Entscheidungsstichwort (Thema)
Übergangsrecht. ehemalige DDR. NVA-Soldat. Wehrdienstunfall. Wehrdienstbeschädigung. Unfallteilrente. Eingliederung. Fremdrentenrecht. Rentenüberleitung. Stichtag. Härteausgleich
Leitsatz (amtlich)
Ein ehemaliger Wehrpflichtiger der Nationalen Volksarmee, der in Ausübung seines Wehrdienstes einen Unfall erlitten, deshalb Unfallrente vom Freien Deutschen Gewerkschaftsbund erhalten hat, vor dem 19.5.1990 in die Bundesrepublik Deutschland übergesiedelt ist und vor dem 31.12.1991 einen Eingliederungsantrag gestellt hat, kann Entschädigung jedenfalls nicht aus der gesetzlichen Unfallversicherung beanspruchen.
Orientierungssatz
Der Senat hat bereits in seiner Entscheidung vom 25.10.1989 - 2 RU 40/86 = HVBG-INFO 1990, 314 in Übereinstimmung mit der Auffassung des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung (BMA) zum Ausdruck gebracht, daß es im Hinblick auf den Grundgedanken des § 82 Abs 2 BVG als eine besondere Härte iS des § 89 Abs 1 BVG angesehen werden muß, ehemalige Angehörige der NVA allein wegen ihrer fehlenden Vertriebeneneigenschaft von der Versorgung auszuschließen, ehemaligen Wehrpflichtigen vielmehr bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen Versorgungsleistungen zu gewähren sind.
Normenkette
RVO § 1150 Abs. 2, § 541 Nr. 2; FRG § 5 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 S. 1, Abs. 2, § 7; BVG § 89 Abs. 1, § 82 Abs. 2; WWSUG Art 24 § 1 Abs. 2 S. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Streitig ist, ob der Kläger Entschädigung wegen eines Unfalls verlangen kann, den er im Februar 1974 während seines Dienstes als Wehrpflichtiger der Nationalen Volksarmee (NVA) der ehemaligen DDR erlitten hat.
Wegen der Folgen dieses Unfalls (Medianusläsion der rechten Hand) wurde ihm vom Freien Deutschen Gewerkschaftsbund (FDGB) eine Unfallteilrente ab 28. September 1974 nach einem Körperschaden von 30 vH und durch Änderungsbescheid vom 27. September 1988 ab 1. Juni 1988 von 40 vH bewilligt. Die Zahlung der Rente wurde zum 30. Juni 1989 eingestellt, nachdem der Kläger am 7. Juni 1989 in das damalige Gebiet der Bundesrepublik Deutschland übergesiedelt war.
Am 3. Juli 1989 bat der Kläger den Bundesminister der Verteidigung (BMVtdg) um Mitteilung, ob ihm auch in der Bundesrepublik Anspruch auf Unfallrente zustehe. Die Versorgungsverwaltung, an die das Schreiben weitergeleitet wurde, zog Unterlagen des FDGB sowie der NVA bei und holte ein versorgungsärztliches Gutachten ein, in dem die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) für die noch bestehenden Unfallfolgen auf 20 vH geschätzt wurde. Nachdem das Versorgungsamt K. den Kläger persönlich zu dem Unfallhergang angehört und erfolglos versucht hatte, Unterlagen über den Lazarettaufenthalt beizuziehen, stellte es durch Bescheid vom 18. August 1992 fest, der Kläger habe keinen Anspruch auf Versorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG). Zwar könne bei einer Schädigung durch eine Dienstleistung in Erfüllung des gesetzlichen Wehrdienstes in der NVA nach § 89 BVG Härteausgleich gewährt werden. Angesichts der widersprüchlichen Angaben des Klägers hinsichtlich des Unfallhergangs und des Fehlens von Unterlagen der NVA sei es jedoch nicht erwiesen, daß er die Schädigung tatsächlich in Ausübung des militärischen Dienstes erlitten habe. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid des Landesversorgungsamtes Nordrhein-Westfalen vom 18. Januar 1993).
Das Sozialgericht Köln (SG) hat die Beigeladene zu 1), die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch die Bundesausführungsbehörde für Unfallversicherung, verurteilt, dem Kläger für die Zeit seit dem 1. Januar 1992 Verletztenrente nach einem Grad der MdE um 40 vH zu gewähren (Urteil vom 12. November 1996). Mangels Nachweises eines schädigenden Ereignisses iS des § 1 Abs 1 BVG habe der Kläger zwar keinen Anspruch gegen das beklagte Land auf Versorgung im Wege des Härteausgleichs. Im Beitrittsgebiet vor dem 1. Januar 1992 festgestellte Arbeitsunfälle seien aber nach Maßgabe des § 1150 Abs 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) in die gesetzliche Unfallversicherung mit dem zugrunde gelegten Grad des Körperschadens als MdE zu übernehmen und weiterhin zu entschädigen.
Auf die Berufung der Beigeladenen zu 1) hat das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG) unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils und Zurückweisung der weitergehenden Anträge der Beteiligten die Beigeladene zu 2), die Maschinenbau- und Metall-Berufsgenossenschaft, verurteilt, dem Kläger ab 1. Januar 1992 Verletztenrente nach einer MdE um 40 vH zu leisten (Urteil vom 11. November 1998). Zwar habe der Kläger Anspruch auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung, zur Leistung verpflichtet sei jedoch die Beigeladene zu 2). Die Voraussetzungen für die Gewährung von Versorgung im Wege des Härteausgleichs seien nicht gegeben, weil dem Kläger die in der ehemaligen DDR geleistete Unfallrente weiterzuzahlen sei; die für die Gewährung von - gegenüber dem Anspruch aus der gesetzlichen Unfallversicherung subsidiärem - Härteausgleich erforderliche Unbilligkeit liege daher nicht vor. Der zuletzt durch den Änderungsbescheid des FDGB vom 27. September 1988 begründete Anspruch des Klägers auf Unfallteilrente nach einer MdE um 40 vH bestehe weiter, da der Bescheid weder wirksam aufgehoben, abgeändert noch anderweitig erloschen sei. Vor dem 3. Oktober 1990 ergangene Verwaltungsakte der DDR - wie der Bescheid des FDGB vom 27. September 1988 - blieben gemäß Art 19 Satz 1 und 3 des Einigungsvertrages (EinigVtr) vom 31. August 1990 (BGBl II 885) wirksam und iS des § 77 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) bindend. Der Änderungsbescheid vom 27. September 1988 sei weder nach den hierfür ab 1. Januar 1991 geltenden Vorschriften des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) noch den bis dahin gültigen Vorschriften des DDR-Rechts wirksam aufgehoben worden. Die bloße Zahlungseinstellung reiche hierfür nicht aus, da auch nach den einschlägigen Vorschriften des DDR-Rechts ein Bescheid erforderlich gewesen wäre. Durch die Entlassung des Klägers aus der Staatsbürgerschaft der DDR sei sein Leistungsanspruch ebenfalls nicht erloschen.
Die auf den weiterbestehenden Anspruch des Klägers zu gewährenden Leistungen seien entsprechend den durch das Gesetz zur Herstellung der Rechtseinheit in der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung (Rentenüberleitungsgesetz ≪RÜG≫) vom 25. Juli 1991 (BGBl I 1606) eingefügten Vorschriften der §§ 1148 ff RVO von der Beigeladenen zu 2) zu erbringen. Durch die Regelung des § 1150 RVO solle die Übernahme aller bereits eingetretenen Unfälle und Krankheiten, die nach dem Recht des Beitrittsgebiets versichert gewesen seien, in die gesetzliche Unfallversicherung nach dem Dritten Buch der RVO gewährleistet werden, auch wenn es sich dabei nicht um Arbeitsunfälle oder Berufskrankheiten iS der RVO handele.
Der Ausnahmefall des § 1150 Abs 2 Satz 2 Nr 1 RVO liege hier nicht vor, da der Kläger im Hinblick auf § 16 Abs 2 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I) seinen Antrag bereits im Juli 1989 durch seine Anfrage bei dem BMVtdg wirksam gestellt habe. Der Ausnahmefall des § 1150 Abs 2 Satz 2 Nr 2 RVO liege ebenfalls nicht vor, da eine Anerkennung nach dem Fremdrentengesetz (FRG) nicht in Betracht komme. Da der Kläger versicherungsfrei gewesen wäre, wenn er im Jahre 1974 als Wehrpflichtiger in der Bundesrepublik einen Unfall erlitten hätte, und er sich gegen Unfälle dieser Art auch nicht freiwillig hätte versichern können, wäre der Unfall nicht als Arbeitsunfall nach bundesrechtlichen Vorschriften zu entschädigen gewesen. Der vom FDGB im Bescheid vom 27. September 1988 zugrunde gelegte Körperschaden von 40 vH gelte als MdE iS der RVO, der Leistungsbeginn - 1. Januar 1992 - folge aus § 1156 Abs 1 RVO. Die Zuständigkeit der Beigeladenen zu 2) als der zur Leistung verpflichteten Berufsgenossenschaft ergebe sich aus § 1159 RVO iVm Anlage 1 Kap VIII J III Nr 1c Abs 8 Nr 2 EinigVtr.
Mit ihrer - vom LSG zugelassenen - Revision trägt die Beigeladene zu 2) vor, die dem Kläger vom FDGB gezahlte Unfallrente sei nicht von den Trägern der gesetzlichen Unfallversicherung zu übernehmen, da sich der Kläger am 18. Mai 1990 gewöhnlich im damaligen Bundesgebiet aufgehalten und sein Eingliederungsbegehren vor dem Inkrafttreten des RÜG zu einer Zeit geltend gemacht habe, als für Übersiedler aus der DDR noch uneingeschränkt Fremdrentenrecht gegolten habe. Allerdings könne die Eingliederung des Klägers als eines ehemaligen NVA-Soldaten auch nicht über das FRG durch Entschädigung aus der gesetzlichen Unfallversicherung erfolgen, da nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG; Hinweis auf Urteile des Senats vom 25. Oktober 1989 - 2 RU 40/86 - und vom 17. Oktober 1990 - 2 RU 63/89 -) beim Zusammentreffen von Unfall- und Versorgungsansprüchen aus demselben Sachverhalt die Versorgung als Sondersystem gegenüber der Unfallversicherung vorrangig sei und demnach die Eingliederung von ehemaligen Angehörigen der NVA, die in Erfüllung der gesetzlichen Wehrpflicht eine gesundheitliche Schädigung erlitten hätten, vorrangig im sozialen Entschädigungsrecht im Wege des Härteausgleichs nach § 82 Abs 2 iVm § 89 Abs 1 BVG zu erfolgen habe.
Die Beigeladene zu 2) beantragt,
das Urteil des LSG vom 11. November 1998 aufzuheben und die Berufung der Beigeladenen zu 1) zurückzuweisen, hilfsweise, den Beklagten unter Abänderung des angefochtenen Urteils zur Leistung von Rente zu verurteilen, hilfsweise, die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision der Beigeladenen zu 2) zurückzuweisen, hilfsweise, das angefochtene Urteil des LSG abzuändern und die Berufung der Beigeladenen zu 1) zurückzuweisen, äußerst hilfsweise, den Beklagten unter Abänderung der Urteile des LSG vom 11. November 1998 und des SG vom 12. November 1996 nach Maßgabe des Klageantrags zu verurteilen.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er trägt vor, entgegen der Ansicht der Beigeladenen zu 2) sei der Ausnahmetatbestand des § 1150 Abs 2 Satz 2 Nr 2 RVO hier nicht gegeben, da es jedenfalls im weiteren Verlauf des am 1. Januar 1992 noch nicht abgeschlossenen Anerkennungsverfahrens nicht zu einer auf die Zeit vor diesem Zeitpunkt rückwirkenden Anerkennung nach dem FRG kommen werde, weil die Versorgung gegenüber den Regelungen des FRG vorrangig sei.
Die Beigeladene zu 1) beantragt,
die Revision zurückzuweisen, hilfsweise, den Beklagten zur Leistung von Rente zu verurteilen, weiter hilfsweise, die Klage abzuweisen.
Sie trägt vor, die Bindungswirkung des Art 19 EinigVtr für Unfall-Rentenbescheide umfasse nur solche Personen, die am 18. Mai 1990 ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Beitrittsgebiet gehabt hätten. Für Versicherte, die vor diesem Zeitpunkt ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in die alten Bundesländer verlegt hätten, gelte ausschließlich das FRG. Nach der maßgeblichen seinerzeitigen Staats- und Verwaltungspraxis der ehemaligen DDR hätten die (rentenbewilligenden) Verwaltungsakte bei "Republikflüchtigen" ohne Aufhebungsbescheid als erledigt gegolten und sei die Rentenzahlung eingestellt worden. Nach dem FRG komme ihre Leistungspflicht aufgrund des § 541 Abs 1 Nr 2 RVO nicht in Betracht, weil der Kläger als Wehrpflichtiger in der Bundesrepublik versicherungsfrei gewesen wäre und sich auch nicht freiwillig hätte versichern können. Der Kläger sei daher nach dem Grundsatz der Gleichbehandlung mit Wehrpflichtigen der Bundeswehr vorrangig nach der Härteausgleichsregelung des BVG zu entschädigen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil gemäß § 124 Abs 2 SGG einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beigeladenen zu 2) ist begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung wegen der Folgen seines Unfalls vom Februar 1974. Ob dem Kläger deshalb Entschädigung in Form von - vom Beklagten zu gewährenden - Versorgungsleistungen zusteht, kann der Senat nicht entscheiden.
Die dem Kläger vom FDGB bewilligte und bis Juni 1989 gezahlte Unfallteilrente ist nicht von einem Träger der gesetzlichen Unfallversicherung zu übernehmen; auch aus dem FRG ergibt sich für ihn kein Anspruch auf Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung. Eine Entschädigung für den in der ehemaligen DDR erlittenen Unfall bei der NVA kommt hier nur im Rahmen des Versorgungsrechts in Betracht.
Bis zum Inkrafttreten des RÜG am 1. Januar 1992 war gemäß Art 24 § 1 Abs 2 Satz 1 des Gesetzes zu dem Vertrag vom 18. Mai 1990 über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik (WWSUVtrG) vom 25. Juni 1990 (BGBl II 518) das für Übersiedler aus der DDR seit Jahrzehnten geltende Fremdrentenrecht auf bis zum 18. Mai 1990 im Zuständigkeitsbereich eines Trägers der gesetzlichen Unfallversicherung im Gebiet der DDR eingetretene Arbeitsunfälle weiterhin anzuwenden, wenn der Verletzte zu diesem Datum seinen gewöhnlichen Aufenthalt im (Alt-)Bundesgebiet hatte; für Übersiedler, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt erst nach diesem Zeitpunkt in das Gebiet der Bundesrepublik (Gebietsstand vor dem 3. Oktober 1990) verlegten, galt das Fremdrentenrecht nicht mehr. Da sich der Unfall des Klägers nach den gemäß § 163 SGG bindenden Feststellungen des LSG bereits im Jahre 1974 ereignet hatte und der Kläger seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Juni 1989 im (Alt-)Bundesgebiet genommen und bis zum Stichtag 18. Mai 1990 beibehalten hatte, galt für ihn das Fremdrentenrecht, war er also ohne Einschränkungen in das Arbeits- und Sozialsystem der alten Länder der Bundesrepublik einzugliedern.
Durch das am 1. Januar 1992 in Kraft getretene RÜG wurde eine endgültige Begrenzung des berechtigten Personenkreises für FRG-Leistungen aus dem Kreis der Übersiedler aus der ehemaligen DDR in die Bundesrepublik getroffen. In dem durch dieses Gesetz in die RVO eingefügten § 1150 Abs 2 wurde die Konkurrenz von Fremdrentenansprüchen mit Ansprüchen nach dem Unfallversicherungsrecht der DDR neu geregelt. Danach gelten zwar Unfälle und Krankheiten, die vor dem 1. Januar 1992 eingetreten sind und die nach dem im Beitrittsgebiet geltenden Recht Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten der Sozialversicherung waren, als Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten iS des 3. Buches der RVO (Abs 2 Satz 1 aaO). Diese Grundregel wird indes durch § 1150 Abs 2 Satz 2 Nr 2 RVO eingeschränkt. Sie gilt danach nicht für Unfälle und Krankheiten, die mit Wirkung für die Zeit vor dem 1. Januar 1992 als Arbeitsunfälle oder Berufskrankheiten nach dem FRG anerkannt worden sind, es sei denn, der Verletzte hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt vor dem 1. Januar 1992 in das Beitrittsgebiet verlegt. Aus dieser Einschränkung, insbesondere der Verknüpfung mit Halbsatz 2 in Nr 2 aaO ist der Grundgedanke zu entnehmen, daß jedenfalls dann, wenn der Berechtigte seinen vor dem 19. Mai 1990 aus der DDR ins (Alt-)Bundesgebiet verlegten gewöhnlichen Aufenthalt dort auch bis zum 31. Dezember 1991 beibehalten hat, seine Ansprüche nach dem Recht des Gebiets fortbestehen sollen, in das der Betreffende vor dem Inkrafttreten des RÜG eingegliedert bzw - wie hier - aufgrund seines fristgerecht gestellten Eingliederungsantrages noch einzugliedern war. Maßgebend ist nicht der Entscheidungserfolg bereits vor dem Stichtag, sondern das rechtzeitige Ingangsetzen des auf Eingliederung gerichteten Verfahrens (vgl Senatsbeschluß vom 21. Januar 1997 - 2 BU 267/96 - = HVBG-Info 1997, 974; BSGE 78, 265, 269 f = SozR 3-5050 § 5 Nr 2; Hessisches LSG Urteil vom 9. Juli 1998 - L 5 V 382/93 - = HVBG-Info 1999, 1720; Raschke in Schulin, HS-UV, § 72 RdNr 262). Hierdurch werden die originären Ansprüche nach dem Sozialversicherungsrecht der DDR endgültig verdrängt.
Der Kläger hat seinen Leistungsantrag - und damit sein Eingliederungsbegehren - nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) bereits im Juli 1989, also vor dem Stichtag, beim BMVtdg gestellt; daß es sich dabei um die unzuständige Stelle handelte, ist gemäß § 16 Abs 2 SGB I für die Fristwahrung unschädlich (vgl BSGE 78, 265, 270 = SozR 3-5050 § 5 Nr 2). Er war mithin allein nach den Regelungen des Fremdrentenrechts bzw den sonstigen hierfür geltenden Regelungen in das Arbeits- und Sozialsystem der Bundesrepublik einzugliedern.
Ein Anspruch nach dem FRG steht dem Kläger allerdings nicht zu. Gemäß § 5 Abs 1 Nr 1 iVm Abs 4 Satz 1 FRG wird nach den für die gesetzliche Unfallversicherung maßgebenden bundesrechtlichen Vorschriften auch ein außerhalb des Bundesgebiets eingetretener Arbeitsunfall entschädigt, wenn der Verletzte im Zeitpunkt des Unfalls bei einem deutschen Träger der gesetzlichen Unfallversicherung versichert war. Diese Voraussetzungen liegen zwar grundsätzlich vor, da sich der Unfall des Klägers nach den Feststellungen des LSG außerhalb des Bundesgebiets nach dem Gebietsstand vor dem 3. Oktober 1990 ereignet hat, und der Kläger als Wehrpflichtiger der NVA nach dem Recht der DDR bei dem FDGB, einem deutschen Unfallversicherungsträger im Sinne der Vorschrift (BSGE 78, 265, 268 = SozR 3-5050 § 5 Nr 2), gegen Arbeitsunfall versichert war. Daß der Kläger nicht zu dem in § 1 Buchst a bis d FRG genannten Personenkreis (vor allem der Vertriebenen) gehört, ist unschädlich (§ 5 Abs 4 Satz 1 FRG).
Jedoch gelten Unfälle, gegen die der Verletzte an dem für das anzuwendende Recht maßgeblichen Ort (§ 7 FRG) nicht versichert gewesen wäre, nach § 5 Abs 2 FRG nicht als Arbeitsunfälle iS des § 5 Abs 1 FRG, es sei denn, der Verletzte hätte sich an diesem Ort gegen Unfälle dieser Art freiwillig versichern können. § 7 FRG schreibt ua vor, daß für die Voraussetzungen der Leistungen im übrigen diejenigen Vorschriften der gesetzlichen Unfallversicherung gelten, die anzuwenden wären, wenn sich der Unfall dort, wo sich der Berechtigte zur Zeit der Anmeldung des Anspruchs gewöhnlich aufhält, ereignet hätte. Hätte sich der Unfall aber in der (Alt-)Bundesrepublik, in der sich der Kläger zur Zeit seines Leistungsantrags aufhielt, ereignet, so wäre die geltend gemachte gesundheitliche Schädigung bei Nachweis der vorgetragenen Tatsachen eine Wehrdienstbeschädigung iS des § 81 des Soldatenversorgungsgesetzes (SVG) gewesen, für die nach § 80 SVG Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BVG gewährt wird. Die Gewährleistung von Versorgung hätte nach § 541 Nr 2 RVO zur Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Unfallversicherung geführt, ohne daß der Kläger sich als Soldat gegen Unfälle dieser Art freiwillig hätte versichern können.
Nach der Rechtsprechung des Senats sind daher ehemalige Soldaten der NVA, die in Erfüllung der gesetzlichen Wehrpflicht eine gesundheitliche Schädigung erlitten haben, von einer Eingliederung in das Arbeits- und Sozialgefüge der Bundesrepublik Deutschland nach dem Fremdrentenrecht ausgeschlossen; die Eingliederung hat vielmehr vorrangig im sozialen Entschädigungsrecht zu erfolgen (Senatsurteile vom 25. Oktober 1989 - 2 RU 40/86- = HV-Info 1990, 314 und vom 17. Oktober 1990 - 2 RU 63/89 - = SozR 3-2200 § 541 Nr 2). An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest. Er weicht damit nicht von der Entscheidung des 9. Senats des BSG vom 18. Juni 1996 - 9 RV 6/94 - = BSGE 78, 265 = SozR 3-5050 § 5 Nr 2 ab, da es dort um einen ehemaligen Soldaten der NVA ging, der freiwilligen Wehrdienst leistete. Der 9. Senat hat in dieser Entscheidung im übrigen selbst erklärt, er weiche von der Entscheidung des Senats vom 25. Oktober 1989 (aaO) nicht ab. Die vom 9. Senat aufgeführten Gründe für seine vom Senat abweichende Ansicht sind im übrigen nicht geeignet, den Senat von seiner in dieser Entscheidung dargelegten Auffassung abzubringen. Der 9. Senat lehnt diese, jedenfalls im Hinblick auf freiwillig Wehrdienst leistende NVA-Soldaten, im wesentlichen mit der Begründung ab, damit werde nicht nur - wie von § 5 Abs 2 iVm § 7 FRG vorgeschrieben - der Unfallort in das Gebiet der Bundesrepublik verlegt und gefragt, ob der Verletzte nach dem hier geltenden Recht wegen des Unfalls versichert gewesen wäre, sondern darüber hinaus würde aus dem Soldaten der NVA ein Soldat der Bundeswehr; eine solche Änderung des Sachverhalts, die NVA-Soldaten generell von einer Eingliederung ausschlösse, lasse das FRG nicht zu (BSGE 78, 265, 268 = SozR 3 aaO). Dabei wird übersehen, daß zum einen auch die Vorschriften über die Versicherungspflicht und damit auch § 5 Abs 2 FRG zu den nach § 7 FRG heranzuziehenden Vorschriften des Unfallversicherungsrechts gehören und nicht ohne weiteres ausgeklammert werden können, daß zum anderen durch die bloße (rechtliche) Verlagerung des Unfallortes ohne die - auch in anderen Bereichen, etwa dem der Berufsunfähigkeitsrenten erforderlichen - Suche nach einer vergleichbaren Tätigkeit ein Soldat der NVA einen Unfall in der Bundesrepublik erleiden würde, so daß für ihn dort ebensowenig Unfallversicherungsschutz bestünde. Die vom 9. Senat als verfehlt angesehene Konsequenz, daß dieser Personenkreis bei Zugrundelegung der Auffassung des Senats generell von der Eingliederung ausgeschlossen würde, betrifft nur den Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung und damit nur einen Teilbereich des Sozialrechtssystems, nicht dagegen das Gebiet der sozialen Entschädigung, welches indes ebenfalls zum Sozialgefüge der Bundesrepublik gehört.
In einem solchen Fall ist grundsätzlich Versorgung nach den Vorschriften des BVG zu gewähren. Der Senat hat bereits in seiner Entscheidung vom 25. Oktober 1989 (aaO) in Übereinstimmung mit der Auffassung des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung (BMA) zum Ausdruck gebracht, daß es im Hinblick auf den Grundgedanken des § 82 Abs 2 BVG als eine besondere Härte iS des § 89 Abs 1 BVG angesehen werden muß, ehemalige Angehörige der NVA allein wegen ihrer fehlenden Vertriebeneneigenschaft von der Versorgung auszuschließen, ehemaligen Wehrpflichtigen vielmehr bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen Versorgungsleistungen zu gewähren sind. Der BMA hat ua in seinem Rundschreiben vom 8. Oktober 1991 - VI a 1 - 52056 - (BArbBl 1991, 81) die Ansicht vertreten, ehemalige Wehrpflichtige der NVA, die vor dem 19. Mai 1990 in die Bundesrepublik übergesiedelt seien, könnten nach wie vor bei Vorliegen der Voraussetzungen Versorgung nach § 82 Abs 2 BVG iVm § 89 Abs 1 BVG erhalten, wenn keine Weiterzahlung der aus der gleichen Ursache gewährten Unfallrente der ehemaligen NVA erfolge (Nr 1 aaO).
Ob dem Kläger Versorgung im Wege des Härteausgleichs gemäß § 89 BVG zu gewähren ist, kann der Senat nicht entscheiden. Das LSG hat dem Kläger zwar antragsgemäß Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung zugesprochen, seinen Antrag auf Verurteilung des Beklagten zur Gewährung von Versorgung jedoch im Hinblick auf den seiner Ansicht nach bestehenden Anspruch auf Weiterzahlung der in der ehemaligen DDR geleisteten Unfallrente und die deshalb fehlende Unbilligkeit für einen Härteausgleich zurückgewiesen. Dies ergibt sich aus dem Ausspruch im Urteilstenor, die weitergehenden Anträge der Beteiligten würden zurückgewiesen, iVm den einen solchen Anspruch verneinenden Ausführungen in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils. Will ein Beteiligter im sozialgerichtlichen Verfahren über den Revisionsantrag des Revisionsklägers hinaus das angefochtene Urteil angreifen, so bedarf es eines förmlichen Rechtsmittelangriffs. Da der Kläger indes weder Revision noch Anschlußrevision (§ 202 SGG iVm § 556 der Zivilprozeßordnung ≪ZPO≫) in zulässiger Weise eingelegt hat, ist das Berufungsurteil insoweit rechtskräftig geworden. Der im Schriftsatz des Klägers vom 12. Februar 1999 "äußerst hilfsweise" gestellte Antrag, den Beklagten unter Abänderung der Urteile des LSG und des SG "nach Maßgabe des Klageantrags" zu verurteilen, ist unzulässig und war daher zurückzuweisen.
Auf die Revision der Beigeladenen zu 2) war daher das Urteil des LSG aufzuheben, soweit es ihre Verurteilung zur Leistung von Verletztenrente und zur Kostentragung betrifft.
Die Kostenentscheidung ergeht nach § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 543169 |
AuA 2001, 237 |
NJ 2000, 446 |
SozSi 2000, 436 |