Schlagwörter
Umsatzsteuer, Steuerbefreiung, Heilbehandlung, Osteopathie, Unionsrechtswidrig erhobene Mehrwertsteuer, Rückwirkung einer nationalen Verfassungsgerichtsentscheidung, Versagung der Erstattung unionsrechtswidrig erhobener Mehrwertsteuer, Nichtanrufung des EuGH
Kläger
BV Osteopathie Van Hauwermeiren |
Beklagter
Rechtsfrage (Thema)
1. Ist das Urteil des Gerichtshofs vom 8. April 1976, 43/75, Defrenne/SABENA, dahin auszulegen, dass es einem nationalen Gericht die autonome Zuständigkeit verleiht, auf eigene Initiative und ohne Stellung eines Vorabentscheidungsersuchens gemäß Art. 267 AEUV auf der Grundlage einer rein innerstaatlichen Bestimmung die Wirkungen einer nationalen Regelung über die Mehrwertsteuerbefreiung für ärztliche und arztähnliche Leistungen für die Vergangenheit aufrechtzuerhalten, die dieses Gericht (nachdem es dazu in derselben Rechtssache nach Art. 267 AEUV drei Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof gerichtet hat, die der Gerichtshof mit Urteil vom 27. Juni 2019, C-597/17, beantwortet hat) für mit dem Unionsrecht unvereinbar einstuft und teilweise für nichtig erklärt, wobei es deren Wirkungen für die Vergangenheit aufrechterhält und auf diese Weise dem Steuerpflichtigen den Anspruch auf Erstattung der in Widerspruch zum Unionsrecht erhobenen Mehrwertsteuer vollständig vorenthält?
2. Ist ein nationales Gericht befugt, die Wirkungen einer nationalen Bestimmung, bei der festgestellt wurde, dass sie der Mehrwertsteuerrichtlinie zuwiderläuft, autonom und ohne Stellung eines Vorabentscheidungsersuchens gemäß Art. 267 AEUV auf der Grundlage einer allgemeinen Bezugnahme auf „zwingende Erwägungen der Rechtssicherheit, die sich aus der Gesamtheit der beteiligten öffentlichen und privaten Interessen ergeben“, und auf eine behauptete „faktische Unmöglichkeit, zu Unrecht beigetriebene Mehrwertsteuer nachträglich an die Abnehmer der vom Steuerpflichtigen vorgenommenen Lieferungen oder erbrachten Dienstleistungen zurückzuzahlen oder von ihnen eine nachträgliche Zahlung im Falle der rechtswidrigen Nichterhebung zu verlangen, insbesondere wenn es um eine große Zahl nicht näher identifizierter Personen geht beziehungsweise die Steuerpflichtigen nicht über ein buchhalterisches System verfügen, das es ihnen erlaubt, die betreffenden Lieferungen oder Dienstleistungen und ihren Wert nachträglich zu identifizieren“, für die Vergangenheit aufrechtzuerhalten, wenn dem Steuerpflichtigen nicht einmal die Möglichkeit gegeben wurde, nachzuweisen, dass keine solche „faktische Unmöglichkeit“ vorliegt?
Normenkette
EGRL 112/2006; AEUV Art. 267
Verfahrensgang
Rechtbank van eerste aanleg Oost-Vlaanderen (Belgien) (Beschluss vom 30.05.2022) |
Status des Verfahrens
Erledigt durch Urteil vom 05.10.2023; veröffentlicht am 11.10.2023