Entscheidungsstichwort (Thema)
Vermögensverwaltung durch juristische Person des öffentlichen Rechts, Behandlung als nichtsteuerbare Leistung, Begriff der größeren Wettbewerbsverzerrung bei Behandlung der Einrichtung als Nicht-Steuerpflichtige wirkt zu ihren Lasten und zu ihren Gunsten
Leitsatz (amtlich)
1. Die Mitgliedstaaten müssen eine ausdrückliche Regelung vorsehen, um sich auf die in Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 4 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage vorgesehene Befugnis berufen zu können, die Tätigkeiten der Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die nach Art. 13 oder 28 der Sechsten Richtlinie von der Steuer befreit sind, als Tätigkeiten zu behandeln, die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen.
2. Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie 77/388 ist dahin auszulegen, dass die Einrichtungen des öffentlichen Rechts, soweit sie Tätigkeiten ausüben oder Leistungen erbringen, die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen, nicht nur dann als Steuerpflichtige gelten, wenn ihre Behandlung als Nichtsteuerpflichtige aufgrund des Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 1 oder 4 zu größeren Wettbewerbsverzerrungen zulasten ihrer privaten Wettbewerber führen würde, sondern auch dann, wenn sie derartige Verzerrungen zu ihren eigenen Lasten zur Folge hätte.
Normenkette
EWGRL 388/77 Art. 4 Abs. 5
Beteiligte
SALIX Grundstücks-Vermietungsgesellschaft |
SALIX Grundstücks-Vermietungsgesellschaft mbH & Co. Objekt Offenbach KG |
Verfahrensgang
Tatbestand
„Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie ‐ Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 und 4 ‐ Befugnis der Mitgliedstaaten, die Tätigkeiten von Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die nach den Art. 13 und 28 der Sechsten Richtlinie von der Steuer befreit sind, als Tätigkeiten zu behandeln, die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen ‐ Modalitäten der Ausübung ‐ Recht auf Vorsteuerabzug ‐ Größere Wettbewerbsverzerrungen“
In der Rechtssache C-102/08
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Bundesfinanzhof (Deutschland) mit Entscheidung vom 20. Dezember 2007, beim Gerichtshof eingegangen am 5. März 2008, in dem Verfahren
Finanzamt Düsseldorf-Süd
gegen
SALIX Grundstücks-Vermietungsgesellschaft mbH & Co. Objekt Offenbach KG
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Rosas sowie der Richter A. Ó Caoimh, J. N. Cunha Rodrigues, J. Klučka und A. Arabadjiev (Berichterstatter),
Generalanwalt: M. Poiares Maduro,
Kanzler: L. Hewlett, Hauptverwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 21. Januar 2009,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
‐ der SALIX Grundstücks-Vermietungsgesellschaft mbH & Co. Objekt Offenbach KG, vertreten durch Wirtschaftsprüfer/Steuerberater U. Prinz und Rechtsanwalt A. Cordewener,
‐ der deutschen Regierung, vertreten durch M. Lumma und C. Blaschke als Bevollmächtigte,
‐ von Irland, vertreten durch D. O’Hagan und M. MacGrath als Bevollmächtigte sowie N. Travers, BL,
‐ der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch D. Triantafyllou als Bevollmächtigten,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 und 4 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1, im Folgenden: Sechste Richtlinie).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Finanzamt Düsseldorf-Süd (im Folgenden: Finanzamt) und der SALIX Grundstücks-Vermietungsgesellschaft mbH & Co. Objekt Offenbach KG (im Folgenden: Salix) über das Recht auf Vorsteuerabzug im Zusammenhang mit der Errichtung eines Gebäudes, das anschließend an eine Einrichtung des öffentlichen Rechts vermietet wurde, die ihrerseits einen Teil davon langfristig an mehrwertsteuerpflichtige Dritte untervermietet hat.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
Rz. 3
Nach Art. 2 der Sechsten Richtlinie unterliegen „Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Inland gegen Entgelt ausführt“, der Mehrwertsteuer.
Rz. 4
Art. 4 Abs. 5 der Sechsten Richtlinie lautet:
„Staaten, Länder, Gemeinden und sonstige Einrichtungen des öffentlichen Rechts gelten nicht als Steuerpflichtige, soweit sie die Tätigkeiten ausüben oder Leistungen erbringen, die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen, auch wenn sie im Zusammenhang mit diesen Tätigkeiten oder Leistungen Zölle, Gebühren, Beiträge oder sonstige Abgaben erheben.
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