rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Anwendbarkeit des § 237 AO bei AdV nach Art. 244 ZK bzw. Art. 45 UZK ernstlich zweifelhaft. Entstehung des Zinsanspruchs bei AdV von Grundlagen- und Folgebescheid

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Es ist ernstlich zweifelhaft, ob § 237 AO im Zusammenhang mit einer Aussetzung der Vollziehung (AdV) nach Art. 244 ZK bzw. Art. 45 UZK Anwendung findet.

2. Sind sowohl der Grundlagenbescheid als auch der Folgebescheid angefochten und ist die Vollziehung beider Bescheide ausgesetzt worden, entsteht der Zinsanspruch erst bei unanfechtbarer Erledigung des den Folgebescheid betreffenden Aussetzungsverfahrens, selbst wenn nur die Rechtmäßigkeit des Grundlagenbescheids ernstlich zweifelhaft war.

 

Normenkette

AO §§ 237, 239, 361; ZK Art. 244; UZK Art. 45; FGO § 69 Abs. 3 S. 1, Abs. 2 S. 2

 

Tenor

1. Die Vollziehung des Zinsbescheids vom 1. September 2022 – … über … EUR und des Zinsbescheids vom 5. September 2022 – … über … EUR wird ohne Sicherheitsleistung bis zum Ablauf eines Monats nach Zustellung einer Entscheidung über den hiergegen erhobenen Einspruch oder einer anderweitigen Erledigung des Rechtsstreits ohne Sicherheitsleistung ausgesetzt.

2. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Beschwerde wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die Antragstellerin begehrt die Aussetzung der Vollziehung von zwei Zinsbescheiden ohne Sicherheitsleistung. In der Sache ist der Ablauf der Festsetzungsfrist streitig.

Bei der Antragstellerin handelt es sich um eine hundertprozentige Tochterfirma der in DR [Drittland] ansässigen E AG. Im Rahmen ihrer Tätigkeit führte die Antragstellerin u.a. jedenfalls ab 200X (…) aus DR [Drittland] in das Zollgebiet zunächst der Europäischen Gemeinschaft, später der Europäischen Union ein unter Inanspruchnahme von XX Lizenzen zur zollbegünstigten Einfuhr, die ihr von der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) erteilt worden waren. Mit Bescheid vom 30. April 2014 nahm die BLE die XX Lizenzen zurück und erklärte diese rückwirkend für ungültig, nachdem Ermittlungen des Zollkriminalamts ergeben hatten, dass es an einer Niederlassung in der Europäischen Union fehlte, die Voraussetzung für die Lizenzerteilung gewesen war.

Daraufhin erließ der Antragsgegner am 22. Mai 2014 insgesamt drei Einfuhrabgabenbescheide, mit denen er die bisher aufgrund der Lizenzen nicht festgesetzten Einfuhrabgaben für die verschiedenen Zeiträume nacherhob. Dabei wurde für die eingeführten Waren jeweils erstmals Agrarzoll festgesetzt und der Einfuhrumsatzsteuerbetrag entsprechend erhöht. Der Nacherhebungsbetrag ergibt sich aus der Höhe des Agrarzolls und der Differenz zu dem bereits festgesetzten Einfuhrumsatzsteuerbetrag (Registrierkennzeichen … in Höhe von … EUR Agrarzoll und … EUR Einfuhrumsatzsteuer, insgesamt … EUR, Registrierkennzeichen … in Höhe von … EUR Agrarzoll und … EUR Einfuhrumsatzsteuer, insgesamt … EUR und Registrierkennzeichen … in Höhe von … EUR Agrarzoll und … EUR Einfuhrumsatzsteuer, insgesamt … EUR). Wegen der Einzelheiten wird auf die Einfuhrabgabenbescheide verwiesen.

Die gegen die Einfuhrabgabenbescheide gerichteten Einspruchsverfahren ruhten zunächst bis zur rechtskräftigen Entscheidung in dem den Rücknahmebescheid der BLE betreffenden verwaltungsrechtlichen Verfahren. Den Antrag, die Vollziehung der Einfuhrabgabenbescheide auszusetzen, lehnte der Antragsgegner ab (Schreiben des Antragsgegners vom 10. Juli 2014). Im Rahmen des daraufhin beim beschließenden Senat von der Antragstellerin anhängig gemachten gerichtlichen Verfahrens wegen vorläufigen Rechtsschutzes (Az.: 11 V 2507/14) setzte der Antragsgegner die Vollziehung der drei Einfuhrabgabenbescheide auf Grundlage des Art. 244 des Zollkodex (Verordnung [EWG] Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften – ZK –) mit Schreiben vom 23. Oktober 2014 – zunächst gegen Sicherheitsleistung – mit folgendem Wortlaut aus:

Hiermit setze ich die Vollziehung der oben genannten 3 Bescheide gemäß Artikel 244 Zollkodex (ZK) i.V.m. § 361 Abs. 3 Satz 1 Abgabenordnung mit Wirkung vom 3.6.2014 aus. Die AdV endet einen Monat nach Rechtskraft der angefochtenen 3 Entscheidungen.

Nachdem der Widerruf der Grundlagenbescheide ohne aufschiebende Wirkung erfolgt ist, wird die Aussetzung der Vollziehung gemäß Artikel 244 ZK von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht. Ein Verzicht auf eine Sicherheit im Hinblick auf ernste Schwierigkeiten wirtschaftlicher oder sozialer Art war nach Aktenlage nicht angezeigt.

Am 10. Dezember 2014 änderte der Antragsgegner seine Entscheidung und verzichtete widerruflich auf die Leistung einer Sicherheit mit folgendem Wortlaut:

Hiermit ändere ich den o.g. Bescheid in der Weise ab, dass auf die Sicherheitsleistung widerruflich verzichtet wird. Der Verzicht auf eine Sicherheit erfolgt im Hinblick darauf, dass die Forderung nach Sicherheitsleistung zu ernsten Schwierigkeiten wirtschaftlicher Art (Art. 244 letzter Satz Zollkodex) führen könnte. Ihre jetzt zusätzlich vor...

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