Entscheidungsstichwort (Thema)
Mangelende Selbstbetroffenheit einer KG
Leitsatz (redaktionell)
1. Mangels Selbstbetroffenheit ist eine von einer KG gegen die einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung erhobene Verfassungsbeschwerde unzulässig, da nicht die KG, sondern die hinter ihr stehenden natürlichen Personen von der Gewinnfeststellung berührt sind. Die geschäftsführende Komplementär-GmbH kann als inländische juristische Person des privaten Rechts die gerügten Grundrechte mit der Verfassungsbeschwerde geltend machen, da sie ihrem Wesen nach auch auf juristische Personen anwendbar sind.
2. Eine Verfassungsbeschwerde ist mangels Rechtswegerschöpfung unzulässig, wenn über die gegen einen Feststellungsbescheid eingelegten Rechtsmittel (hier: Einspruch und gleichzeitig erhobene Sprungklage) noch nicht entschieden ist und die Voraussetzungen einer Vorabentscheidung, nämlich allgemeine Bedeutung oder Unzumutbarkeit der (weiteren) Beschreitung des Rechtsweges, nicht vorliegen.
3. Mit der Entscheidung des IV. Senats des BFH vom 10. Juli 1986 IV R 12/81 (BStBl. II 1986 S. 811) zur Wiedereinführung der Geprägetheorie liegt bereits deshalb noch keine gefestigte einheitliche höchstrichterliche Rechtsprechung vor, weil weitere Senate für die revisionsrechtliche Überprüfung der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung für Personengesellschaften mit gewerblichen Einkünften zuständig sind.
Normenkette
BVerfGG § 90 Abs. 1, 2 S. 2; EStG § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Abs. 3 Nr. 2, § 1 Abs. 1 S. 1, § 52 Abs. 20b
Gründe
1. a) Die Beschwerdeführerin zu 1) ist als KG nicht beschwerdebefugt. Sie ist als solche nicht einkommensteuerpflichtig, sondern nur die dahinterstehenden natürlichen Personen. Die einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte aus dem von einer Personengesellschaft betriebenen Unternehmen betrifft nicht die Gesellschaft, sondern die Personen (Mitunternehmer), die an den Einkünften aus dem Gewerbebetrieb beteiligt sind.
Eine von der KG gegen die einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung erhobene Verfassungsbeschwerde ist deshalb unzulässig.
b) Die geschäftsführende Komplementär-GmbH kann als inländische juristische Person des privaten Rechts die gerügten Grundrechte mit der Verfassungsbeschwerde geltend machen, da sie ihrem Wesen nach auch auf juristische Personen anwendbar sind.
2. Die Beschwerdeführer zu 2) bis 5) haben den Rechtsweg gemäß § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG nicht erschöpft. Die Voraussetzungen für eine Vorabentscheidung nach § 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG wegen allgemeiner Bedeutung der Verfassungsbeschwerden sind nicht gegeben. Über den gegen den Feststellungsbescheid vom 20. November 1986 eingelegten Einspruch bzw. die gleichzeitig erhobene Sprungklage gemäß § 45 Abs. 1 Satz 1 FGO ist noch nicht entschieden worden.
§ 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG ist Ausdruck des Grundsatzes der Subsidiarität. Die Verfassungsbeschwerde ist ein außerordentlicher Rechtsbehelf, der erst und nur dann zulässig ist, wenn ein anders nicht mehr zu behebender Grundrechtsverstoß ausgeräumt werden soll. Teilt das mit der Sache befaßte Gericht die Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes, so wird es von sich aus die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nach Art. 100 GG einholen. Unterbleibt diese Vorlage, so ist dem Beschwerdeführer die Verfassungsbeschwerde nach Rechtswegerschöpfung unbenommen.
Nur eine solche einschränkende Auslegung entspricht dem Grundgedanken des § 90 Abs. 2 BVerfGG und dem Zweck der Verfassungsbeschwerde. Im Hinblick auf den umfassenden Rechtsschutz durch die Gerichte soll sie nicht einen wahlweisen Rechtsbehelf neben den sonstigen Rechtswegen gewähren, sondern erst und nur dann zulässig sein, wenn sie trotz Erschöpfung der regelmäßigen verfahrensrechtlichen Möglichkeiten zur Verhinderung einer Grundrechtsverletzung erforderlich wird.
Es entspricht der grundgesetzlichen Zuständigkeitsverteilung und Aufgabenzuweisung, daß vorrangig die Fachgerichte Rechtsschutz gegen Verfassungsverletzungen selbst gewähren.
Das Bundesverfassungsgericht kann gemäß § 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG zwar ausnahmsweise vor Erschöpfung des Rechtsweges entscheiden. Über die in dieser Vorschrift genannten Voraussetzungen hinaus hat das Bundesverfassungsgericht in engen Grenzen unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit ebenfalls im Einzelfall eine Vorabentscheidung zugelassen. Danach kann eine Rechtswegerschöpfung entbehrlich sein, wenn im Hinblick auf eine gefestigte jüngere und einheitliche Rechtsprechung auch im konkreten Einzelfall kein von dieser Rechtsprechung abweichendes Ergebnis zu erwarten ist.
Das Bundesverfassungsgericht ist aber auch bei Vorliegen einer dieser Voraussetzungen nicht verpflichtet, vorab zu entscheiden. Wortlaut und Sinn des § 90 Abs. 2 BVerfGG gebieten vielmehr, daß das Bundesverfassungsgericht auch andere für oder gegen eine Sofortentscheidung sprechende Umstände gegeneinander abwägt. Die allgemeine Bedeutung der Verfassungsbeschwerde ist nur ein Moment der Abwägung für und wider die sofortige Sachentscheidung des Bundesverfassungsgerichts.
Ein wesentlicher Aspekt im Rahmen dieser Abwägung ist, daß sich bei der Vielzahl anhängiger Verfahren, die wichtige verfassungsrechtliche Fragen aufwerfen, die über § 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG erreichbare zeitliche Bevorzugung nur rechtfertigen läßt, wenn sie unter Berücksichtigung der Dringlichkeit der übrigen Verfahren offensichtlich geboten ist.
Dies ist hier nicht der Fall. Vorliegend fehlt es bereits an der erforderlichen Tatsachenfeststellung, insbesondere hinsichtlich der Frage, ob gegebenenfalls die Voraussetzungen für die Annahme eines Gewerbebetriebes gemäß § 15 Abs. 2 EStG vorliegen, so daß die mit der Verfassungsbeschwerde aufgeworfenen Fragen nicht entscheidungserheblich werden. Ebensowenig läßt sich der von den Beschwerdeführern behauptete Mehrgewinn infolge der Gewinnermittlung durch Vermögensbestandsvergleich gemäß § 4 Abs. 1 EStG im Vergleich zu einer Ermittlung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG) im Wege der Überschuß-Rechnung ohne entsprechende Ermittlungen feststellen. Es ist jedoch keinesfalls Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts, derartige Tatsachen festzustellen.
Des weiteren bedarf es der gesicherten einfachrechtlichen Prüfung, ob die Vorausetzung des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG bei einer vermögensverwaltenden GmbH & Co. KG, wonach ausschließlich Kapitalgesellschaften persönlich haftende Gesellschafter sein dürfen, insoweit fehlt, weil es sich zivilrechtlich um eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts handelt, bei welcher die Gesellschafter grundsätzlich unbeschränkt haften.
Mit der Entscheidung des IV. Senats des BFH vom 10. Juli 1986 IV R 12/81 (BStBl. II 1986 S. 811) liegt bereits deshalb noch keine gefestigte einheitliche höchstrichterliche Rechtsprechung vor, weil weitere Senate für die revisionsrechtliche Überprüfung der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung für Personengesellschaften mit gewerblichen Einkünften zuständig sind.
Schließlich kann nach der Verfassungsbeschwerde auch die vorrangige Durchführung eines Verfahrens über eine Billigkeitsmaßnahme gemäß § 163 Abs. 1 AO im Hinblick auf das Schreiben des Bundesministers der Finanzen vom 17. März 1986 – IV B 2 – S 2241 – 17/86 – 3 in Frage kommen.
Bei einer Gesamtwürdigung aller Gesichtspunkte rechtfertigt allein der Umstand, daß eine Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG Klarheit über die Rechtslage in einer Vielzahl gleichgelagerter Fälle schaffen könnte, hier keine Vorabentscheidung.
Fundstellen