Entscheidungsstichwort (Thema)
Rumänien, Umweltsteuer auf Kfz, Unionsrechtswidrigkeit der Steuer, Verzinsung des Erstattungsbetrags
Leitsatz (amtlich)
Das Unionsrecht ist dahin auszulegen, dass es einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden entgegensteht, die die bei der Erstattung einer unionsrechtswidrig erhobenen Steuer zu zahlenden Zinsen auf die Zinsen beschränkt, die ab dem auf das Datum des Antrags auf Erstattung der Steuer folgenden Tag angefallen sind.
Normenkette
EGVtr Art. 6
Beteiligte
Administratia Finantelor Publice Sibiu |
Administratia Fondului pentru Mediu |
Verfahrensgang
Tribunal Sibiu (Rumänien) (Urteil vom 14.07.2011; ABl. EU 2012, Nr. C 25/34) |
Tatbestand
„Erstattung der von einem Mitgliedstaat unionsrechtswidrig erhobenen Steuern ‐ Nationale Regelung, mit der die von diesem Staat auf die erstattete Abgabe zu zahlenden Zinsen beschränkt werden ‐ Zinsen, die ab dem auf das Datum des Antrags auf Erstattung der Abgabe folgenden Tag berechnet werden ‐ Unvereinbarkeit mit dem Unionsrecht ‐ Effektivitätsgrundsatz“
In der Rechtssache C-565/11
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunal Sibiu (Rumänien) mit Entscheidung vom 14. Juli 2011, beim Gerichtshof eingegangen am 10. November 2011, in dem Verfahren
Mariana Irimie
gegen
Administraţia Finanţelor Publice Sibiu,
Administraţia Fondului pentru Mediu
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Ilešič (Berichterstatter), der Richter E. Jarašiūnas und A. Ó Caoimh, der Richterin C. Toader und des Richters C. G. Fernlund,
Generalanwalt: M. Wathelet,
Kanzler: M. Aleksejev, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 17. Oktober 2012,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
‐ von Frau Irimie, vertreten durch D. Târşia, avocat,
‐ der rumänischen Regierung, vertreten durch R. H. Radu, R. M. Giurescu und A. Voicu als Bevollmächtigte,
‐ der spanischen Regierung, vertreten durch A. Rubio González als Bevollmächtigten,
‐ der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Inez Fernandes als Bevollmächtigten,
‐ der Europäischen Kommission, vertreten durch J.-P. Keppenne, L. Bouyon und C. Barslev als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 13. Dezember 2012
folgendes
Urteil
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung des Unionsrechts im Zusammenhang mit einer nationalen Regelung, die die bei der Erstattung einer unionsrechtswidrig erhobenen Steuer zu zahlenden Zinsen auf die Zinsen beschränkt, die ab dem auf das Datum des Antrags auf Erstattung der Steuer folgenden Tag angefallen sind.
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Frau Irimie, einer rumänischen Staatsangehörigen, und der Administraţia Finanţelor Publice Sibiu (Amt für öffentliche Finanzen Sibiu) sowie der Administraţia Fondului pentru Mediu (Umweltfonds-Amt) über die Zahlung von Zinsen bei der Erstattung einer unionsrechtswidrig erhobenen Steuer.
Rumänisches Recht
Dringlichkeitsverordnung Nr. 50/2008 der Regierung
Rz. 3
In der rumänischen Rechtsordnung war die Umweltsteuer für Kraftfahrzeuge zu dem im Ausgangsverfahren maßgebenden Zeitpunkt durch die Dringlichkeitsverordnung Nr. 50/2008 der Regierung zur Einführung einer Umweltsteuer für Kraftfahrzeuge (Ordonanţă de urgenţă a Guvernului nr. 50/2008 pentru instituirea taxei pe poluare pentru autovehicule) vom 21. April 2008 (Monitorul Oficial al României, Teil I, Nr. 327 vom 25. April 2008) (im Folgenden: OUG Nr. 50/2008) geregelt.
Verordnung Nr. 92/2003 der Regierung
Rz. 4
Das Steuerverfahren wurde durch die Verordnung Nr. 92 der Regierung über die Steuerverfahrensordnung (Ordonanţa Guvernului nr. 92 privind Codul de procedură fiscală) vom 24. Dezember 2003 (Monitorul Oficial al României, Teil I, Nr. 941 vom 29. Dezember 2003) in geänderter Fassung (im Folgenden: OG Nr. 92/2003) eingeführt.
Rz. 5
Art. 70 („Frist für die Entscheidung über die Anträge von Steuerschuldnern“) der OG Nr. 92/2003 sieht vor:
„(1) Die Finanzbehörde hat über den vom Steuerschuldner gemäß dem vorliegenden Gesetz eingereichten Antrag innerhalb einer Frist von 45 Tagen ab dessen Registrierung zu entscheiden.
(2) In den Fällen, in denen für die Entscheidung über den Antrag weitere Informationen erforderlich sind, verlängert sich diese Frist um den Zeitraum von dem Tag, an dem das Informationsgesuch gestellt wird, bis zum Tag des Erhalts der angeforderten Informationen.“
Rz. 6
Art. 124 („Zinssätze für aus öffentlichen Geldern zu erstattende oder zurückzuzahlende Beträge“) der OG Nr. 92/2003 bestimmt in Abs. 1:
„Für die aus öffentlichen Geldern zu erstattenden oder zurückzuzahlenden Beträge hat der Steuerschuldner Anspruch auf Zinsen ab dem auf den Ablauf der in … Art. 70 vorgesehenen Frist folgenden Tag bis zum Tag des Erlöschens der Schuld aus einem der gesetzlich vorgesehenen Gründe. Die Zinsen werden auf Antrag des Abgabenschuldners gewährt.“
Gesetz...