Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzlicher Richter lt. Geschäftsverteilungsplan. Aufwandsentschädigung als Einkünfte aus Gewerbebetrieb
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine Verfassungsbeschwerde mit der Begründung, die Geschäftsverteilung des BFH verletze das Grundrecht auf den gesetzlichen Richter, muß erkennen lassen, inwieweit der Beschwerdeführer von der angegriffenen Zuständigkeitsregelung betroffen ist.
2. Daß Aufwandsentschädigungen des Vorsitzenden eines Berufsverbandes anders als die in § 3 Nr. 12, 13, 16, 26, § 22 Nr. 4 Satz 2 EStG genannten Einnahmen nicht als pauschalierter Ausgleich nachweisbarer Aufwendungen steuerfrei sind, sondern als Surrogat für entgangenen Gewinn als Einkünfte aus Gewerbebetrieb voll zu versteuern sind, verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.
Normenkette
GG Art. 101 Abs. 1 S. 2, Art. 3 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4; GVG §§ 21e, 21g; FGO § 4; BVerfGG § 90 Abs. 1; EStG § 3 Nrn. 12-13, 16, 26, § 22 Nr. 4 S. 2, § 34 Abs. 2 Nr. 2
Verfahrensgang
BFH (Beschluss vom 02.09.1991; Aktenzeichen XI B 15/90) |
FG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 21.05.1990; Aktenzeichen 5 K 2352/89) |
Gründe
Die Beschwerdeführer wenden sich dagegen, daß Aufwandsentschädigungen, die der Beschwerdeführer zu 2) als zweiter bzw. erster Vorsitzender eines Berufsverbandes erhielt, seinen Einkünften aus Gewerbebetrieb zugeschlagen und voll besteuert werden.
1. Die Verfassungsbeschwerden sind unzulässig, soweit sie damit begründet werden, daß die Zuweisung bestimmter Geschäfte an den XI. Senat des Bundesfinanzhofs durch den Geschäftsverteilungsplan dieses Gerichts sowie die Geschäftsverteilung innerhalb des XI. Senats durch den Vorsitzenden dieses Senats das Grundrecht der Beschwerdeführer auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) verletzen.
a) Die Zuständigkeit des XI. Senats zur Entscheidung über den Ausgangsrechtsstreit ergab sich aus Ziff. 1a) des Geschäftsverteilungsplans des Bundesfinanzhofs (BStBl. 1991 II S. 111 ≪113≫). Danach entscheidet dieser Senat unter anderem über einkommensteuerrechtliche Streitsachen, die die Einkünfte aus Gewerbebetrieb natürlicher Personen mit den Anfangsbuchstaben L bis R betreffen. Die Namen der Beschwerdeführer beginnen mit M.
Die Beschwerdeführer wenden sich nicht gegen die in Ziff. 1a festgelegte Zuständigkeit, sondern greifen die Ziff. 3 des Geschäftsverteilungsplans an. Dort ist geregelt, daß der XI. Senat Streitsachen übernimmt, in denen die Beschlüsse des Großen Senats des Bundesfinanzhofs vom 5. Juli 1990 GrS 2/89 und GrS 4-6/89 betreffend Erbauseinandersetzung und vorweggenommene Erbfolge von Bedeutung sind, soweit diese Streitsachen vor dem 1. Dezember 1990 beim IX. Senat des Bundesfinanzhofes eingegangen sind. Es ist nicht erkennbar, inwieweit die Beschwerdeführer von der Zuständigkeitsregelung in Ziff. 3 des Geschäftsverteilungsplans betroffen sind (§ 90 Abs. 1 BVerfGG).
b) Soweit die Beschwerdeführer sich gegen den innerhalb des mit sechs Richtern besetzten XI. Senats geltenden Geschäftsverteilungsplan wenden, sind ihre Verfassungsbeschwerden unzulässig, weil die Monatsfrist des § 93 Abs. 1 BVerfGG nicht gewahrt wurde. Diese Frist lief am 21. Oktober 1991 ab. Ihre diesen Geschäftsverteilungsplan betreffende Rüge ist am 8. November beim Bundesverfassungsgericht eingegangen. Es handelt sich hierbei nicht lediglich um eine Ergänzung der Begründung der Verfassungsbeschwerde, sondern darum, daß nach Fristablauf ein völlig neuer Sachverhalt zum Gegenstand der Verfassungsbeschwerde gemacht wird. Dies ist jedoch nach ständiger Rechtsprechung unzulässig (BVerfGE 65, 196 ≪209≫ m.w.N.).
Dies gilt ungeachtet dessen, daß sich die Beschwerdeführer auf die grundrechtsähnliche Gewährleistung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG bereits innerhalb der Beschwerdefrist gegen den übergeordneten Geschäftsverteilungsplan des Bundesfinanzhofs berufen haben. Entscheidend ist, daß der verspätet vorgetragene Sachverhalt keinerlei Beziehung zu dem fristgerecht vorgebrachten aufweist.
2. Soweit die Verfassungsbeschwerden auf sonstige Grundrechte gestützt werden, haben sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.
a) Der Umstand, daß die Aufwandsentschädigung im vorliegenden Fall anders als die in § 3 Nr. 12, 13, 16 und 26 sowie in § 22 Nr. 4 Satz 2 EStG genannten Einnahmen nicht steuerfrei gestellt wird, läßt keinen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) erkennen. Anders als die dort genannten Einnahmen ist die Aufwandsentschädigung hier kein pauschalierter Ausgleich nachweisbarer Aufwendungen, sondern Surrogat für entgangenen Gewinn neben der anderweitigen Berücksichtigung der tatsächlichen Aufwendungen (vgl. BFH, Urteil vom 26. Februar 1988 – III R 241/84 –, BStBl. 1988 II, 615 ≪616≫). Es ist daher von Verfassungs wegen nichts dagegen einzuwenden, wenn sie steuerlich genauso behandelt wird, wie dieser Gewinn behandelt werden müßte. Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen auch nicht gegen die Auslegung des § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG durch das Finanzgericht, nach der nicht alle Entschädigungen für entgangene Einnahmen als außerordentliche Einkünfte anzusehen sind.
b) Für den von den Beschwerdeführern behaupteten Eingriff in das Grundrecht aus Art. 9 Abs. 3 GG ist nichts ersichtlich. Die steuerliche Behandlung der Aufwandsentschädigung beeinträchtigt die Tätigkeit des Beschwerdeführers zu 2) als Vorstandsmitglied eines Arbeitgeberverbandes und das Verhältnis dieses Verbandes zu den Gewerkschaften nicht.
c) Aus Art. 19 Abs. 4 GG ergibt sich kein Anspruch darauf, daß bestimmte Revisionen als Grundsatzrevisionen allein deshalb zugelassen werden, weil der Nichtzulassungsbeschwerdeführer verfassungsrechtliche Fragen aufwirft.
d) Das Bundesverfassungsgericht hat bereits entschieden, daß letztinstanzliche Entscheidungen nicht stets begründet werden müssen (BVerfGE 50, 287 ≪289 f.≫).
e) Rechtliches Gehör im Sinne des Art. 103 Abs. 1 GG ist den Verfassungsbeschwerdeführern in ausreichendem Maße durch die Möglichkeit gewährt worden, ihre Nichtzulassungsbeschwerde zu begründen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Fundstellen
BB 1991, 2423 |
NJW 1992, 224 |
NVwZ 1992, 159 |