Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensmindernde Berücksichtigung von Altenteilszahlungen aus Hofübergabevertrag im Steuerrecht und bei der freiwilligen gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung
Leitsatz (redaktionell)
1. Altenteilsleistungen wirken sich weder steuer- noch beitragsrechtlich einkommensmindernd aus. Grundrechte werden dadurch nicht verletzt.
2. Altenteilsleistungen als Ausgleich für die Abgabe eines landwirtschaftlichen Hofes, die im sachlichen Zusammenhang mit der Vermögensübergabe stehen, sind als auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhende, lebenslange und wiederkehrende Versorgungsleistungen Sonderausgaben i. S. d. § 10 Abs. 1a Nr. 2 Satz 1 und 2 Buchst b und Satz 3 EStG. Das schließt ihre steuerrechtliche Berücksichtigung als Betriebsausgaben aus.
3. Anders als das Steuerrecht sieht das Beitragsrecht eine einkommensmindernde Berücksichtigung von Sonderausgaben nicht vor. Sonderausgaben beeinflussen das zu versteuernde, nicht jedoch das zu verbeitragende (Arbeits-)Einkommen. Anknüpfungspunkt für die Beitragsbemessung ist hingegen grundsätzlich die (unbereinigte) Summe aller Einnahmen.
4. Die beitragspflichtigen Einnahmen aus Arbeitsentgelt, Renten und Versorgungsbezügen werden weder dem Grunde noch der Höhe nach danach bestimmt, ob steuerrechtlich Sonderausgaben oder andere Aufwendungen und Beträge nach § 2 Abs. 3 bis 5 EStG abziehbar sind. Sie sind ungeachtet etwaiger steuerlicher Abzugsmerkmale bis zur Beitragsbemessungsgrenze zu berücksichtigen. Dem Sinn und Zweck des § 240 Abs. 2 Satz 1 SGB V, eine Besserstellung von freiwilligen Mitgliedern gegenüber den Pflichtmitgliedern zu verhindern, entspricht es allein, die bei freiwilligen Mitgliedern beitragspflichtigen Einnahmen denselben Grundsätzen zu unterwerfen, die für die beitragspflichtigen Einnahmen der versicherungspflichtig Beschäftigten gelten.
Leitsatz (amtlich)
Leistungen an Dritte, die steuerrechtlich als Sonderausgaben vom zu versteuernden Einkommen abgesetzt werden (hier: Altenteil), sind bei der Beitragsberechnung in der freiwilligen gesetzlichen Krankenversicherung nicht einkommensmindernd zu berücksichtigen.
Normenkette
SGB V § 240 Abs. 1; SzBeitrVfGrs § 3; SGB IV § 15; EStG §§ 2, 10 Abs. 1a; GG Art. 1 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 21. Mai 2019 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten (noch) über die einkommensmindernde Berücksichtigung von Altenteilsleistungen aus einem Hofübergabevertrag bei der Berechnung der Beiträge zur freiwilligen gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und sozialen Pflegeversicherung (sPV) in der Zeit vom 1.5. bis zum 31.12.2015.
Der Kläger ist seit 2008 als hauptberuflich Selbstständiger bei der beklagten Krankenkasse freiwillig und bei der beigeladenen Pflegekasse pflichtversichert. Durch notariellen "Übergabevertrag" vom 8.8.2011 wurde ihm der landwirtschaftliche Betrieb seines Vaters, ein Hof iS der Höfeordnung, im Wege der vorweggenommenen Erbfolge übertragen. Der Kläger räumte seinen Eltern ein lebenslanges Altenteil ein. Dieses umfasst ua ein alleiniges Wohnrecht, die Übernahme von Wohnungsnebenkosten und Unterhaltszahlungen in Höhe von 400 Euro monatlich.
Auf der Grundlage der im Einkommensteuerbescheid vom 1.4.2015 für das Jahr 2013 festgesetzten Kapitalerträge sowie Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbstständiger Tätigkeit und Kapitalerträgen (38 994 Euro : 12 = 3249,50 Euro) erhob die Beklagte - auch im Namen der Beigeladenen - für die Zeit ab 1.5.2015 Beiträge zur GKV und sPV iH von insgesamt 557,29 Euro monatlich. Die im Einkommensteuerbescheid als unbeschränkt abziehbare Sonderausgaben ausgewiesenen Versorgungsleistungen in Gestalt der den Eltern des Klägers gezahlten Altenteilsleistungen in Höhe von 619,75 Euro monatlich wurden dabei nicht einkommensmindernd berücksichtigt (Bescheid vom 8.5.2015, Widerspruchsbescheid vom 15.10.2015).
Das SG Hildesheim hat diese und die im Klageverfahren erlassenen Beitragsbescheide vom 21.12.2015, 22.4., 20.5. und 28.12.2016 sowie 14.2.2017 insoweit aufgehoben, als die Altenteilsleistungen in Höhe von 619,75 Euro nicht von den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft in Abzug gebracht wurden (Urteil vom 18.4.2017).
Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Gegenstand des Klageverfahrens sei allein der Bescheid vom 8.5.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.10.2015. Diese Verwaltungsakte seien durch die späteren Beitragsbescheide nicht ersetzt worden. Die im Rahmen der freiwilligen Versicherung zu verbeitragenden Einkünfte seien dem Einkommensteuerbescheid zu entnehmen. Dabei sei Anknüpfungspunkt für die Ermittlung des Gesamteinkommens die Summe der Einkünfte vor Abzug der in § 2 Abs 3 bis 5 Einkommensteuergesetz (EStG) genannten Abzugsposten. Dass damit weder Sonderausgaben noch außergewöhnliche Belastungen die beitragspflichtigen Einkünfte minderten, sei mit dem Grundgesetz vereinbar. Zwar stehe dem Kläger der Betrag der Altenteilsleistungen nicht für seinen Lebensunterhalt zur Verfügung. Allerdings sei auch der Kinderfreibetrag nicht vom Gesamteinkommen abzuziehen (Urteil vom 21.5.2019).
Mit seiner vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung des § 240 SGB V iVm § 3 Abs 1 Satz 1 und § 2 Abs 1 Satz 1 und 2 Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler (BeitrVerfGrsSz). Diese Vorschriften stellten auf die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Versicherten und die Möglichkeit des Verbrauchs von Einnahmen für den Lebensunterhalt ab. Die Einkünfte aus dem landwirtschaftlichen Betrieb stünden aber nur gemindert um die Altenteilsleistungen zur Verfügung. Zudem seien Einnahmen ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung zugrunde zu legen. Heranzuziehen sei daher nicht ein steuer-, sondern ein sozialrechtlicher Maßstab. Die im Grundbuch eingetragenen Altenteilsleistungen seien notwendig mit den Einnahmen aus der Landwirtschaft verknüpft, denn sie dienten deren Erwerb, Sicherung und Erhaltung. Sie seien mit einem Pachtzins und mit Betriebsausgaben zu vergleichen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 21. Mai 2019 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Hildesheim vom 18. April 2017 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob vom LSG nur über den Bescheid vom 8.5.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.10.2015 zu entscheiden war oder nicht vielmehr auch die während des Klageverfahrens für die Zeit ab 1.1.2016 erlassenen und vom SG berücksichtigten Beitragsbescheide einzubeziehen waren. Verwaltungsakte, die für bestimmte Zeiträume bereits erhobene Beiträge zur GKV und sPV neu festsetzen, ändern frühere Beitragserhebungen ab und werden deshalb gemäß § 96 Abs 1 iVm § 153 Abs 1 SGG Gegenstand des Rechtsstreits (vgl BSG Urteil vom 8.10.2019 - B 12 KR 8/19 R - BSGE 129, 186 = SozR 4-1500 § 153 Nr 18, RdNr 12). Jedenfalls hat das LSG zu Recht das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen, soweit durch Bescheid vom 8.5.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.10.2015 Beiträge zur GKV und sPV für die Zeit vom 1.5. bis zum 31.12.2015 festgesetzt worden sind. Nur noch hierüber hatte der Senat zu entscheiden, nachdem die Beteiligten den Verfahrensgegenstand in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat darauf beschränkt haben. Kläger und Beklagte haben sich durch Vergleich hinsichtlich der Beitragsfestsetzung zur GKV und sPV für die Zeit vom 1.6.2014 bis zum 30.4.2015 sowie ab 1.1.2016 dem rechtskräftigen Ausgang dieses Verfahrens unterworfen und insoweit den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt.
Die Beitragsfestsetzung ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Beklagte hat die Beiträge zur GKV und zur sPV (dazu 4.) zutreffend unter Berücksichtigung der aus dem Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2013 ersichtlichen Einkünfte als Arbeitseinkommen festgesetzt (dazu 1.). Die Altenteilsleistungen wirken sich weder steuer- noch beitragsrechtlich einkommensmindernd aus (dazu 2.). Grundrechte des Klägers werden dadurch nicht verletzt (dazu 3.).
1. Nach § 240 Abs 1 und Abs 2 Satz 1 SGB V in der hier maßgebenden Fassung des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-WSG) vom 26.3.2007 (BGBl I 378) wird die Beitragsbemessung für freiwillige Mitglieder der GKV einheitlich durch den Spitzenverband Bund der Krankenkassen (SpVBdKK) geregelt; dabei ist sicherzustellen, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds berücksichtigt und bei der Bestimmung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit mindestens die Einnahmen des freiwilligen Mitglieds herangezogen werden, die bei einem vergleichbaren versicherungspflichtig Beschäftigten der Beitragsbemessung zugrunde zu legen sind. Diesem Regelungsauftrag ist der SpVBdKK durch Erlass der BeitrVerfGrsSz vom 27.10.2008 (Die Beiträge 2009, 183 ff; für die hier streitige Zeit ab 1.5.2015 idF der sechsten Änderung vom 10.12.2014) im Einklang mit höherrangigem Gesetzes- und Verfassungsrecht (BSG Urteil vom 10.10.2017 - B 12 KR 16/16 R - SozR 4-2500 § 240 Nr 32 RdNr 15 mwN) nachgekommen.
Gemäß § 2 Abs 1 Satz 1 und 2 BeitrVerfGrsSz werden die Beiträge nach den beitragspflichtigen Einnahmen des Mitglieds bemessen, wobei die Beitragsbemessung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Mitglieds zu berücksichtigen hat. Als beitragspflichtige Einnahmen sind das Arbeitsentgelt, das Arbeitseinkommen, der Zahlbetrag der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung, der Zahlbetrag der Versorgungsbezüge sowie alle Einnahmen und Geldmittel, die für den Lebensunterhalt verbraucht werden oder verbraucht werden können, ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung zugrunde zu legen (§ 3 Abs 1 Satz 1 BeitrVerfGrsSz). Arbeitseinkommen ist dem jeweiligen Beitragsmonat mit einem Zwölftel des dem vorliegenden aktuellen Einkommensteuerbescheid zu entnehmenden Jahresbetrags zuzuordnen (§ 5 Abs 2 Satz 2 Halbsatz 1 iVm § 6 Abs 3 Satz 3 Nr 1 BeitrVerfGrsSz; vgl hierzu BSG Urteil vom 18.1.2018 - B 12 KR 22/16 R - BSGE 125, 113 = SozR 4-2500 § 240 Nr 34, RdNr 20). Der danach maßgebende Einkommensteuerbescheid für 2013 vom 1.4.2015 weist Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbstständiger Arbeit aus, die als Arbeitseinkommen beitragspflichtig sind.
Arbeitseinkommen ist nach § 15 Abs 1 SGB IV idF der Bekanntmachung vom 12.11.2009 (BGBl I 3710) der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelte Gewinn aus selbstständiger Tätigkeit (Satz 1); Einkommen ist als Arbeitseinkommen zu werten, wenn es als solches nach dem Einkommensteuerrecht zu bewerten ist (Satz 2). Der sozialversicherungsrechtliche Begriff der "selbstständigen Tätigkeit" ist weiter als derjenige des Steuerrechts. Der daraus erzielte Gewinn erfasst die Einkunftsarten des § 2 Abs 1 Nr 1 bis 3 EStG (hier idF der Bekanntmachung vom 8.10.2009 ≪BGBl I 3366≫) und damit die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft (§§ 13 ff EStG), Gewerbebetrieb (§§ 15 ff EStG) sowie selbstständiger Arbeit (§ 18 EStG; vgl BSG Urteil vom 25.2.2004 - 5 RJ 56/02 - SozR 4-2400 § 15 Nr 1 RdNr 10).
Dass § 3 Abs 1 Satz 1 BeitrVerfGrsSz nicht ausdrücklich auf die Vorschrift des § 15 Abs 1 SGB IV Bezug nimmt, schließt deren Heranziehung bei der Beitragsbemessung der in der GKV freiwillig Versicherten nicht aus. Einerseits ist dadurch gewährleistet, dass als Beitragsbemessungsgrundlage nicht der Umsatz unbereinigt zugrunde gelegt wird, ohne die mit der Einkunftserzielung zwangsläufig verbundenen Betriebsausgaben zu berücksichtigen. Andererseits steht für Selbstständige ein von den Vorschriften des EStG unabhängiges System der Einkommensermittlung nicht zur Verfügung (vgl BSG Urteil vom 26.9.1996 - 12 RK 46/95 - BSGE 79, 133, 139 = SozR 3-2500 § 240 Nr 27 S 103 f). Dem steht die Formulierung in § 3 Abs 1 Satz 1 BeitrVerfGrsSz, dass beitragspflichtige Einnahmen "ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung" zugrunde zu legen seien, nicht entgegen. Dadurch wird nicht die Außerachtlassung des Steuerrechts an sich angeordnet, sondern lediglich klargestellt, dass im Beitragsrecht der GKV eine strikte Bindung weder an die steuerrechtlichen Einkunftsarten noch deren jeweilige Besteuerung besteht.
2. Die Altenteilsleistungen sind weder (steuerrechtlich) als Betriebsausgaben (dazu a) noch (beitragsrechtlich) als Sonderausgaben (dazu b), für den Lebensunterhalt nicht zur Verfügung stehende (dazu c) oder den landwirtschaftlichen Betrieb erhaltende Aufwendungen (dazu d) oder wegen einer besonderen Zweckbestimmung (dazu e) vom Arbeitseinkommen des Klägers in Abzug zu bringen.
a) Der das Arbeitseinkommen bestimmende und nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts festzustellende Gewinn ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem Betriebsvermögen am Schluss des Wirtschaftsjahres und dem Betriebsvermögen am Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres, vermehrt um den Wert der Entnahmen und vermindert um den Wert der Einlagen, oder der Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben; Betriebsausgaben sind die Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlasst sind (§ 4 Abs 1 Satz 1, Abs 3 Satz 1 und Abs 4 EStG idF der Bekanntmachung vom 8.10.2009 ≪BGBl I 3366≫). Altenteilsleistungen als Ausgleich für die Abgabe eines landwirtschaftlichen Hofes, die - wie hier - im sachlichen Zusammenhang mit der Vermögensübergabe stehen, sind hingegen als auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhende, lebenslange und wiederkehrende Versorgungsleistungen Sonderausgaben iS des § 10 Abs 1a Nr 2 Satz 1 und 2 Buchst b und Satz 3 EStG (hier idF des Gesetzes zur Anpassung der Abgabenordnung an den Zollkodex der Union und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 22.12.2014 ≪BGBl I 2417≫). Das schließt ihre steuerrechtliche Berücksichtigung als Betriebsausgaben aus (vgl BFH Urteil vom 12.5.2015 - IX R 32/14 - BFHE 250, 78 RdNr 17, 19; BFH Beschluss vom 5.7.1990 - GrS 4-6/89 - BFHE 161, 317).
b) Anders als das Steuerrecht sieht das Beitragsrecht eine einkommensmindernde Berücksichtigung von Sonderausgaben nicht vor. Sonderausgaben beeinflussen das zu versteuernde, nicht jedoch das zu verbeitragende (Arbeits-)Einkommen.
§ 2 EStG (idF des Gesetzes vom 15.7.2013 zur Änderung des EStG in Umsetzung der Entscheidung des BVerfG vom 7.5.2013 ≪BGBl I 2397≫) unterscheidet zwischen Einkünften, dem Einkommen und dem zu versteuernden Einkommen. Der Gesamtbetrag der Einkünfte ergibt sich aus der Summe der Einkünfte iS des § 2 Abs 2 EStG (Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbstständiger Arbeit sowie bei anderen Einkunftsarten der Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten), vermindert um Entlastungsbeträge und den Abzug nach § 13 Abs 3 EStG (§ 2 Abs 3 EStG). Das Einkommen des Steuerpflichtigen ist der um Sonderausgaben und außergewöhnliche Belastungen reduzierte Gesamtbetrag der Einkünfte (§ 2 Abs 4 EStG). Dieses um die Freibeträge nach § 32 Abs 6 EStG und um sonstige abzuziehende Beträge verminderte Einkommen bildet das zu versteuernde Einkommen und die Bemessungsgrundlage für die tarifliche Einkommensteuer (§ 2 Abs 5 Satz 1 EStG).
Anknüpfungspunkt für die Beitragsbemessung nach § 240 Abs 1 und Abs 2 Satz 1 SGB V iVm § 15 SGB IV und § 3 Abs 1 Satz 1 BeitrVerfGrsSz ist hingegen grundsätzlich die (unbereinigte) Summe aller Einnahmen. Ebenso wenig wie bei der Bestimmung der beitragspflichtigen Einnahmen ein vertikaler Verlustausgleich unter verschiedenen Einkunftsarten zulässig ist (BSG Urteil vom 9.8.2006 - B 12 KR 8/06 R - BSGE 97, 41 = SozR 4-2500 § 240 Nr 8, RdNr 17 mwN), kommt ein Abzug der in § 2 Abs 3 bis 5 EStG genannten Aufwendungen und Beträge von einer Einkunftsart in Betracht. § 240 Abs 1 Satz 2 SGB V fordert, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds berücksichtigt. Diese wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wird durch die Gesamtheit der in § 3 Abs 1 Satz 1 BeitrVerfGrsSz konkret bezeichneten oder pauschalierend umschriebenen Einnahmen bestimmt. Die Grenzziehung zwischen beitragspflichtigen und von der Beitragspflicht ausgenommenen Einnahmen orientiert sich nicht an steuerrechtlichen Abzugsmerkmalen, sondern bedingt regelmäßig eine wertende Entscheidung darüber, ob Einnahmen dem Bestreiten des Lebensunterhalts zugeordnet werden können oder ausnahmsweise eine besondere eigenständige Zweckbestimmung außerhalb des allgemeinen Lebensunterhalts aufweisen (BSG Urteil vom 10.10.2017 - B 12 KR 16/16 R - SozR 4-2500 § 240 Nr 32 RdNr 18). Zudem sind bei der Bestimmung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit mindestens diejenigen Einnahmen des freiwilligen Mitglieds zu berücksichtigen, die auch bei Versicherungspflichtigen der Beitragsbemessung unterliegen (§ 240 Abs 2 Satz 1 SGB V). Deren beitragspflichtige Einnahmen aus Arbeitsentgelt, Renten und Versorgungsbezügen werden weder dem Grunde noch der Höhe nach danach bestimmt, ob steuerrechtlich Sonderausgaben oder andere Aufwendungen und Beträge nach § 2 Abs 3 bis 5 EStG abziehbar sind. Sie sind ungeachtet etwaiger steuerlicher Abzugsmerkmale bis zur Beitragsbemessungsgrenze zu berücksichtigen. Dem Sinn und Zweck des § 240 Abs 2 Satz 1 SGB V, eine Besserstellung von freiwilligen Mitgliedern gegenüber den Pflichtmitgliedern zu verhindern, entspricht es allein, die bei freiwilligen Mitgliedern beitragspflichtigen Einnahmen denselben Grundsätzen zu unterwerfen, die für die beitragspflichtigen Einnahmen der versicherungspflichtig Beschäftigten gelten (vgl BSG Urteil vom 9.8.2006 - B 12 KR 8/06 R - BSGE 97, 41 = SozR 4-2500 § 240 Nr 8, RdNr 17).
c) Die Altenteilsleistungen sind auch nicht deshalb bei der Beitragsbemessung einkommensmindernd zu berücksichtigen, weil dem Kläger die hierfür aufzuwendenden Beträge nicht (mehr) für seinen eigenen Lebensunterhalt zur Verfügung stehen. Nach § 3 Abs 1 Satz 1 BeitrVerfGrsSz sind beitragspflichtig zwar nur - teilweise näher bezeichnete - "Einnahmen und Geldmittel, die für den Lebensunterhalt verbraucht werden oder verbraucht werden können". Da § 240 Abs 1 Satz 2 SGB V aber auf die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit abstellt, bestimmt sich der Begriff der beitragspflichtigen Einnahmen nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Sonderausgaben für Altenteilsleistungen mindern einkommensteuerrechtlich das Einkommen des Steuerpflichtigen (§ 2 Abs 4 EStG), nicht jedoch den Gewinn aus landwirtschaftlicher Tätigkeit. Dieser unter Außerachtlassung der Sonderausgaben als Arbeitseinkommen erzielte Gewinn hat die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Klägers bestimmt. Er nutzt die Einnahmen - teilweise - zur Erfüllung einer privatrechtlichen Verpflichtung gegenüber seinen Eltern und unterscheidet sich insofern nicht von Versicherungspflichtigen, die Schulden aus ihrem Arbeitsentgelt begleichen, ohne sie bei der Beitragsbemessung zur GKV geltend machen zu können.
Etwas anderes ergibt sich nicht aus § 240 Abs 5 SGB V. Nach dieser Vorschrift werden Freibeträge für Kinder ausnahmsweise berücksichtigt, wenn bei der Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder das Einkommen des nicht einer Krankenkasse angehörenden Ehegatten oder Lebenspartners herangezogen wird. Eine vergleichbare Situation besteht bei vertraglich vereinbarten Altenteilsleistungen und der Heranziehung eigener Einkünfte des Versicherten aus einem im Wege der vorweggenommenen Erbfolge übertragenen Hof nicht.
d) Durch die Vereinbarung der Altenteilsleistungen im Hofübergabevertrag wird keine für das Beitragsrecht der GKV relevante Verknüpfung dieser Aufwendungen zum Betrieb hergestellt. Altenteilsleistungen sind weder mit der Belastung durch die für einen gepachteten landwirtschaftlichen Betrieb zu entrichtenden Pachtzinsen vergleichbar noch sonstige Aufwendungen zur Erhaltung eines solchen Betriebs. Pachtzinsverpflichtung und Nutzungsrecht stehen sich zivilrechtlich als Leistung und Gegenleistung gegenüber (§ 581 BGB). Aufwendungen zum Erhalt eines landwirtschaftlichen Betriebs dienen unmittelbar der Erzielung von Einkommen. Beides ist bei Altenteilsleistungen nicht der Fall.
Vermögensübergabe und Versorgungsleistungen aufgrund eines Hofübergabevertrags mit vereinbarten Altenteilszahlungen stehen sich nicht als gegenseitige Leistungen gegenüber. Ein solcher Vertrag ist vielmehr dadurch charakterisiert, dass er die Vorwegnahme der künftigen Erbregelung sowie die wirtschaftliche Sicherung der alternden Eltern bezweckt, und die Altenteilszahlung nicht nach dem Wert einer Gegenleistung, sondern einerseits nach dem Versorgungsbedürfnis des Leistungsberechtigten und andererseits nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Leistungsverpflichteten bemessen wird (vgl BFH Beschluss vom 15.7.1991 - GrS 1/90 - BFHE 165, 225 mwN; vgl auch Gesetzesbegründung zum Jahressteuergesetz 2008, BT-Drucks 16/6290 S 53). Die Verpflichtung zur Leistung des Altenteils ist eine Einschränkung der in der Übertragung des Hofes liegenden Schenkung (vgl BSG Urteil vom 10.3.1993 - 14b/4 REg 21/91 - SozR 3-7833 § 6 Nr 3 S 19 mwN; Bayerisches LSG Urteil vom 1.4.2009 - L 12 EG 133/05 - juris RdNr 47). Altenteilsleistungen haben in erster Linie Versorgungscharakter, indem sie den Lebensunterhalt der aus dem landwirtschaftlichen Betrieb ausgeschiedenen Eltern sichern. Sie richten sich nach deren Bedürfnissen und nicht nach den Einkünften aus dem landwirtschaftlichen Betrieb. Ihre Gewährung ist deshalb auch keine Voraussetzung für die Erzielung von Einkommen aus dem landwirtschaftlichen Betrieb. Etwas anderes ergibt sich nicht aus dem Vortrag des Klägers, die Altenteilsvereinbarung könne angepasst werden, wenn sich das Versorgungsbedürfnis der Eltern oder die Ertragssituation des Hofes ändere. Die Möglichkeit einer solchen Vertragsanpassung bestätigt gerade den Versorgungscharakter eines Altenteils (vgl BFH Beschluss vom 15.7.1991 - GrS 1/90 - BFHE 165, 225). Die Verpflichtung aus dem Altenteil ist dadurch nicht auf den landwirtschaftlichen Betrieb beschränkt, sie trifft den Kläger persönlich (vgl LSG Baden-Württemberg Urteil vom 17.12.2013 - L 11 R 1637/13 - juris RdNr 32) und zwar auch dann, wenn die Einnahmen aus dem landwirtschaftlichen Betrieb die Ausgaben für das Altenteil nicht decken.
e) Die Leistungen auf das Altenteil sind auch nicht aufgrund einer besonderen Stellung in der Rechtsordnung einkommensmindernd zu berücksichtigen. Der Senat hat in Ausnahmefällen bestimmte Einnahmen wegen ihres speziellen Zwecks von der Beitragsbemessung ausgenommen. Das sind zum einen (Sozial-)Leistungen, die gerade der Kompensation eines bestehenden besonderen persönlichen Bedarfs dienen oder als "Hilfe in besonderen Lebenslagen" nicht für den "allgemeinen" Lebensbedarf des Betroffenen bestimmt sind, sondern dem Betroffenen ungekürzt erhalten bleiben sollen. Zum anderen sind nicht zu verbeitragen Geldleistungen des sozialen Entschädigungsrechts, die in Ansehung eines in der Verantwortung der staatlichen Gemeinschaft erlittenen Sonderopfers gewährt werden und in nahezu der gesamten Rechtsordnung nicht als Einkommen gelten (BSG Urteil vom 10.10.2017 - B 12 KR 16/16 R - SozR 4-2500 § 240 Nr 32 RdNr 22 mwN). Ungeachtet dessen, ob sich diese Grundsätze auch auf Ausgaben übertragen lassen, kommt den Altenteilsleistungen eine vergleichbare privilegierte Sonderstellung nicht zu. Weshalb bei Altenteilsleistungen von einer "besonderen Lebenslage" oder einem "Sonderopfer" gesprochen werden müsse, ist von der Revision weder dargelegt worden noch ersichtlich.
3. Grundrechte des Klägers sind durch die Beitragspflicht ohne Berücksichtigung der Versorgungsverpflichtung aus dem Altenteil nicht verletzt.
Es stellt keinen Verstoß gegen das Gleichheitsgebot (Art 3 Abs 1 GG) dar, dass der Gesetzgeber die steuerliche Abzugsfähigkeit von Altenteilsleistungen als Sonderausgaben nicht auf das Beitragsrecht der GKV übertragen hat. Dem Gesetzgeber steht die Gestaltungsfreiheit zu, in dem jeweiligen Rechtsgebiet eine eigenständige Regelung zu treffen und diejenigen Sachverhalte auszuwählen, an die er dieselben Rechtsfolgen knüpft (vgl BVerfG Beschluss vom 19.11.2019 - 2 BvL 22-27/14 - BVerfGE 152, 274 RdNr 95, 100 ff). Es überschreitet die Grenzen seines Gestaltungsspielraums nicht, wenn er in § 240 Abs 2 Satz 1 SGB V die Gleichbehandlung von Pflicht- und freiwillig Versicherten vorschreibt und im Rahmen der Anrechenbarkeit von Einkommen grundsätzlich an das Steuerrecht anknüpft (vgl § 15 Abs 1 SGB IV), aber dabei nicht alle Verfahrensabschnitte zur Ermittlung des zu versteuernden Einkommens einbezieht und insofern von steuerrechtlichen Wertungen abweicht (vgl BSG Urteil vom 16.5.2001 - B 5 RJ 46/00 R - BSGE 88, 117, 123 = SozR 3-2600 § 97 Nr 4; BSG Urteil vom 13.5.1998 - B 14 EG 3/97 R - SozR 3-7833 § 6 Nr 16 S 93 mwN; BVerfG Nichtannahmebeschluss vom 7.9.2000 - 1 BvR 1833/98 - SozR 3-7833 § 6 Nr 23; BVerfG Beschluss vom 22.5.2018 - 1 BvR 1728/12, 1 BvR 1756/12 - BVerfGE 149, 50 RdNr 75).
Die Eigentumsgarantie des Art 14 Abs 1 GG schützt nicht das Vermögen als solches, sondern ist nur betroffen, wenn auferlegte Geldleistungspflichten und Zwangsbeiträge den Betroffenen übermäßig belasten und seine Vermögensverhältnisse grundlegend beeinträchtigen (vgl BVerfG Beschluss vom 12.10.1994 - 1 BvL 19/90 - BVerfGE 91, 207, 220 mwN; BVerfG Beschluss vom 31.5.1988 - 1 BvL 22/85 - BVerfGE 78, 232, 243 = SozR 5850 § 14 Nr 11 S 17 mwN). Dafür gibt es vorliegend keine Anhaltspunkte. Die Versorgungspflicht aus der Altenteilsvereinbarung beruht auf einer freiwilligen, zivilrechtlichen Vereinbarung zwischen dem Kläger und seinem Vater im Rahmen eines Vertrags zur vorweggenommenen Erbfolge. Dass der Kläger durch die fehlende einkommensmindernde Berücksichtigung der Altenteilsleistungen faktisch gezwungen wäre, auf seine Rechte aus dem Hofübergabevertrag zu verzichten (vgl hierzu BVerfG Beschluss vom 23.5.2018 - 1 BvR 97/14, 1 BvR 2392/14 - BVerfGE 149, 86 RdNr 90 ff) oder unverhältnismäßig stärker belastet wäre als vergleichbare Versicherte, die auf ihr Einkommen Beiträge zu zahlen haben, ist weder geltend gemacht worden noch zu erkennen.
Die Erbrechtsgarantie aus Art 14 Abs 1 GG ist nicht berührt. Sie schützt das Recht des Erblassers, sein Vermögen für den Fall des Todes zu vererben (BSG Urteil vom 5.3.2014 - B 12 KR 22/12 R - SozR 4-2500 § 229 Nr 17 RdNr 35). Unabhängig von der Frage, ob der Kläger als Erbe vor dem Tod des Erblassers überhaupt aus der Erbrechtsgarantie etwas für sich herleiten kann, schränkt die fehlende Berücksichtigung des Altenteils jedenfalls sein ihm als Sohn zustehendes Erbrecht (vgl zum Inhalt der Erbrechtsgarantie BVerfG Beschluss vom 14.12.1994 - 1 BvR 720/90 - BVerfGE 91, 346) nicht ein, denn das freiwillig vereinbarte Altenteil ist auf die Lebzeiten seiner Eltern als potentielle Erblasser begrenzt.
4. Für die Beiträge zur sPV gelten die Ausführungen entsprechend (vgl § 57 SGB XI).
5. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 14297464 |
DStR 2021, 12 |