Verfahrensgang
LG Bamberg (Urteil vom 04.12.2006; Aktenzeichen 2 O 163/06) |
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage der Auslagenerstattung im Falle eines erfolgreichen Antrages auf gerichtliche Feststellung der Rechtswidrigkeit einer nichtrichterlich angeordneten Durchsuchung.
1. Im Zuge eines gegen den Beschwerdeführer geführten Ermittlungsverfahrens wurden im September 2004 dessen Wohn- und Geschäftsräume durchsucht. Die – ergebnislos verlaufene – Maßnahme erfolgte wegen vermeintlicher Gefahr im Verzug auf polizeiliche Anordnung ohne vorherige Einholung einer ermittlungsrichterlichen Entscheidung (§ 105 Abs. 1 Satz 1 StPO i.V.m. § 152 GVG). Auf Antrag des Beschwerdeführers stellte das Amtsgericht durch Beschluss vom 3. August 2005 fest, dass die Durchsuchung rechtswidrig gewesen sei (entsprechend § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO). Eine Kostenentscheidung traf es nicht. Das Ermittlungsverfahren wurde später durch staatsanwaltschaftliche Verfügung nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.
Der Beschwerdeführer erwirkte weiterhin einen Beschluss nach § 9 Strafrechtsentschädigungsgesetz (StrEG), wonach er aus der Staatskasse für den Schaden zu entschädigen sei, den er durch die Durchsuchung erlitten habe. Im Betragsverfahren nach § 10 StrEG beantragte er gegenüber der Generalstaatsanwaltschaft erfolglos den Ersatz von Verteidigungskosten, die er für den Feststellungsantrag nach § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO und das Grundverfahren nach § 9 StrEG aufgewendet hatte. Der Beschwerdeführer erhob daraufhin Klage nach den §§ 10, 13 StrEG, die das Landgericht mit dem von der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Urteil vom 4. Dezember 2006 abwies. Zur Begründung führte das Landgericht aus, der Beschwerdeführer habe seinen Verteidiger erst nach Erledigung der Durchsuchung beauftragt. Die hierdurch entstandenen Kosten könnten daher nicht mehr der Maßnahme selbst zugerechnet werden. Denn der nach § 2 Abs. 2 Nr. 4 StrEG ersatzfähige Schaden betreffe nach Sinn und Zweck der Vorschrift neben Sachschäden, die durch den Vollzug einer Durchsuchung entstehen könnten, allein anwaltliche Tätigkeiten zur Unterbindung der Maßnahme, nicht aber solche zur nachträglichen Feststellung ihrer Rechtswidrigkeit.
2. Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1, Art. 3, Art. 19 Abs. 4 und Art. 20 Abs. 3 GG. Er meint, die verfassungsrechtlich gebotene Möglichkeit einer nachträglichen Feststellung tiefgreifender Grundrechtsverletzungen im Ermittlungsverfahren würde eingeschränkt, wenn für das Feststellungsverfahren keine Kostenerstattung vorgesehen wäre. Im Falle des Erfolges entsprechender Rechtsbehelfe müssten auch die durch die Rechtsverfolgung verursachten Kosten als Vermögensschaden anerkannt werden. Ansonsten würden die Betroffenen in Anbetracht der bei ihnen verbleibenden Kosten davon abgehalten, ihre Rechte wahrzunehmen, so dass der Rechtsbehelf ineffektiv würde. Dementsprechend sei eine verfassungskonforme Auslegung der Entschädigungsvorschriften geboten.
3. Die Voraussetzungen für die Annahme der Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung liegen nicht vor (§ 93a Abs. 2 BVerfGG). Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig. Sie wird den Anforderungen, die sich aus dem Grundsatz ihrer Subsidiarität ergeben, nicht gerecht.
Der aus § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG folgende Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde verlangt von einem Beschwerdeführer, alle nach Lage der Sache verfügbaren prozessualen Möglichkeiten zu ergreifen, um die geltend gemachten Grundrechtsverletzungen in den jeweils sachnächsten Verfahren zu verhindern oder zu beseitigen (vgl. BVerfGE 68, 384 ≪388 f.≫; 112, 50 ≪60≫; stRspr). Ihm obliegt daher, vor Erhebung einer Verfassungsbeschwerde die Statthaftigkeit einfachrechtlicher Rechtsbehelfe oder Verfahren sorgfältig zu prüfen und von ihnen Gebrauch zu machen, wenn sie nicht offensichtlich unzulässig sind (vgl. BVerfGE 68, 376 ≪381≫; 68, 384 ≪388≫). Dem ist der Beschwerdeführer hier nicht gerecht geworden. Bei seinem Bemühen um einen Ersatz der ihm entstandenen Auslagen für seine Verteidigung im Blick auf die Durchsuchungsmaßnahme hat er sich auf die Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen nach den §§ 9, 10 StrEG beschränkt, den Weg einer unmittelbaren prozessualen Erstattung seiner Verteidigungsauslagen im Feststellungsverfahren nach § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO indessen nicht verfolgt.
a) Die Erstattung von Auslagen des Beschuldigten erfolgt in einem Strafverfahren grundsätzlich über eine in dem Verfahren ergehende Kostengrundentscheidung und das nachfolgende Kostenfestsetzungsverfahren nach den §§ 464 ff. StPO. Verteidigungskosten können im Entschädigungsverfahren nach den §§ 2, 7 StrEG daher nur ersetzt werden, soweit dem Betroffenen eine Erstattung seiner Auslagen nicht bereits nach den Kostenvorschriften der Strafprozessordnung zusteht (vgl. BGHZ 65, 170 ≪176f., 179≫; 68, 86 ≪87≫; BGH, Urteil vom 16. Juli 2009 – III ZR 298/08 –, NJW 2009, S. 2682; OLG Frankfurt, Beschluss vom 14. Juli 2008 – 1 W 48/08 –, juris). Dem von einer Strafverfolgungsmaßnahme Betroffenen obliegt daher, zunächst alle Möglichkeiten prozessualer Auslagenerstattung auszuschöpfen, bevor er seine Auslagen im Entschädigungsverfahren geltend macht.
b) Eine derartige Erstattung wäre hier in Betracht gekommen. Denn nach der einfachrechtlichen Rechtslage war es naheliegend, dass dem Beschwerdeführer bereits im Verfahren nach § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO der Ersatz seiner Verteidigungskosten hätte zugesprochen werden müssen.
Eine Erstattung von Auslagen findet in einem Ermittlungsverfahren vor Anklageerhebung grundsätzlich nicht statt; dies gilt auch für den Fall einer Verfahrenseinstellung nach § 170 Abs. 2 StPO (vgl. BVerfGK 3, 256; BGHSt 30, 152 ≪157≫; BGH, Urteil vom 16. Juli 2009 – III ZR 298/08 –, a.a.O.). Gegenstand des Ausgangsverfahrens sind allerdings keine Kosten, die für eine Verteidigung gegen den im Ermittlungsverfahren bestehenden Tatverdacht angefallen sind. Vielmehr ist der Verteidiger des Beschwerdeführers im Verfahren nach § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO zum Zweck der nachträglichen Überprüfung einer bereits erledigten Ermittlungsmaßnahme tätig geworden. Hierbei handelt es sich um ein selbständiges, vom Ausgang des Ermittlungsverfahrens unabhängiges Nebenverfahren, welches allein dazu dient, in Fällen tiefgreifender, tatsächlich jedoch nicht mehr fortwirkender Grundrechtseingriffe dem fortbestehenden Rechtsschutz- und Feststellungsinteresse des Betroffenen zu genügen (vgl. BVerfGE 96, 27 ≪41 f.≫).
Ob in einem derartigen Verfahren eine eigene Kostenentscheidung zu treffen ist, ist fachrechtlich nicht abschließend geklärt, erscheint aber durchaus naheliegend. Nach vorherrschender Auffassung soll eine Entscheidung in einem strafprozessualen Nebenverfahren zumindest dann mit einem Kostenausspruch nach den §§ 464 ff. StPO zu versehen sein, wenn die Entscheidung ein vom Ausgang der Hauptsache unabhängiges Zwischenverfahren abschließt; denn hierin liege eine Verfahrensbeendigung im Sinne von § 464 Abs. 1 StPO (vgl. Gieg, in: Karlsruher Kommentar, StPO, 6. Aufl., § 464 Rn. 3; Hilger, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 25. Aufl., § 464 Rn. 8 ff.; Meyer-Goßner, StPO, 51. Aufl., § 464 Rn. 7a; Meier, in: AK-StPO, § 464 Rn. 8; Huber, NStZ 1985, S. 18, jeweils m.w.N.). In der Praxis werden erstinstanzliche Beschlüsse, die ein Feststellungsbegehren nach § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO zum Gegenstand haben, zumindest teilweise mit einem Kostenausspruch versehen (vgl. nur AG Lübeck, Beschluss vom 29. Juni 2005 – 100 Gs 390/02 –, juris). Für den Fall einer Beschwerde gegen die nach § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO getroffene gerichtliche Anordnung einer zwischenzeitlich erledigten Ermittlungsmaßnahme wird die Notwendigkeit einer Kostenentscheidung auf der Grundlage von § 473 StPO bejaht (OLG Frankfurt, Beschluss vom 14. Juli 2008 – 1 W 48/08 – juris; vgl. auch Hilger, a.a.O., § 473 Rn. 13 f.).
c) Dem Beschwerdeführer hätte vor diesem Hintergrund oblegen, eine fachgerichtliche Klärung über die Erforderlichkeit einer prozessualen Kostenentscheidung herbeizuführen. Hierfür hätte ihm offen gestanden, das Fehlen eines Kostenausspruchs im Beschluss des Amtsgerichts vom 3. August 2005 mit einer sofortigen Beschwerde nach § 464 Abs. 3, §§ 304, 311 StPO zu beanstanden.
Das Rechtsmittel war nach den einfachrechtlichen Verfahrensvorschriften weder offensichtlich unzulässig, noch sind Umstände erkennbar, die seine Einlegung als für den Beschwerdeführer entbehrlich erscheinen lassen konnten (vgl. BVerfGE 5, 17 ≪19≫; 70, 180 ≪186≫; 91, 93 ≪106≫). Das Unterbleiben eines dem Betroffenen günstigen Kostenausspruches kann Gegenstand einer Kostenbeschwerde nach § 464 Abs. 3 StPO sein (vgl. Gieg, a.a.O., § 464 Rn. 4, 7). Eine Anfechtung der Hauptentscheidung im Sinne von § 464 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 StPO – hier: des feststellenden oder die Feststellung versagenden Ausspruches nach § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO – wäre grundsätzlich ebenfalls statthaft (vgl. BVerfG, 3. Kammer des Zweiten Senats, Beschluss vom 22. Januar 2002 – 2 BvR 1473/01 –, NJW 2002, S. 1333; Pfeiffer, StPO, 5. Aufl., § 98 Rn. 9). Der Mindestwert des Beschwerdegegenstandes nach § 304 Abs. 3 StPO war hier dem Vortrag der Verfassungsbeschwerde zufolge überschritten. Dem anwaltlich vertretenen Beschwerdeführer war auch zuzumuten, den Beschluss des Amtsgerichts in der Kostenfrage anzugreifen. Dass eine sofortige Beschwerde in der Sache nicht ohne Erfolgsaussicht gewesen wäre (zur Unzumutbarkeit der Ausschöpfung offensichtlich aussichtsloser Rechtsbehelfe vgl. BVerfGE 70, 180 ≪186≫; 86, 15 ≪22 f.≫; 102, 197 ≪208≫), ergab sich nicht nur aus der hierauf deutenden, bereits im Zeitpunkt der amtsgerichtlichen Beschlussfassung verbreiteten strafprozessrechtlichen Literatur. Für die Notwendigkeit eines Kostenausspruches spricht auch das von dem Beschwerdeführer selbst angeführte Argument, dass ein Antrag auf gerichtliche Überprüfung einer ermittlungsbehördlich angeordneten Durchsuchung kostenrechtlich nicht anders behandelt werden dürfe als der nach § 473 StPO zu beurteilende Fall einer Beschwerde gegen eine richterliche Durchsuchungsanordnung, da eine Auslagenerstattung sonst davon abhinge, wer die rechtswidrige Ermittlungsmaßnahme angeordnet habe.
d) Wäre eine sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichtes vom 3. August 2005 erfolgreich gewesen, hätte der Beschwerdeführer seine durch das Feststellungsverfahren veranlassten Aufwendungen im Kostenfestsetzungsverfahren nach § 464b StPO in Ansatz bringen können und erstattet erhalten. Des von ihm angestrengten Verfahrens nach dem Strafrechtsentschädigungsgesetz hätte es nicht bedurft, so dass die dadurch entstandenen Kosten, deren Erstattung er gleichfalls begehrt, nicht angefallen wären. Es erscheint daher als möglich, dass die von dem Beschwerdeführer als verletzt gerügten Grundrechte bei Ausschöpfung der Rechtsschutzmöglichkeiten nicht berührt worden wären. Auch die mit dem Grundsatz der Subsidiarität bezweckte umfassende fachgerichtliche Vorprüfung (vgl. BVerfGE 8, 222 ≪227≫; 72, 39 ≪43≫; 120, 274 ≪300≫) hätte erfordert, die Fachgerichte in dem zeitlich und systematisch nächstliegenden Verfahren mit der Frage der Auslagenerstattung zu befassen. In Ermangelung dessen kann die angegriffene Entscheidung nicht abschließend beurteilt werden. Wäre bereits im Verfahren nach § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO ein Kostenausspruch veranlasst gewesen und herbeigeführt worden, würde die angegriffene Entscheidung sich naheliegend als verfassungsrechtlich unbedenklich erweisen.
Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Papier, Bryde, Schluckebier
Fundstellen