Tz. 138
Stand: EL 114 – ET: 04/2024
Nach § 21 Abs 2 S 1 UmwStG werden bestimmte Vorgänge einer Veräußerung der einbringungsgeborenen Anteile gleichgestellt. Die Gleichbehandlung besteht darin, dass die Verwirklichung der aufgezählten Sachverhalte dieselben Rechtsfolgen wie eine Anteilsveräußerung auslöst. Hier wird einerseits dem AE eine Option eingeräumt, jederzeit und freiwillig die stillen Reserven in den einbringungsgeborenen Anteilen ohne Anteilsübertragung auf Antrag zu realisieren und so eine Entstrickung nach § 21 UmwStG herbeizuführen (s § 21 Abs 2 S 1 Nr 1 UmwStG; s Tz 143ff). Im Übrigen handelt es sich um Sachverhalte, bei denen stille Reserven der einbringungsgeborenen Anteile beim AE (oder dessen Rechtsnachfolgern) der Besteuerung entzogen werden (s § 21 Abs 2 S 1 Nr 2 bis 4 UmwStG; s Tz 152ff).
§ 21 Abs 2 S 1 UmwStG hat den Zweck, in Ergänzung des Gewinnrealisierungstatbestands des § 21 Abs 1 S 1 UmwStG (Veräußerung) die Versteuerung stiller Reserven der einbringungsgeborenen Anteile sicherzustellen (Ersatzrealisationstatbestände). Abgesehen von der Antragsbesteuerung gem § 21 Abs 2 S 1 Nr 1 UmwStG betreffen die Ersatzrealisationstatbestände echte Entstrickungssachverhalte (zB Verlust der inl St-Hoheit für die stillen Reserven der Anteile, Untergang der Anteile durch Auflösung und Liquidation der Kap-Ges, Kap-Herabsetzung oder unentgeltliche Überführung der Anteile auf ein KSt-Subjekt). Der Grundsatz der aufgeschobenen Besteuerung der stillen Reserven in den Anteilen stößt hier an seine Grenzen. Die letztmögliche stliche Zugriffsmöglichkeit auf die Substanz der Anteile in der Hand des AE wird ges wahrgenommen.
Die Ermittlung des Gewinns aus der Entstrickung einbringungsgeborener Anteile ohne Veräußerung regelt § 21 Abs 2 S 2 UmwStG (s Tz 181ff). Da ein Kaufpreis bei den von § 21 Abs 2 S 1 UmwStG bestimmten Ersatzrealisationstatbeständen nicht gegeben ist, ist der gW der Anteile als Ausgangsbasis für die Gewinnermittlung maßgebend. Bei dem gW handelt es sich um denselben Wertmaßstab, der auch iRd Betriebsveräußerung iSd § 16 EStG zur Bestimmung des VG herangezogen wird (s Wacker, in Schmidt, EStG, 42. Aufl, § 16 Rn 280) und der im geltenden UmwStR als Regelbewertungsmaßstab und Entstrickungswert dient (s Vor §§ 20–23 UmwStG Tz 9–10).
Der AE hat gem § 21 Abs 2 S 3f UmwStG einen Anspruch auf zinslose Stundung der ESt oder KSt auf den Entstrickungsgewinn, wenn dem AE aus dem Vorgang, der zur Aufdeckung der stillen Reserven führt, keine liquiden Mittel zufließen. Dies ist der Fall bei der Antragsversteuerung, des Verlustes des inl Besteuerungsrechts für die Anteile und der verdeckten Einlage der Anteile in eine Kap-Ges (s § 21 Abs 2 S 1 Nr 1, 2 und 4 UmwStG). Bei dem Ersatzrealisationstatbestand des Verlustes des inl Besteuerungsrechts (s § 21 Abs 2 S 1 Nr 2 UmwStG) ergeben sich beim Wegzug natürlicher Pers in einen ausl EU-/EWR-Staat die stlichen Rahmenbedingungen der Stundung der ESt nach § 27 Abs 3 Nr 3 S 2 UmwStG idF des SEStEG iVm § 6 Abs 5 AStG idF ab SEStEG (s Tz 225a-225n). Erfolgt eine Versteuerung wegen Kap-Rückzahlung gem § 21 Abs 2 S 1 Nr 3 UmwStG, erhält der AE ausreichende Geldmittel um eine St auf den Entstrickungsgewinn entrichten zu können. In diesem Fall hat der Ges-Geber – wie auch in den Veräußerungsfällen des § 21 Abs 1 S 1 UmwStG – eine spezielle Stundungsregelung im UmwStG für entbehrlich gehalten. Die Stundung wird innerhalb des fünfjährigen Stundungszeitraums beendet, wenn dem AE nachträglich aus der Beteiligung – insbes durch Veräußerung – Geldmittel zufließen (s § 21 Abs 2 S 5f UmwStG; s Tz 217–225).
Tz. 138a
Stand: EL 114 – ET: 04/2024
Die Entstrickungsregeln des § 21 Abs 2 S 1 UmwStG sind auf sämtliche einbringungsgeborene Anteile anzuwenden. Dies sind alle Anteile an Kap-Ges, die vor Inkrafttreten des UmwStG idF des SEStEG durch Einbringung zum Bw oder Zwischenwert erworben worden sind und ggf durch unentgeltliche Übertragung an einen Rechtsnachfolger weitergegeben worden sind und mitverstrickte Anteile; Übersicht s Tz 15–15a) und solche Anteile an Kap-Ges oder Gen, die ab Inkrafttreten des UmwStG idF des SEStEG durch Einbringung vorgenannter Anteile unterhalb des gW erworben worden sind (s Tz 15b). Es wird vertreten, dass die Annahme "(alt-)einbringungsgeborener" Anteile iSd § 21 UmwStG durch die §§ 20 Abs 3 S 4 und 21 Abs 2 S 6 UmwStG idF des SEStEG bei "Neu-Einbringungen" nur für Zwecke der Anwendung des Halbeink-Verfahrens und des § 8b Abs 4 KStG aF bis zum Ende der Sperrfristen gelte. Die weitere und uneingeschr Anwendung des § 21 UmwStG (und damit auch § 21 Abs 2 UmwStG) werde jedoch bei derartigen "neu-einbringungsgeborenen" Anteilen von § 27 Abs 3 Nr 3 S 1 UmwStG idF des SEStEG nicht bestimmt (s Schmitt, in S/H, 9. Aufl, § 20 UmwStG Rn 224 und s § 27 UmwStG Rn 21). Dieser Beurteilung kann nicht gefolgt werden (glA die hA, zB, s Menner, in H/M/B, 5. Aufl, § 20 UmwStG Rn 565; s Nitzschke, in Brandis/Heuermann, § 27 UmwStG 2006 Rn 11; s UmwSt-Erl 2011 Rn 27.05 iVm 20.38; ...