Zusammenfassung
Zum 1.7.2023 ist das lang erwartete reformierte Stiftungsrecht – und damit die größte Umgestaltung des Stiftungsrechts seit Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzesbuchs (BGB) – in Kraft getreten. Ohne dass dabei das Stiftungsrecht neu erfunden wird, werden mit den Neuregelungen viele bislang unklare, widersprüchliche oder lückenhafte Punkt zusammengeführt, ergänzt und klargestellt. Entstanden ist ein schlüssiges Gesamtkonzept, dass für bestehende und zukünftig neu errichtete Stiftungen Anpassungspotential und Anpassungsbedarf gleichermaßen schafft. .
Der folgende Überblick umreißt die Änderungen, die sich zum 1.7.2023 ergeben haben. Eine umfassende Darstellung des neuen Rechts finden Sie im Handbuch Die Reform des Stiftungsrechts, Schiffer/Pruns/Schürmann, 1. Aufl. 2021 (zerb verlag)
1 Anwendungsbereich des neuen Stiftungsrechts
Bis zum 30.6.2023 war das Stiftungsrecht im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) und den (inhaltlich häufig voneinander abweichenden) Stiftungsgesetzen der Länder geregelt. Nun hat sich der Fokus spürbar verschoben: Alle stiftungszivilrechtlichen Regelungen werden länderübergreifend in den §§ 80 – 87d BGB zusammengeführt, sodass in den Landesstiftungsgesetzen "nur" noch die länderspezifischen Regelungen (z.B. zur Stiftungsaufsicht) zu treffen sind. Konkrete Anpassungen der Landesstiftungsgesetze sind bislang allerdings nicht beschlossen.
Die Neuregelungen betreffen die Verhältnisse von rechtsfähigen Stiftungen des bürgerlichen Rechts. Sonstige Stiftungsformen – also vor allem für unselbstständige Stiftungen des bürgerlichen und öffentlichen Rechts und für rechtsfähige Stiftungen des öffentlichen Recht – sind von den neuen Regelungen nicht unmittelbar betroffen. Gerade weil es für diese Stiftungsformen aber kaum eigene gesetzliche Vorgaben gibt, werden die Neuregelungen aber erfahrungsgemäß für die Gestaltung und Führung auch solcher Stiftungen eine Ausstrahlungswirkung entfalten.
2 Gestaltungspotential und Gestaltungsbedarf nach dem neuen Stiftungsrecht in allen Bereichen
Die Neuregelungen regeln Fragen des Stiftungszivilrechts umfassend. Sie enthalten deswegen Vorgaben zu allen Aspekten eines "Stiftungslebens", d.h. von ihrer Errichtung bis zu ihrer Auflösung:
- Inhalte der Stiftungssatzung
- Zusammensetzung und Verwaltung des Stiftungsvermögens
- Besetzung, Rechte, Pflichten und Haftung von Stiftungsorganen
- Satzungsänderungen, Zusammenlegung, Zulegung, Aufhebung und Auflösung
- Schaffung eines öffentlichen Stiftungsregisters
Das Gestaltungspotential gilt für neue und bestehende Stiftungen gleichermaßen. Für Bestandsstiftungen kann es allerdings besonders attraktiv sein, das neue Stiftungsrecht zum Anlass zu nehmen, unzureichende, veraltete oder lückenhafte Satzungsregelungen – im Rahmen des Stifterwillens natürlich – auf Gestaltungsmöglichkeiten zu überprüfen und ggf. an das flexiblere neue Recht anzupassen.
3 Das Stiftungsvermögen nach dem neuen Stiftungsrecht
Ein prägender Bestandteil jeder Stiftung ist ihr Vermögen. Der Blick in Stiftungssatzungen offenbarte dabei in der Vergangenheit einen Einfallsreichtum bei den Begrifflichkeiten: Vom Stiftungsvermögen über das Stiftungskapital bis hin zum Grundstockvermögen oder Stammkapital – alles war irgendwie "Vermögen". Das neue Stiftungsrecht ordnet die Begrifflichkeiten und unterscheidet nur noch zwischen dem Grundstockvermögen und sonstigem Vermögen (§ 83b BGB).
Zum Grundstockvermögen zählen das vom Stifter gewidmete Vermögen, Zustiftungen und das Vermögen, das von der Stiftung zu Grundstockvermögen bestimmt wurde. Es ist grundsätzlich ungeschmälert zu erhalten; zur Verwaltung des Grundstockvermögens gibt es eine ausführliche Regelung (§ 83c BGB). Alles weitere Vermögen ist sonstiges Vermögen.
Stiftungen, die auf unbestimmte Zeit errichtet wurden (die klassischen "Ewigkeitsstiftungen") haben Grundstockvermögen und sonstiges Vermögen. Verbrauchsstiftungen haben nur sonstiges Vermögen. Das neue Stiftungsrecht stellt klar, dass Zwischenformen gestaltet werden können (z.B. in Form von "Teilverbrauchsstiftungen" oder "Hybridstiftungen", bei denen auch bei einer auf die Ewigkeit angelegten Stiftung ein Teil des Vermögens verbraucht werden kann).
Nach wie vor wird das Stiftungsrecht Stiftern und Stiftungsorganen die – gerade im Bereich des Stiftungsvermögens nötige – Gestaltungsfreiheit lassen, um den Bedürfnissen im Einzelfall gerecht werden zu können. In der Satzung, Geschäftsordnungen oder Anlagerichtlinien können insbesondere die folgenden Punkte geregelt werden, was die gesetzlichen Neuregelungen nun zum Teil auch ausdrücklich festhalten:
- Vorgaben für die Erhaltung und Zusammensetzung des Grundstockvermögens (z.B. Vorgabe eines Vermögenserhaltungskonzepts, Umschichtungsverbote für bestimmte Vermögensgegenstände)
- Umgang mit Umschichtungsgewinnen
- Möglichkeit zum Teilverbrauch des Grundstockvermögens mit der anschließenden Pflicht, das Vermögen anschließend wieder aufzustocken
- Möglichkeit der "Umwidmung" von sonstigem Vermögen in Grundstockvermögen (z.B. Verwendung eines bestimmten Prozentsatzes der Erträge zur Erhöhung des Grundstockvermögens)
4 Die Stiftungsorgane nach dem neuen Stiftungsrecht
Wie schon im aktuellen Stiftungsrecht wird auch in Zukunft der Vorstand das einzig zwingende Organ ...