pflichtverstoßes anzulasten sei, weil seine Auffassung derjenigen der KÄV Hessen und derjenigen von Autoren in der Fachliteratur entspreche. Seine Auffassung, er müsse seine Rechtsansicht zunächst einmal durch die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit überprüfen lassen können, entbehrt einer rechtlichen Grundlage. Der Umstand, daß ein vertragsärztlicher Pflichtverstoß begangen wurde, verliert nicht dadurch an Gewicht, daß der Betroffene in Unkenntnis war oder sich in einem Irrtum über die Rechtslage befand bzw daß zur Zulässigkeit einer konkreten Verhaltensweise noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung vorlag. Zum einen erfolgten die Veröffentlichungen, auf die sich der Kläger in der Revision konkret bezieht, erst in den Jahren 1999 und 2000, während das hier zu beurteilende Verhalten bereits in die Jahre 1994/1995 fällt. Hier ist der Kläger darüber hinaus sogar von der für ihn zuständigen beklagten KÄV selbst mehrfach und auf nachdrückliche Weise in umfangreicher Korrespondenz seit Oktober 1994 auf die Rechtswidrigkeit seines Vorhabens und Vorgehens hingewiesen worden. Angesichts des Umstandes, daß er mit seinem Handeln bewußt und provokativ in der Vergangenheit von ihm selbst befolgte elementare Grundsätze des Systems der GKV in Frage stellte, mußte dem Kläger auch als sozialrechtlichem Laien ohne weiteres klar sein, daß die Rechtslage keineswegs zu seinen Gunsten eindeutig war, selbst wenn juristische und ärztepolitische Vertreter seiner Interessen ihn in seiner Ansicht bestärkt haben sollten. Allein schon das Bestehen gegensätzlicher Auffassungen und das Wissen um das Fehlen einer höchstrichterlichen Klärung mußte dem gleichwohl ausschließlich seine Interessen verfolgenden Kläger vor Augen führen, daß er zumindest dem Risiko unterlag, pflichtwidrig zu handeln und der Gefahr von Disziplinarmaßnahmen ausgesetzt zu sein bzw gar mit einer Entziehung seiner Zulassung wegen gröblicher Pflichtverletzung (§ 95 Abs 6 SGB V) belegt zu werden. Ihm ist ergänzend anzulasten, entgegen dem die Leistungserbringer mit einschließenden Gebot des Zusammenwirkens bei der Leistungserbringung (vgl § 2 Abs 4, § 70 Abs 2, § 72 Abs 1 Satz 1 SGB V) nicht zunächst versucht zu haben, die Richtigkeit seiner Position im Vorfeld von geplanten Aktivitäten und in Kooperation mit Leistungsträgern und KÄV klären zu lassen; er hat statt dessen allein aus eigennützigen Motiven – dann aber auch konsequent auf eigenes Risiko hin – einen von ihm persönlich initiierten atypischen Weg der Durchsetzung seiner Interessen beschritten und dabei Versicherte der GKV finanziell unter Druck gesetzt und gegen ihre KKn instrumentalisiert. Bei einer derartigen Vorgehensweise mußte sich das Vorliegen eines Pflichtverstoßes jedem an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Arzt ohne weiteres aufdrängen.
Die im Revisionsverfahren nicht gesondert angegriffene Auswahl des Verweises als in Betracht kommendes Disziplinarmittel ist mit der Beklagten und den Vorinstanzen in bezug auf Rechte des Klägers nicht als ermessensfehlerhaft zu werten. Die Beklagte hat sich insoweit in nicht zu beanstandender Weise davon leiten lassen, daß dem Kläger bereits einmal eine Verwarnung wegen unrichtiger Abrechnung erteilt worden war, daß sein Verhalten erhebliche Außenwirkungen gegenüber den KKn hatte, und daß er trotz mehrfachen Hinweises auf die Rechtswidrigkeit seines Handelns beharrlich an der Umsetzung seines Vorhabens festgehalten hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und 4 SGG.
Fundstellen
ArztR 2002, 23 |
MedR 2002, 47 |