Verfahrensgang
BAG (Beschluss vom 27.11.2008; Aktenzeichen 8 AZR 492/08 (F)) |
LAG Berlin (Urteil vom 05.07.2006; Aktenzeichen 4 Sa 268/06) |
ArbG Berlin (Urteil vom 15.12.2005; Aktenzeichen 49 Ca 13636/05) |
Tenor
1. Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 21. Mai 2008 – 8 AZR 84/07 – verletzt den Beschwerdeführer in seinem grundrechtsgleichen Recht aus Artikel 101 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes, soweit die Revision im Rechtsstreit gegen die Beklagte zu 1) zurückgewiesen wurde. Das Urteil wird insoweit aufgehoben. Die Sache wird in diesem Umfang an das Bundesarbeitsgericht zurückverwiesen.
2. Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.
3. Die Bundesrepublik Deutschland hat dem Beschwerdeführer die Hälfte der notwendigen Auslagen zu erstatten.
Tatbestand
Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die Abweisung einer arbeitsgerichtlichen Kündigungsschutzklage und betrifft unter anderem die Vorlagepflicht an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften nach Art. 234 Abs. 3 EG.
I.
1. Der Beschwerdeführer war seit 1979 bei der T. GmbH & Co. KG (bzw. deren Rechtsvorgängern; im Folgenden: T.), der Beklagten zu 1) des Ausgangsverfahrens, als Prüftechniker beschäftigt. Anfang April 2005 beschloss die T., die Gesellschaft zum 31. Dezember 2005 aufzulösen. Darüber wurde der Betriebsrat am 7. April 2005 unterrichtet. Mit einem am 14. April 2005 bei der Agentur für Arbeit eingegangenen Schreiben zeigte die T. Massenentlassungen gemäß § 17 des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) an. Unter dem 21. April 2005 bestätigte der Betriebsrat gegenüber der Agentur für Arbeit die Angaben der T. in der Massenentlassungsanzeige und erklärte, er schließe sich den angezeigten Entlassungen an; Verhandlungen über einen Interessenausgleich und Sozialplan würden aufgenommen. Am 20. Mai 2005 kam es zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat zum Abschluss eines Interessenausgleichs und eines Sozialplans. Die Arbeitsverhältnisse aller Arbeitnehmer wurden am 25. Mai 2005 mit Wirkung zum 31. Dezember 2005 gekündigt.
Der Beschwerdeführer erhob eine Kündigungsschutzklage und behauptete unter anderem, der Betrieb der T. werde nicht stillgelegt, sondern gehe auf die S. AG als alleinige Lizenzinhaberin über. Deshalb verklagte er neben der T. auch die S. AG als Beklagte zu 2). Außerdem machte er geltend, die Massenentlassungsanzeige und das Konsultationsverfahren mit dem Betriebsrat nach § 17 Abs. 2 und 3 KSchG seien nicht ordnungsgemäß erfolgt. Das Arbeitsgericht wies die Klage ab, und das Landesarbeitsgericht wies die Berufung des Beschwerdeführers zurück.
2. Durch das angegriffene Urteil vom 21. Mai 2008 wies das Bundesarbeitsgericht die Revision des Beschwerdeführers zurück.
a) Die Kündigung sei nicht nach § 613a Abs. 4 BGB unwirksam. Das Landesarbeitsgericht habe ohne Rechtsfehler festgestellt, dass der Betrieb der T. nicht auf die Beklagte zu 2) übergegangen sei.
b) Die Kündigung sei auch nicht nach § 17 Abs. 1 KSchG in Verbindung mit § 134 BGB rechtsunwirksam.
aa) Die T. habe die Massenentlassung nicht fehlerhaft gegenüber der Agentur für Arbeit nach § 17 Abs. 3 Satz 2 und 3 KSchG angezeigt. Sie habe der Massenentlassungsanzeige zwar keine Stellungnahme des Betriebsrats beigefügt, sondern stattdessen gegenüber der Agentur für Arbeit im Begleitschreiben angekündigt, die Stellungnahme des Betriebsrats umgehend nachzureichen. Dieser Weg sei aber grundsätzlich nach § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG vom Gesetzgeber eröffnet. Zwar sei nach § 17 Abs. 3 Satz 1 und 2 KSchG eine beigefügte Stellungnahme des Betriebsrats Wirksamkeitsvoraussetzung für die Massenentlassungsanzeige. Ihr Fehlen führe aber nicht zwingend und dauerhaft zur Unwirksamkeit der Anzeige. Die fehlende Stellungnahme des Betriebsrats könne nachgereicht werden; allerdings werde die Anzeige dann erst mit Vollständigkeit, also mit Eingang der Stellungnahme des Betriebsrats wirksam. Der Betriebsrat müsse dafür aber mindestens zwei Wochen vor Anzeigeerstattung, also vor Vollständigkeit der Anzeige nach § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG, unterrichtet worden sein (§ 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG). Da die T. den Betriebsrat am 7. April 2005 informiert habe und die an die Agentur für Arbeit gerichtete Stellungnahme des Betriebsrats unter dem 21. April 2005 erfolgt sei, greife die Rüge der Revision nicht, die Unterrichtung des Betriebsrats zwei Wochen zuvor sei nicht glaubhaft gemacht worden.
bb) Auch die Rüge der Revision, die T. habe die Massenentlassung schon vor Ende des Konsultationsverfahrens im Sinne des Art. 2 der Richtlinie 98/59/EG des Rates vom 20. Juli 1998 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen (ABl. EG Nr. L 225 vom 12. August 1998 S. 16 – Massenentlassungsrichtlinie, im Folgenden: MERL) vorgenommen, bleibe ohne Erfolg.
Allerdings sei die Einigung der Arbeitgeberin mit dem Betriebsrat über einen Interessenausgleich und Sozialplan nach den §§ 111 ff. BetrVG weder im Zeitpunkt der Anzeige gegenüber der Agentur für Arbeit noch im Zeitpunkt ihrer Vervollständigung durch die Stellungnahme des Betriebsrats vom 21. April 2005 erzielt gewesen. Jedoch bedeute auch bei richtlinienkonformem Verständnis des § 17 KSchG „Ende des Konsultationsverfahrens” nicht, dass die Beratungen zu Interessenausgleich und Sozialplan abgeschlossen sein müssten. Weder nach nationalem Recht noch nach Art. 2 Abs. 1, Abs. 2 MERL sei Voraussetzung, dass außer der Unterrichtung des Betriebsrats und der Beratung mit dem Betriebsrat auch eine Einigung vor Durchführung der Massenentlassung erzielt worden sein müsse. Sowohl nach der MERL als auch nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften sei die Rechtslage klar. In seiner Entscheidung vom 27. Januar 2005 (– C-188/03 –, AP KSchG 1969 § 17 Nr. 18 ≪Junk≫) habe der Gerichtshof klargestellt, dass der Arbeitgeber Arbeitsverträge nicht kündigen dürfe, bevor er das Konsultationsverfahren im Sinne des Art. 2 MERL und das Anzeigeverfahren (Art. 3 und 4 MERL) „eingeleitet hat”. Dabei sei das Konsultationsverfahren nach Art. 2 Abs. 1 MERL zu führen, „um zu einer Einigung zu gelangen”. Art. 2 MERL begründe „eine Verpflichtung zu Verhandlungen”. Die Kündigung dürfe erst ausgesprochen werden, nachdem der Arbeitgeber „die Verpflichtungen nach Artikel 2 der Richtlinie erfüllt hat”, also die in Rn. 42 und 43 des Urteils näher beschriebenen Konsultationspflichten. Mit der Erfüllung dieser Verpflichtung sei das Konsultationsverfahren beendet und eine Kündigung könne ausgesprochen werden. Eine Pflicht zur Einigung sei auch dem Wortlaut des Art. 2 MERL nicht zu entnehmen. Daher müssten Interessenausgleich und Sozialplan nicht vor Erstattung der Anzeige abgeschlossen worden sein.
Im Übrigen habe der Betriebsrat mit seiner Stellungnahme gegenüber der Agentur für Arbeit vom 21. April 2005 bestätigt, dass die Angaben in der Anzeige der T. zuträfen und dass er von der Betriebsschließung und den anstehenden Entlassungen unterrichtet worden sei. Durch die weiter erfolgte Mitteilung, der Betriebsrat schließe sich den angezeigten Entlassungen an, habe er zudem zum Ausdruck gebracht, dass die Konsultationen im Sinne von Art. 2 MERL zwischen ihm und der T. abgeschlossen gewesen seien.
3. Nach Zurückweisung einer Anhörungsrüge rügt der Beschwerdeführer mit der Verfassungsbeschwerde eine Verletzung von Art. 12 Abs. 1, Art. 101 Abs. 1 Satz 2 und Art. 103 Abs. 1 GG.
4. Die Bundesregierung, der Senat von Berlin und die gegnerischen Parteien des Ausgangsverfahrens haben Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten.
Entscheidungsgründe
II.
Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung gemäß § 93c Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 93a Abs. 2 BVerfGG sind erfüllt, soweit sich der Beschwerdeführer gegen die Zurückweisung seiner Revision gegenüber der Beklagten zu 1) wendet. Das Bundesverfassungsgericht hat die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen bereits entschieden (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG), und die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist zur Durchsetzung des grundrechtsgleichen Rechts des Beschwerdeführers aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Verfassungsbeschwerde ist insoweit offensichtlich begründet (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG).
1. Das Bundesarbeitsgericht hat das Recht des Beschwerdeführers auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) verletzt, indem es von einem Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften gemäß Art. 234 Abs. 3 EG abgesehen hat.
a) Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften ist gesetzlicher Richter im Sinne des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Es stellt einen Entzug des gesetzlichen Richters dar, wenn ein nationales Gericht seiner Pflicht zur Anrufung des Gerichtshofs im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 234 EG nicht nachkommt (vgl. BVerfGE 73, 339 ≪366 f.≫; 82, 159 ≪192 ff.≫; stRspr).
Das Bundesverfassungsgericht wird durch die grundrechtsgleiche Gewährleistung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG jedoch nicht zu einem Kontrollorgan, das jeden einem Gericht unterlaufenen Verfahrensfehler korrigieren müsste. Es beanstandet vielmehr die Auslegung und Anwendung von Verfahrensnormen nur, wenn sie bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz bestimmenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheinen und offensichtlich unhaltbar sind (vgl. BVerfGE 82, 159 ≪194≫; BVerfGK 8, 401 ≪404≫).
Hinsichtlich der Vorlagepflicht nach Art. 234 EG wurde dieser Maßstab vom Bundesverfassungsgericht durch bestimmte beispielhafte Fallgruppen näher präzisiert (vgl. BVerfGE 82, 159 ≪195≫; BVerfGK 10, 19 ≪29 f.≫).
Die Vorlagepflicht nach Art. 234 EG zur Klärung der Auslegung gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften wird in verfassungswidriger Weise gehandhabt, wenn ein letztinstanzliches Gericht eine Vorlage trotz der – seiner Auffassung nach bestehenden – Entscheidungserheblichkeit der gemeinschaftsrechtlichen Frage überhaupt nicht in Erwägung zieht, obwohl es selbst Zweifel hinsichtlich der richtigen Beantwortung der Frage hat (grundsätzliche Verkennung der Vorlagepflicht; vgl. BVerfGE 82, 159 ≪195≫). Gleiches gilt in den Fällen, in denen das letztinstanzliche Gericht in seiner Entscheidung bewusst von der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu entscheidungserheblichen Fragen abweicht und gleichwohl nicht oder nicht neuerlich vorlegt (bewusstes Abweichen von der Rechtsprechung des Gerichtshofs ohne Vorlagebereitschaft; vgl. BVerfGE 75, 223 ≪245≫; 82, 159 ≪195≫).
Liegt zu einer entscheidungserheblichen Frage des Gemeinschaftsrechts einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften noch nicht vor oder hat er die entscheidungserhebliche Frage möglicherweise noch nicht erschöpfend beantwortet oder erscheint eine Fortentwicklung der Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht nur als entfernte Möglichkeit (Unvollständigkeit der Rechtsprechung), so wird Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt, wenn das letztinstanzliche Hauptsachegericht den ihm in solchen Fällen notwendig zukommenden Beurteilungsrahmen in unvertretbarer Weise überschritten hat. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn mögliche Gegenauffassungen zu der entscheidungserheblichen Frage des Gemeinschaftsrechts gegenüber der vom Gericht vertretenen Meinung eindeutig vorzuziehen sind (vgl. BVerfGE 82, 159 ≪195 f.≫; BVerfGK 10, 19 ≪29≫). In diesem Zusammenhang ist auch zu prüfen, ob sich das Gericht hinsichtlich des europäischen Rechts ausreichend kundig gemacht hat. Hat es dies nicht getan, verkennt es regelmäßig die Bedingungen für die Vorlagepflicht. Zudem hat das Gericht Gründe anzugeben, die dem Bundesverfassungsgericht eine Kontrolle am Maßstab des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ermöglichen (vgl. BVerfGK 8, 401 ≪405≫; 10, 19 ≪31≫; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 20. Februar 2008 – 1 BvR 2722/06 –, NVwZ 2008, S. 780 ≪780 f.≫; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 9. Januar 2001 – 1 BvR 1036/99 –, juris Rn. 21).
Bei den in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts genannten Fallgruppen handelt es sich um eine nicht abschließende Aufzählung von Beispielen für eine verfassungsrechtlich erhebliche Verletzung der Vorlagepflicht. Dabei kommt es für die Frage nach einer Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter gemäß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG durch Nichtvorlage an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften im Ausgangspunkt nicht in erster Linie auf die Vertretbarkeit der fachgerichtlichen Auslegung des für den Streitfall maßgeblichen materiellen Gemeinschaftsrechts – hier etwa der MERL – an, sondern auf die Beachtung oder Verkennung der Voraussetzungen der Vorlagepflicht nach der Vorschrift des Art. 234 Abs. 3 EG, die den gesetzlichen Richter im Streitfall bestimmt. Die Vertretbarkeit des Unterlassens eines Vorabentscheidungsersuchens muss daher im Zusammenhang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften zu Art. 234 Abs. 3 EG gesehen werden. Hiernach muss ein Gericht seiner Vorlagepflicht nachkommen, wenn sich in dem bei ihm anhängigen Verfahren eine entscheidungserhebliche Frage des Gemeinschaftsrechts stellt, es sei denn, das Gericht hat festgestellt, dass die betreffende Bestimmung des Gemeinschaftsrechts bereits Gegenstand einer Auslegung des Gerichtshofs war oder dass die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 – C-283/81 –, Slg. 1982, S. 03415, Rn. 21; Urteil vom 15. September 2005 – C-495/03 –, Rn. 33; Urteil vom 6. Dezember 2005 – C-461/03 –, Rn. 16; stRspr). Davon darf das innerstaatliche Gericht aber nur dann ausgehen, wenn es überzeugt ist, dass auch für die Gerichte der übrigen Mitgliedstaaten und für den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften die gleiche Gewissheit bestünde. Nur dann darf das Gericht von einer Vorlage absehen und die Frage in eigener Verantwortung lösen (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 – C-283/81 –, Slg. 1982, S. 03415, Rn. 16). Denn Art. 234 Abs. 3 EG soll insbesondere verhindern, dass sich in einem Mitgliedstaat eine nationale Rechtsprechung herausbildet, die mit den Normen des Gemeinschaftsrechts nicht im Einklang steht (vgl. EuGH, Urteil vom 15. September 2005 – C-495/03 –, Rn. 29).
Bezogen auf diese für die Anwendung des Art. 234 Abs. 3 EG maßgeblichen Grundsätze wird ein letztinstanzliches nationales Gericht, das von einem Vorabentscheidungsersuchen absieht, dem Recht der Prozessparteien auf den gesetzlichen Richter gemäß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG in der Regel nur dann gerecht, wenn es nach Auswertung der entscheidungserheblichen Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts eine vertretbare Begründung dafür gibt, dass die maßgebliche Rechtsfrage durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften bereits entschieden ist oder dass die richtige Antwort auf diese Rechtsfrage offenkundig ist. Die gemeinschaftsrechtliche Rechtsfrage wird hingegen nicht zumindest vertretbar beantwortet, wenn das nationale Gericht eine eigene Lösung entwickelt, die nicht auf die bestehende Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften zurückgeführt werden kann und auch nicht einer eindeutigen Rechtslage entspricht. Dann erscheint die fachgerichtliche Rechtsanwendung des Art. 234 Abs. 3 EG nicht mehr verständlich und ist offensichtlich unhaltbar (vgl. zu diesem Maßstab BVerfGK 10, 19 ≪29≫).
b) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat das Bundesarbeitsgericht Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt, indem es von einem Vorabentscheidungsersuchen wegen der im Zusammenhang mit der Massenentlassungsanzeige zu klärenden Fragen abgesehen hat.
aa) Das Bundesarbeitsgericht hätte nicht ohne Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften entscheiden dürfen, die T. habe unter Berücksichtigung des zeitlichen Zusammenhangs mit dem Konsultationsverfahren eine ordnungsgemäße, für die Wirksamkeit der Kündigung unverzichtbare Massenentlassungsanzeige gegenüber der Agentur für Arbeit erstattet.
Der im Ausgangsverfahren zu beurteilende Sachverhalt warf nicht nur die Frage auf, ob die Beratungen des Arbeitgebers mit dem Betriebsrat erst mit dem Abschluss von Interessenausgleich und Sozialplan abgeschlossen sind, sondern auch die Frage, ob der Arbeitgeber die beabsichtigten Massenentlassungen erst nach dem Ende der Konsultationen mit dem Betriebsrat gegenüber der Agentur für Arbeit anzuzeigen hat. Der durch die MERL vorgegebene Ablauf der Beteiligung des Betriebsrats im Verfahren der Massenentlassungsanzeige ist in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften noch nicht erschöpfend geklärt und kann auch nicht eindeutig unmittelbar aus der MERL hergeleitet werden. Das Bundesarbeitsgericht hat diesbezüglich die Bedingungen für eine Vorlagepflicht aus Art. 234 Abs. 3 EG in Verbindung mit Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verkannt, weil es im angegriffenen Revisionsurteil nicht dargelegt hat, dass es sich hinsichtlich des europäischen Rechts ausreichend kundig gemacht hat. Es fehlen jegliche Ausführungen dazu, dass die maßgebliche Frage des Gemeinschaftsrechts bereits durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften entschieden ist oder warum die richtige Antwort auf diese Rechtsfrage offenkundig sein soll.
(1) Die Frage, ob der Arbeitgeber die beabsichtigten Massenentlassungen erst nach dem Ende der Konsultationen mit dem Betriebsrat gegenüber der Agentur für Arbeit anzuzeigen hat, ist weder nach Wortlaut und Systematik der Art. 2 und 3 MERL noch nach dem Zweck der Konsultationspflicht eindeutig zu beantworten.
In der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften finden sich hierzu nur wenige Anhaltspunkte. Das Urteil vom 27. Januar 2005 (– C-188/03 –, AP KSchG 1969 § 17 Nr. 18 ≪Junk≫) besagt nur, dass der Arbeitgeber die Arbeitsverträge erst „nach Ende des Konsultationsverfahrens” und „nach der Anzeige der beabsichtigten Massenentlassung” kündigen darf. In den dieser Entscheidung vorangegangenen Schlussanträgen vom 30. September 2004 ist Generalanwalt Tizzano allerdings auch auf die zeitliche Abfolge der Konsultationen nach Art. 2 MERL und der Anzeige der beabsichtigten Massenentlassungen nach Art. 3 MERL eingegangen (Slg. 2005 S. I-637, Rn. 61 f.): Die zweite Phase des Massenentlassungsverfahrens, die in der Anzeige der beabsichtigten Massenentlassung bei der zuständigen Behörde bestehe, könne nur auf die erste Phase, die Konsultation der Arbeitnehmervertreter, folgen, da der Arbeitgeber die Konsultationen in der Anzeige erwähnen müsse. Nur diese Lösung entspreche dem Zweck der zweiten Phase, da in dieser Phase die Behörde nach Lösungen für die durch die beabsichtigten Massenentlassungen aufgeworfenen Probleme zu suchen habe (Art. 4 Abs. 2 MERL), was hauptsächlich dann notwendig sei, wenn es nicht bereits „zwischen den Parteien” zu einer Einigung gekommen sei. Schon früher hatte Generalanwalt Cosmas die Konsultation der Arbeitnehmervertreter und die Anzeige der geplanten Massenentlassung an die zuständige Behörde als „aufeinanderfolgende Phasen” bezeichnet (Schlussanträge vom 24. September 1998 – C-250/97 –, Slg. 1998 S. I-8737, Rn. 45 f.).
Dass es sich um eine offene Frage handelt, zeigt zudem die folgende Gegenüberstellung der veröffentlichten Meinungen. Eine zeitliche Reihenfolge von Abschluss des Konsultationsverfahrens und erst anschließender Erstattung der Massenentlassungsanzeige wird teilweise ausdrücklich abgelehnt (vgl. Giesen, SAE 2006, S. 135 ≪138 f.≫; Kerwer, SAE 2009, S. 143 ≪144 f.≫; Weber, ArbuR 2008, S. 365 ≪370≫; Franzen, ZfA 2006, S. 437 ≪456≫; Kiel, in: ErfK, 9. Aufl. 2009, § 17 KSchG Rn. 22). Häufig wird – in Übereinstimmung mit den erwähnten Schlussanträgen der Generalanwälte – eine solche zeitliche Reihenfolge der Verfahrensabschnitte aber befürwortet oder zumindest ohne nähere Begründung vorausgesetzt (vgl. ArbG Berlin, Vorlagebeschluss vom 21. Februar 2006, NZA 2006, S. 739 ≪743≫; Wolter, ArbuR 2005, S. 135 ≪137 f.≫; Klumpp, NZA 2006, S. 703 ≪706 f.≫; Oetker/Schubert, in: Oetker/Preis, EAS, B 8300 Rn. 410, 413 ≪August 2009≫; Nicolai, NZA 2005, S. 206 ≪208≫; Lembke, BB 2007, S. 161 ≪162≫; Lembke/Oberwinter, NJW 2007, S. 721 ≪724≫; Bauer/Krieger/Powietzka, DB 2005, S. 445 ≪447≫; Bauer/Krieger, NZA 2009, S. 174 ≪175≫; Kleinebrink, FA 2005, S. 130 ≪132≫; Volkening, in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, Arbeitsrecht, § 17 KSchG Rn. 55a; Pfeiffer, in: Fiebig/Gallner/Nägele, Kündigungsschutzrecht, 3. Aufl. 2007, § 17 KSchG Rn. 42, 62; v. Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, 14. Aufl. 2007, § 17 Rn. 51; vgl. auch: Weigand, in: KR, 9. Aufl. 2009, § 17 KSchG Rn. 75; Wißmann, RdA 1998, S. 221 ≪226≫).
(2) Im angegriffenen Revisionsurteil hat das Bundesarbeitsgericht weder gemeinschaftsrechtlich noch nach nationalem Recht ausdrücklich dazu Stellung genommen, ob der Arbeitgeber die Massenentlassungsanzeige grundsätzlich erst nach dem Ende der Beratungen mit dem Betriebsrat wirksam erstatten kann. Es hat aber geprüft, ob das Konsultationsverfahren im Zeitpunkt der Erstattung der Anzeige beendet war, und deshalb zu Gunsten der T … entschieden, weil für das Ende des Konsultationsverfahrens nicht der Abschluss eines Interessenausgleichs und Sozialplans zu verlangen sei. Folglich muss das Bundesarbeitsgericht grundsätzlich davon ausgegangen sein, die Beratungen des Arbeitgebers mit dem Betriebsrat im Sinne des § 17 Abs. 2 Satz 2 KSchG müssten schon im Zeitpunkt der Anzeige stattgefunden haben. Anderenfalls hätte für die Feststellung einer insoweit ordnungsgemäßen Anzeige der bloße Hinweis darauf gereicht, dass bei Ausspruch der Kündigung – als dem anderen in diesem Zusammenhang denkbaren Zeitpunkt – die Beratungen mit dem Betriebsrat beendet waren, weil sogar schon Interessenausgleich und Sozialplan vorlagen.
Dass die Beratungen mit dem Betriebsrat im Sinne des § 17 Abs. 2 Satz 2 KSchG im Zeitpunkt der Anzeige bereits stattgefunden hatten, hat das Bundesarbeitsgericht aus der am 21. April 2005 übermittelten Stellungnahme des Betriebsrats geschlossen. Auf den ersten Blick scheint dabei jedoch das gegenteilige Ergebnis nahe zu liegen, da die Anzeige schon am 14. April 2005 bei der Agentur für Arbeit eingegangen war, also vor der Stellungnahme des Betriebsrats, die aus der Sicht des Bundesarbeitsgerichts die Konsultationen bestätigte. Das Bundesarbeitsgericht nimmt aber an, die Anzeige habe erst am 21. April 2005 wirksam werden können, da die Beifügung der Stellungnahme des Betriebsrats nach § 17 Abs. 3 Satz 1 und 2 KSchG Wirksamkeitsvoraussetzung der Massenentlassungsanzeige sei, und sie sei daher erst mit Übermittlung der Stellungnahme des Betriebsrats am 21. April 2005 vollständig bei der Agentur für Arbeit eingegangen. Dementsprechend fielen das Ende des Konsultationsverfahrens, das aus Sicht des Bundesarbeitsgerichts durch die Übermittlung der Stellungnahme des Betriebsrats belegt war, und die Erstattung der Anzeige, die fiktiv auf den Zeitpunkt der Übermittlung der Stellungnahme verlegt wurde, zeitlich nicht auseinander.
Das Bundesarbeitsgericht stützt diese Erwägungen auf einige Kommentare, in denen es heißt, die Stellungnahme des Betriebsrats könne vom Arbeitgeber nachgereicht werden (vgl. Weigand, in: KR, 9. Aufl. 2009, § 17 KSchG Rn. 92; Kiel, in: ErfK, 9. Aufl. 2009, § 17 KSchG Rn. 32; v. Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, 14. Aufl. 2007, § 17 Rn. 92; Lembke/Oberwinter, in: Thüsing/Laux/Lembke, KSchG, § 17 Rn. 116 ff.). Diese Stimmen in der Literatur beziehen sich aber zunächst nur auf die Erfüllung der formalen Pflichten des Arbeitgebers gegenüber der Agentur für Arbeit. Allein aus der Zulässigkeit einer nachträglichen Übermittlung der Stellungnahme des Betriebsrats kann jedoch nicht ohne weiteres gefolgert werden, der Arbeitgeber habe in einem solchen Fall stets auch die materiellen Voraussetzungen der Beteiligung des Betriebsrats im Verfahren der Massenentlassungsanzeige und die sich daraus möglicherweise ergebenden Anforderungen an den zeitlichen Ablauf der Konsultationen mit dem Betriebsrat und der Anzeige gegenüber der Agentur für Arbeit beachtet.
Vielmehr sind zwei Fallgestaltungen zu unterscheiden: Sind die Konsultationen des Arbeitgebers mit dem Betriebsrat im Sinne des § 17 Abs. 2 Satz 2 KSchG, Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 MERL wirklich beendet und zeigt der Arbeitgeber sodann die beabsichtigten Massenentlassungen bei der Agentur für Arbeit an, müssen hinsichtlich der Beteiligung des Betriebsrats im Verfahren der Massenentlassungsanzeige selbst dann keine durchgreifenden Bedenken bestehen, wenn der Arbeitgeber die schriftliche Stellungnahme des Betriebsrats nicht zeitgleich mit der Anzeige bei der Agentur für Arbeit vorlegt, sondern von § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG abweichend später nachreicht. Gibt es aber dafür, dass Beratungen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat im Sinne des § 17 Abs. 2 Satz 2 KSchG, Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 MERL stattgefunden haben und dass sie beendet sind, nach dem vom Gericht ausgewerteten Parteivortrag keinen anderen Anhaltspunkt als die Stellungnahme des Betriebsrats, kommt dieser Stellungnahme über die Erfüllung der formalen Pflicht des Arbeitgebers aus § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG eine zusätzliche Bedeutung zu.
Für die Frage der Vorlagepflicht nach Art. 234 Abs. 3 EG ist aber ausschlaggebend, dass die Rechtsanwendung des Bundesarbeitsgerichts einer Überprüfung durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften am Maßstab des Gemeinschaftsrechts bedarf. Das Bundesarbeitsgericht könnte mit der Fiktion, der Arbeitgeber habe die Massenentlassungsanzeige später als tatsächlich geschehen erstattet, der möglicherweise europarechtlich gebotenen Reihenfolge von Konsultationsverfahren und Anzeige der beabsichtigten Massenentlassungen nicht gerecht geworden sein. Sollte die MERL nach ihrem Wortlaut, ihrer Systematik sowie ihrem Regelungszweck fordern, dass die Konsultationen des Arbeitgebers mit dem Betriebsrat vor der Anzeige der beabsichtigten Massenentlassungen abgeschlossen sind, könnte dies einer Auslegung und Anwendung nationaler Vorschriften entgegenstehen, nach der der Mangel einer vorzeitigen Anzeige unter bestimmten Umständen unbeachtlich ist, wenn die Stellungnahme des Betriebsrats bei der Agentur für Arbeit nachgereicht wird.
Das Bundesarbeitsgericht setzt sich zu dieser Frage nicht mit den einschlägigen gemeinschaftsrechtlichen Rechtsgrundlagen auseinander, sondern hat seine Lösung ausschließlich durch Anwendung nationaler Vorschriften entwickelt, deren so verstandener Regelungsinhalt in der MERL keine unmittelbare Entsprechung findet. Die MERL wird im angegriffenen Revisionsurteil nur unter dem Gesichtspunkt angesprochen, ob das Konsultationsverfahren erst mit dem Abschluss eines Interessenausgleichs und Sozialplans als beendet angesehen werden kann. Daher bleibt unklar, ob und inwieweit das Bundesarbeitsgericht erkannt hat, es könnte europarechtlich vorgezeichnet sein, dass die Beratungen mit dem Betriebsrat im Zeitpunkt der Anzeige der Massenentlassungen gegenüber der Agentur für Arbeit grundsätzlich – wenn auch nicht durch Abschluss von Interessenausgleich und Sozialplan – beendet sein müssen, so dass eine der Sache nach zu Gunsten des Arbeitgebers angenommene Ausnahme mit den Vorgaben der MERL kollidieren könnte.
(3) Die Antwort auf diese Rechtsfrage war für die Entscheidung des Kündigungsschutzverfahrens gegenüber der T … erheblich.
Das Bundesarbeitsgericht hat zwar nicht ausdrücklich dargelegt und begründet, eine wegen der Missachtung einer möglicherweise vorgeschriebenen Reihenfolge von Konsultations- und Anzeigeverfahren nicht ordnungsgemäße Massenentlassungsanzeige könne zur Unwirksamkeit der Kündigung des Arbeitsverhältnisses führen. Die Rechtsfolgen einer nicht ordnungsgemäßen Massenentlassungsanzeige sind nach der durch das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 27. Januar 2005 (– C-188/03 –, AP KSchG 1969 § 17 Nr. 18 ≪Junk≫) vorgegebenen Änderung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auch noch nicht abschließend geklärt (vgl. BAG, Urteil vom 23. März 2006 – 2 AZR 343/05 –, AP KSchG 1969 § 17 Nr. 21; Urteil vom 13. Juli 2006 – 6 AZR 198/96 –, AP KSchG 1969 § 17 Nr. 22; Urteil vom 29. November 2007 – 2 AZR 763/06 –, AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 95; Urteil vom 28. Mai 2009 – 8 AZR 273/08 –, juris; Weigand, in: KR, 9. Aufl. 2009, § 17 KSchG Rn. 101; Lembke/Oberwinter, in: Thüsing/Laux/Lembke, KSchG, § 17 Rn. 135 ff.; Pfeiffer, in: Fiebig/Gallner/Nägele, Kündigungsschutzrecht, 3. Aufl. 2007, § 17 KSchG Rn. 82). Allerdings werden die gesamten Ausführungen zur Massenentlassungsanzeige im angegriffenen Revisionsurteil mit dem Obersatz eingeleitet, die Kündigung sei nicht nach § 17 Abs. 1 KSchG in Verbindung mit § 134 BGB rechtsunwirksam. Auf der Grundlage der darin zum Ausdruck kommenden eigenen Auffassung des Bundesarbeitsgerichts kann deshalb gegen eine Entscheidungserheblichkeit einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften nicht eingewandt werden, der mögliche Mangel der Anzeige der T. hätte auf die Wirksamkeit der zur gerichtlichen Überprüfung gestellten Kündigung keinen Einfluss.
bb) Hingegen erscheint es jedenfalls vertretbar, dass das Bundesarbeitsgericht ohne ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 Abs. 3 EG entschieden hat, dass die Beratung nach § 17 Abs. 2 Satz 2 KSchG keine Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat über den Abschluss eines Interessenausgleichs und eines Sozialplans gemäß §§ 111 ff. BetrVG voraussetzt und dass Interessenausgleich und Sozialplan deshalb nicht vor Erstattung der Massenentlassungsanzeige gegenüber der Agentur für Arbeit abgeschlossen sein müssen. Zwar ist die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften auch zum notwendigen Inhalt der Beratungen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat nach Art. 2 MERL unvollständig, und auch unter deutschen Arbeitsrechtlern wird nicht einheitlich beurteilt, ob die Beratung von Arbeitgeber und Betriebsrat im Sinne des § 17 Abs. 2 Satz 2 KSchG vor Erstattung der Massenentlassungsanzeige zu einer Einigung im Sinne eines Interessenausgleichs und Sozialplans geführt haben muss (vgl. nur Wolter, ArbuR 2005, S. 135 ≪138≫; Weber, ArbuR 2008, S. 365 ≪370 ff.≫; Weigand, in: KR, 9. Aufl. 2009, § 17 KSchG Rn. 62; Oetker/Schubert, in: Oetker/Preis, EAS, B 8300 Rn. 413 ff., 436 ≪August 2009≫; Franzen, ZfA 2006, S. 437 ≪451 ff.≫). Die Begründung des Bundesarbeitsgerichts dafür, dass die europarechtliche Rechtslage insoweit klar ist, begegnet aber im Ergebnis keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
2. Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Insoweit wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG von einer Begründung abgesehen.
3. Das Revisionsurteil ist teilweise – soweit es den Rechtsstreit gegenüber der T. als Beklagten zu 1) betrifft – aufzuheben, und die Sache wird insoweit an das Bundesarbeitsgericht zurückverwiesen (§ 95 Abs. 2 BVerfGG).
Die Entscheidung über die Auslagenerstattung folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG.
Unterschriften
Papier, Bryde, Schluckebier
Fundstellen
Haufe-Index 2316438 |
DStR 2010, 14 |
NJW 2010, 1268 |
NJW 2010, 8 |
EuGRZ 2010, 247 |
EWiR 2010, 259 |
FA 2010, 147 |
NZA 2010, 14 |
NZA 2010, 439 |
NZG 2010, 461 |
ZIP 2010, 642 |
ZTR 2010, 322 |
AnwBl 2010, 372 |
EzA-SD 2010, 15 |
EzA 2010 |
JA 2010, 674 |
NZI 2010, 54 |
ZInsO 2010, 865 |
AUR 2010, 179 |
ArbRB 2010, 103 |
ArbR 2010, 167 |
EuZA 2011, 97 |
SPA 2010, 2 |
ZESAR 2010, 294 |