Verfahrensgang
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Bestimmtheit von § 2 Abs. 1 Nr. 5 AMG, die Verwertbarkeit bei nicht verfassungskonformen Durchsuchungsmaßnahmen gewonnener Beweise, die Frage der überlangen Dauer von Strafverfahren und die richterliche Besetzung von Auffangspruchkörpern bei Ergänzung der Geschäftsverteilung nach Zurückweisung der Strafsache durch das Revisionsgericht an das Tatgericht gemäß § 354 Abs. 2 StPO.
I.
1. Die Strafverfolgungsbehörden erwirkten im November 1993 gegen den Beschwerdeführer einen unter anderem auf Durchsuchung der ihm gehörenden Räumlichkeiten gerichteten richterlichen Beschluss. Der Beschwerdeführer war Beschuldigter eines wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz geführten Ermittlungsverfahrens. Der Durchsuchungsbeschluss wurde im Juli 1994 vollstreckt. Bei dem Beschwerdeführer konnten die chemischen Substanzen Methyl-Methaqualon und MBDB sichergestellt werden. Beide Substanzen waren zum Zeitpunkt der Sicherstellung nicht in der Anlage I zu § 1 BtMG als Betäubungsmittel aufgeführt. Am 6. Februar 1995 erhob die Staatsanwaltschaft wegen der sichergestellten chemischen Substanzen Anklage wegen Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz.
Nachdem das Landgericht die Eröffnung des Hauptverfahrens zunächst abgelehnt hatte, fand auf Anordnung des Oberlandesgerichts die Hauptverhandlung gegen den Beschwerdeführer im Februar 1997 statt. Das Landgericht sprach den Beschwerdeführer frei. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das freisprechende Urteil hatte Erfolg. Der Bundesgerichtshof befand in seinem Urteil vom 3. Dezember 1997, dass die beim Beschwerdeführer sichergestellten chemischen Substanzen – entgegen der Auffassung des Landgerichts – als Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 5 AMG anzusehen seien.
Obwohl die Verfahrensakten nach Durchführung des Revisionsverfahrens dem Landgericht bereits im Januar 1998 wieder vorlagen, fand die neue Hauptverhandlung gegen den Beschwerdeführer erst im September 2001 statt. Nunmehr verurteilte das Landgericht den Beschwerdeführer wegen Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr, deren Vollstreckung es zur Bewährung aussetzte. Auf die Revision des Beschwerdeführers hob der Bundesgerichtshof durch Beschluss vom 26. April 2002 das Urteil im Strafausspruch auf und verwies die Sache insoweit zu neuerlicher Verhandlung an das Landgericht zurück.
Die dritte Hauptverhandlung gegen den Beschwerdeführer fand im Oktober 2002 statt. Das Landgericht verurteilte diesen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten. Auch die Vollstreckung dieser Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt. Die Revision des Beschwerdeführers gegen dieses Urteil hatte wiederum Erfolg. Mit Beschluss vom 19. März 2003 hob der Bundesgerichtshof den Strafausspruch erneut auf. Entgegen ausdrücklichen Vorgaben im Beschluss vom April 2002 – so der Bundesgerichtshof – habe das Landgericht die Auswirkungen der inzwischen eingetretenen Verfahrensdauer auf die Strafbemessung nicht hinreichend konkretisiert.
Die Sache wurde wiederum an das Ausgangsgericht zurückverwiesen. Da die dortige Geschäftsverteilung keinen Spruchkörper vorsah, der für die Bearbeitung von Strafsachen nach deren dritter Zurückverweisung durch den Bundesgerichtshof zuständig gewesen wäre, beschloss das Präsidium des Landgerichts die Einrichtung einer Auffangstrafkammer unter namentlicher Benennung der dieser Kammer angehörenden Richter. Zum Zeitpunkt der Einrichtung der Strafkammer war das Verfahren gegen den Beschwerdeführer die einzige Strafsache, die nach dritter Zurückverweisung durch den Bundesgerichtshof anhängig war. In der vierten Hauptverhandlung gegen den Beschwerdeführer verurteilte das Landgericht diesen wegen der Verstöße gegen das Arzneimittelgesetz zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten. Die Vollstreckung der Strafe setzte das Landgericht zur Bewährung aus. Die Revision des Beschwerdeführers gegen dieses Urteil hatte keinen Erfolg. Der Bundesgerichtshof verwarf sie durch Beschluss vom 3. März 2004 als unbegründet.
2. Die Verfassungsbeschwerde wendet sich gegen die verurteilenden Erkenntnisse des Landgerichts, das Urteil des Bundesgerichtshofs und dessen Beschlüsse vom April 2002, März 2003 und März 2004 sowie §§ 96 Nr. 4 AMG in Verbindung mit 2 Abs. 1 Nr. 5 AMG und § 13 AMG.
Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung seiner Rechte aus Art. 103 Abs. 2, Art. 13, Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 und Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG.
Er trägt vor, der Arzneimittelbegriff des § 2 Abs. 1 Nr. 5 AMG sei, soweit er in Verbindung mit der Strafvorschrift des § 96 Nr. 4 AMG Anwendung finde, generell zu unbestimmt.
Zudem habe im vorliegenden Fall § 1 Abs. 3 BtMG einer Einordnung der sichergestellten chemischen Substanzen unter die Arzneimittel entgegengestanden. Nach dieser Vorschrift könnten nur solche Substanzen als Betäubungsmittel eingestuft werden, die keine Arzneimittel seien. Sowohl Methyl-Methaqualon als auch MBDB seien in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrzehnts in die Liste der Betäubungsmittel aufgenommen worden, weshalb sie nicht zugleich Arzneimittel sein könnten. Die Auslegung des Bundesgerichtshofs, § 1 Abs. 3 BtMG nehme nur zugelassene Arzneimittel, um die es sich bei Methyl-Methaqualon und MBDB nicht gehandelt habe, davon aus, zugleich als Betäubungsmittel behandelt zu werden, sei mit Blick auf die Gesetzgebungshistorie der Vorschrift nicht tragfähig.
Als Beweismittel hätten die in amtlichen Gewahrsam überführten Chemikalien ohnehin nicht herangezogen werden dürfen. Ihrer Verwendung im gerichtlichen Verfahren habe ein Beweisverwertungsverbot entgegengestanden. Die zu ihrer Auffindung führende Durchsuchungsmaßnahme habe gegen Art. 13 GG verstoßen. Der die Maßnahme legitimierende gerichtliche Beschluss sei zum Zeitpunkt seiner Vollstreckung bereits älter als sechs Monate gewesen.
Die vierte Verhandlung vor dem Landgericht habe den Anspruch auf den gesetzlichen Richter aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt. Die Richter der einzurichtenden Auffangstrafkammer seien in Ansehung des Umstands, dass sie nur über ein Verfahren zu entscheiden hatten, gleichwohl namentlich bestimmt worden.
Ungeachtet dessen hätte das Strafverfahren angesichts seiner Dauer sowieso einer Einstellung zugeführt werden müssen.
II.
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, da ein Annahmegrund gemäß § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegt.
Die Verfassungsbeschwerde ist unbegründet.
1. Weder die vom Beschwerdeführer angegriffenen Vorschriften des Arzneimittelgesetzes (AMG) noch die auf ihnen beruhenden gerichtlichen Entscheidungen verstoßen gegen den Bestimmtheitsgrundsatz.
a) Die Strafvorschrift des § 96 Nr. 4 AMG ist in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Nr. 5 AMG hinreichend bestimmt im Sinne des Art. 103 Abs. 2 GG.
Das Gebot der Gesetzesbestimmtheit verpflichtet den Gesetzgeber, die Tatbestandsmerkmale einer Strafvorschrift so konkret zu umschreiben, dass Tragweite und Anwendungsbereich des Tatbestands zu erkennen sind und sich durch Auslegung ermitteln lassen (vgl. BVerfGE 55, 144 ≪152≫). Der Normadressat soll vorhersehen können, welches Verhalten verboten und mit Strafe bedroht ist (vgl. BVerfGE 96, 68 ≪97≫; stRspr). Demgegenüber schützt Art. 103 Abs. 2 GG den Normbetroffenen nicht vor dem Inhalt oder dem Regelungsgehalt eines Strafgesetzes. Auch eine sachlich missglückte Strafbestimmung ist, gemessen an Art. 103 Abs. 2 GG, verfassungsgemäß, wenn sie nur hinreichend deutlich erkennen lässt, welches Verhalten sie unter Strafe stellt (vgl. BVerfGE 47, 109 ≪123 f.≫; 105, 135 ≪152 ff.≫).
Nach diesen Maßstäben ist § 2 Abs. 1 Nr. 5 AMG, soweit er der Definition eines Arzneimittels in der Strafvorschrift des § 96 Nr. 4 AMG dient, hinreichend bestimmt. Auch der medizinisch und pharmazeutisch nicht vorgebildete Normadressat vermag Stoffe und Substanzen dahingehend zu bewerten, ob sie geeignet sind, “die Beschaffenheit, den Zustand oder die Funktionen des Körpers oder seelische Zustände zu beeinflussen”. Damit wird die Definition des Arzneimittels nach § 2 Abs. 1 Nr. 5 AMG zwar zunächst sehr weit gefasst, was es erlaubt, unter den Wortlaut des Gesetzes Stoffe und Substanzen zu subsumieren, die – wie Gifte – landläufig nicht als Medikamente angesehen werden. Diese tatbestandliche Weite ist – da das Gesetz in seinen Voraussetzungen klar formuliert ist – jedoch kein Problem der Normbestimmtheit, sondern wirft allenfalls die Frage auf, ob der materielle Inhalt der Norm einer an teleologischen Wertungen ausgerichteten einschränkenden Auslegung bedarf.
b) Eine solche einschränkende – und durch die Zweckbestimmung des Arzneimittelgesetzes in § 1 AMG wohl nicht nur nahe gelegte, sondern sogar veranlasste (vgl. Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht, Stand: 97. Ergänzungslieferung 2005, § 2 AMG Anm. 43) – Interpretation des Arzneimittelbegriffs, der das Landgericht gefolgt ist, hat der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 3. Dezember 1997 vorgenommen und damit zugleich die möglichen Fälle strafbaren Verhaltens reduziert. Indem der Bundesgerichtshof grundsätzlich nur diejenigen Stoffe und Substanzen als Arzneimittel ansehen will, die auch von der Verkehrsanschauung – ersatzweise der Wissenschaft – als solche bewertet werden, begrenzt er zugleich den Anwendungsbereich der Strafvorschrift des § 96 Nr. 4 AMG. Limitierende Wirkung hat auch sein Rückgriff auf die Vorstellung des Produktherstellers in den Fällen, in denen es an einer Verkehrsanschauung (noch) fehlt. Auch das Kriterium der subjektiven Zweckbestimmung, dessen Notwendigkeit für eine umfassende Definition des Arzneimittelbegriffs auch in der wissenschaftlichen Literatur anerkannt wird (vgl. Kloesel/Cyran, a.a.O., Anm. 9), führt zu einer Strafbarkeitsbegrenzung, indem es Substanzen, die zwar die von § 2 Abs. 1 Nr. 5 AMG geschilderten Wirkungsweisen aufweisen, aber nach dem Herstellerwillen nicht zum Zweck der Einflussnahme auf den menschlichen oder tierischen Körper eingesetzt werden sollen, dem Anwendungsbereich des § 96 Nr. 4 AMG entzieht.
Zwar lässt sich dem Gesetzeswortlaut kein Hinweis auf die vom Bundesgerichtshof verwandten einschränkenden Kriterien zur Bestimmung des Arzneimittelbegriffs entnehmen. Dies führt jedoch zu keiner Verletzung des Bestimmtheitsgebots. In Konflikt mit Art. 103 Abs. 2 GG gerät nur die gerichtliche Normauslegung, die unter Überschreitung des Wortsinns des Gesetzes zu einer Begründung oder Verschärfung von Strafbarkeit führt (vgl. BVerfGE 71, 108 ≪115≫; 75, 329 ≪341≫).
c) Auch die von den Fachgerichten vorgenommene Einordnung der beim Beschwerdeführer sichergestellten chemischen Substanzen unter die Arzneimittel begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Bei Stoffen, die nach dem Willen ihres Produzenten halluzinogen bzw. wie Psychopharmaka wirken sollen, handelt es sich begrifflich um Arzneimittel (vgl. Kloesel/Cyran, a.a.O., Anm. 42). Dass die sichergestellten Substanzen Methyl-Methaqualon und MBDB zugleich Betäubungsmittel sind, steht dem nicht entgegen. Nach § 81 AMG bleiben die Vorschriften des Betäubungsmittelgesetzes durch die Bestimmungen des Arzneimittelgesetzes unberührt. Dieses von Gesetzes wegen vorgesehene Nebeneinander der Regelungen des AMG und des BtMG spricht – entgegen dem Beschwerdevorbringen – weniger für eine Exklusivität als vielmehr für eine Vereinbarkeit der Begriffe Arzneimittel und Betäubungsmittel (vgl. Körner, Betäubungsmittelgesetz, Arzneimittelgesetz, 5. Aufl. 2001, § 1 BtMG Rn. 12).
§ 1 Abs. 3 BtMG stellt dieses Ergebnis nicht in Frage. Zwar schließt die Verordnungsermächtigung des § 1 Abs. 3 BtMG es aus, Stoffe und Zubereitungen in die Anlagen I bis III zu § 1 BtMG aufzunehmen, bei denen es sich um Arzneimittel handelt. Gegen die Interpretation dieser Regelung durch den Bundesgerichtshof, wonach nur zugelassene Arzneimittel nicht zu Betäubungsmitteln erklärt werden dürften, ist von Verfassungs wegen jedoch nichts zu erinnern. Diese Auslegung befindet sich im Einklang mit der gesetzgeberischen Intention, durch die Formulierung “die nicht Arzneimittel sind” Patienten, die bestimmte Medikamente benötigen, vor überraschender Strafbarkeit durch Rechtsverordnung zu schützen (vgl. Stellungnahme der Bundesregierung zum Gesetzentwurf des BR für ein OrgKG, BTDrucks 12/989, S. 54; BRDrucks 74/1/90, S. 115).
Zudem überschreitet sie nicht den Wortsinn des Gesetzes. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers belegen die Gesetzesmaterialien zu § 1 Abs. 3 BtMG, der mit dem Gesetz zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Erscheinungsformen der Organisierten Kriminalität (OrgKG) eingeführt wurde, ein Ausschlussverhältnis von Arznei- und Betäubungsmitteln nicht. Zwar fand der von einem Bundesland im Unterausschuss des Rechtsausschusses des Bundesrats am 18. April 1990 eingebrachte Vorschlag, den Terminus “zugelassene Arzneimittel” ausdrücklich in den Wortlaut der Verordnungsermächtigung aufzunehmen, keine Zustimmung (vgl. Niederschrift der Sitzung des Unterausschusses des Rechtsausschusses des BR vom 18. April 1990, S. 47). Der Grund für die Zurückweisung des Vorschlags ist jedoch nicht mitgeteilt. Angesichts der weiteren Gesetzeshistorie liegt es fern, ihn darin zu finden, dass der Gesetzgeber auch nicht zugelassene Arzneimittel von einer Aufnahme in die Anlagen I bis III zu § 1 BtMG ausnehmen wollte. In dem vom Bundesrat am 11. Mai 1990 beschlossenen Gesetzesentwurf findet sich eine Einschränkung der Verordnungsermächtigung des Bundesgesundheitsministers in Bezug auf Arzneimittel nämlich nicht wieder. Sämtliche Stoffe und Zubereitungen sollten vorbehaltlos in die Anlagen I bis III zu § 1 BtMG aufgenommen werden können, sofern die Sicherheit und Kontrolle des Betäubungsmittelverkehrs dies erforderte (vgl. BRDrucks 74/90, S. 15, 93). Erst auf Initiative der Bundesregierung wurden Arzneimittel hiervon ausgenommen. Zweck der gesetzlichen Einschränkung war allein der Patientenschutz, was dafür spricht, dass mit “Arzneimitteln” im Sinne des § 1 Abs. 3 BtMG nur zugelassene Medikamente gemeint sind. Anderenfalls hätte der Gesetzgeber auch sein Anliegen verfehlt, auf neuartige synthetische Drogen, die wegen ihrer psychischen Wirkungen auf den Konsumenten auch den Arzneimitteln zuzurechnen sind, mit den schärferen und komplexeren Strafvorschriften des BtMG reagieren zu können (zur Intention des OrgKG vgl. BTDrucks 12/989, S. 21).
d) Es begegnet auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass die Fachgerichte einen Verbotsirrtum des Beschwerdeführers verneint haben. Dabei ist es unerheblich, ob die zur Tatzeit gängige Kommentarliteratur den Umgang mit sogenannten Designerdrogen für straflos hielt. Mit seinem Handeln beabsichtigte der Beschwerdeführer aus seiner Sicht bestehende Strafbarkeitslücken auszunutzen. Ein solches Vorgehen setzt die gedankliche Auseinandersetzung mit den Grenzen strafbaren Verhaltens voraus und schließt jedenfalls dann, wenn höchstrichterliche Entscheidungen noch nicht vorliegen, die Vorstellung der Möglichkeit mit ein, sich bei einer Fehlinterpretation der Gesetzeslage strafbar zu machen.
2. Ebenfalls erfolglos bleibt die Verfassungsbeschwerde, soweit sie eine Verletzung des Beschwerdeführers in seinen Grundrechten auf Unverletzlichkeit der Wohnung und auf informationelle Selbstbestimmung geltend macht. Zwar ist die gegen den Beschwerdeführer vollstreckte Durchsuchungsmaßnahme nicht mehr grundrechtskonform gewesen, da sie auf einem gerichtlichen Beschluss beruhte, der aufgrund des Zeitpunkts seines Erlasses einen Eingriff in die Grundrechte des Beschwerdeführers nicht mehr rechtfertigen konnte (vgl. BVerfGE 96, 44 ≪54≫). Auf dieser Grundrechtsverletzung beruht die strafrechtliche Verurteilung des Beschwerdeführers jedoch nicht. Die rechtswidrige Durchsuchungsmaßnahme zog kein Verwertungsverbot nach sich. Ein Beweisverwertungsverbot ist grundsätzlich nur dann Folge einer fehlerhaften Durchsuchung, wenn die zur Fehlerhaftigkeit der Ermittlungsmaßnahme führenden Verfahrensverstöße schwerwiegend waren oder bewusst bzw. willkürlich begangen wurden (vgl. BVerfG, NJW 2005, S. 1917 ≪1923≫).
Verfahrensverstöße dieser Art sind vorliegend nicht auszumachen. Hierbei ist zum einen zu berücksichtigen, dass die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur “Geltungsdauer” erlassener Durchsuchungsbeschlüsse zum Zeitpunkt der gegen den Beschwerdeführer vollstreckten Maßnahme noch nicht ergangen war, was gegen einen bewusst begangenen Verfahrensfehler spricht. Zum anderen war die von Verfassungs wegen gebotene Frist von sechs Monaten für die Vollstreckung einer richterlichen Durchsuchungsanordnung vorliegend noch nicht erheblich – sondern erst um zwei Monate – überschritten.
3. Ohne Erfolg bleibt auch die Rüge des Beschwerdeführers, das Ergehen einer Sachentscheidung in dem gegen ihn geführten Strafverfahren habe sein Recht auf ein faires Verfahren verletzt. Die von den Justizbehörden verschuldeten Verzögerungen des Verfahrens zwangen die Gerichte noch nicht zu dessen Einstellung.
Als der gegen den Beschwerdeführer ergangene Schuldspruch in Rechtskraft erwuchs, dauerte das Verfahren zwar bereits acht Jahre an. Allein die Länge eines Strafverfahrens ist aber für sich genommen noch kein Grund für den Staat, auf die Durchsetzung seines Strafanspruchs in vollem Umfang zu verzichten. Die Annahme eines zur Einstellung führenden Verfahrenshindernisses kommt erst dann in Betracht, wenn außergewöhnliche Umstände des Einzelfalls das Absehen von einer Verurteilung notwendig machen. Für solche außergewöhnlichen Umstände ist zu fordern, dass das Verfahren den Beschuldigten besonderen, schwerwiegenden Belastungen ausgesetzt hat, die es unverhältnismäßig erscheinen lassen, gegen ihn eine strafrechtliche Sanktion zu verhängen (vgl. BVerfGK 1, 269 ≪280≫; BVerfG, NJW 1993, S. 3254 ≪3255≫; NJW 2003, S. 2225 ≪2226≫).
Hier sind solche Belastungen bis zum Eintritt der Rechtskraft des Schuldspruchs nicht festzustellen. Entsprechendes gilt für das sich daran anschließende Verfahren. Die Fachgerichte waren daher von Verfassungs wegen nicht daran gehindert, die von der Justiz zu verantwortenden Verfahrensverzögerungen erst im Rechtsfolgenausspruch eines Sachurteils zu kompensieren. Diese Kompensation mag zwar – wie der Beschwerdeführer vorträgt – unter anderem wegen Nichtbeachtung des § 47 StGB nicht frei von Rechtsfehlern gewesen sein. Sie beruht jedoch nicht auf einer Verkennung von Grundrechten bzw. grundrechtsgleichen Positionen des Beschwerdeführers, weshalb ein korrigierendes Eingreifen des Bundesverfassungsgerichts nicht angezeigt ist.
4. Auch der Anspruch des Beschwerdeführers auf den gesetzlichen Richter aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ist nicht verletzt. Es begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass das Präsidium des Landgerichts die Berufsrichter der für die vierte Hauptverhandlung gegen den Beschwerdeführer neu zu bildenden Strafkammer namentlich selbst bestimmt hat. Es ist ein aus § 21e Abs. 3 GVG zu entnehmendes Rechtsprinzip, dass der Geschäftsverteilungsplan eines Gerichts während des laufenden Geschäftsjahres wegen zwingender Gründe durch Beschluss des Präsidiums geändert werden kann. Hierzu zählt auch der Fall, dass wegen mehrfacher Zurückverweisung einer Strafsache nach § 354 Abs. 2 StPO eine Auffangstrafkammer gebildet werden muss (vgl. BGH, NStZ 1981, S. 489; OLG München, JR 1978, S. 301 ≪302≫; OLG Schleswig, SchlHAnz 1977, S. 165). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist eine wegen Vorliegens zwingender Gründe erforderlich werdende Änderung der Geschäftsverteilung möglich, wenn sie eine abstrakte Regelung für eine Vielzahl möglicher zukünftiger Fälle enthält (vgl. BVerfGE 24, 33 ≪54 f.≫; s.a. OLG Karlsruhe, MDR 1980, S. 690 ≪691≫). Wird dieses Erfordernis beachtet und stellt sich die Änderung nicht als sachfremd dar, ist es unschädlich, dass es ein bereits anhängiges Verfahren war, das zu ihr Anlass gegeben hat (vgl. Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 27. September 2002 – 2 BvR 1843/00 –, NJW 2003, S. 345).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Hassemer, Di Fabio, Landau
Fundstellen
Haufe-Index 1500975 |
NJW 2006, 2684 |
NPA 2007 |