Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterricht durch Privatlehrer, Volkshochschulunterricht, Leistung an die Bildungseinrichtung
Leitsatz (amtlich)
Unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens kann die Umsatzsteuerbefreiung nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage für von einem Einzelnen mit dem Status eines freien Mitarbeiters erbrachte Tätigkeiten, die in der Erteilung von Schularbeitshilfe sowie Keramik- und Töpferkursen in Erwachsenenbildungseinrichtungen bestehen, nur dann gewährt werden, wenn es sich bei diesen Tätigkeiten um die Erteilung von Schul- oder Hochschulunterricht durch einen für eigene Rechnung und in eigener Verantwortung handelnden Lehrer handelt. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob dies im Ausgangsverfahren der Fall ist.
Normenkette
EWGRL 388/77 Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j
Beteiligte
Verfahrensgang
Tatbestand
„Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie ‐ Befreiungen ‐ Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j ‐ Von Privatlehrern erteilter Schul- und Hochschulunterricht ‐ Unterricht im Rahmen von Kursen, die von Erwachsenenbildungseinrichtungen veranstaltet werden ‐ Keine unmittelbare Vertragsbeziehung mit den Schülern“
In der Rechtssache C-445/05
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Bundesfinanzhof (Deutschland) mit Entscheidung vom 20. Oktober 2005, beim Gerichtshof eingegangen am 14. Dezember 2005, in dem Verfahren
Werner Haderer
gegen
Finanzamt Wilmersdorf
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Rosas, der Richter J. Klŭcka, J. N. Cunha Rodrigues und A. Ó Caoimh (Berichterstatter) sowie der Richterin P. Lindh,
Generalanwältin: E. Sharpston,
Kanzler: R. Grass,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 14. Dezember 2006,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
‐ des Finanzamts Wilmersdorf, vertreten durch D. Bak als Bevollmächtigten,
‐ der griechischen Regierung, vertreten durch S. Spyropoulos und S. Trekli als Bevollmächtigte,
‐ der italienischen Regierung, vertreten durch I. M. Braguglia als Bevollmächtigten im Beistand von G. De Bellis, avvocato dello Stato,
‐ der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch D. Triantafyllou und W. Mölls als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 8. März 2007
folgendes
Urteil
1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1, im Folgenden: Sechste Richtlinie).
2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Haderer, Kläger des Ausgangsverfahrens, und dem Finanzamt Wilmersdorf (im Folgenden: Finanzamt) wegen dessen Weigerung, den Kläger von der Mehrwertsteuer zu befreien, zu der er für die von ihm im Jahr 1990 als freier Mitarbeiter des Landes Berlin ausgeübte Unterrichtstätigkeit herangezogen worden war.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
3
Art. 13 der Sechsten Richtlinie bestimmt:
„A. Befreiungen bestimmter dem Gemeinwohl dienender Tätigkeiten
1. Unbeschadet sonstiger Gemeinschaftsvorschriften befreien die Mitgliedstaaten unter den Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen festsetzen, von der Steuer:
…
i) die Erziehung von Kindern und Jugendlichen, den Schul- oder Hochschulunterricht, die Ausbildung, die Fortbildung oder die berufliche Umschulung sowie die damit eng verbundenen Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die mit solchen Aufgaben betraut sind, oder andere Einrichtungen mit von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannter vergleichbarer Zielsetzung;
j) den von Privatlehrern erteilten Schul- und Hochschulunterricht;
…“
Nationales Recht
4
Aus der Vorlageentscheidung geht hervor, dass nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs
‐ die in § 4 Nr. 21 Buchst. b des deutschen Umsatzsteuergesetzes 1980 (im Folgenden: UStG) in der im Streitjahr geltenden Fassung vorgesehene Steuerbefreiung nur für die Träger privater Schulen und anderer allgemeinbildender oder berufsbildender Einrichtungen gilt, nicht aber für freie Mitarbeiter, die an diesen Schulen oder ähnlichen Bildungseinrichtungen Unterricht erteilen, und
‐ nur die in § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG genannten Einrichtungen, d. h. die juristischen Personen des öffentlichen Rechts, Verwaltungs- und ...