Entscheidungsstichwort (Thema)
Personelle Verflechtung bei Betriebsaufspaltung: Personengruppentheorie auch bei konträren Beteiligungsverhältnissen anwendbar. Gewerbesteuer-Meßbescheide 1985–1988
Leitsatz (amtlich)
1. Konträre Beteiligungsverhältnisse an Besitz- und Betriebsgesellschaft hindern die Anwendung der sog. Personengruppentheorie zur Bejahrung der personellen Verflechtung im Rahmen einer Betriebsaufspaltung nur in Ausnahmefällen.
2. Ein solcher Ausnahmefall liegt dann vor, wenn die Beteiligungsunterschiede so extrem voneinander abweichen, dass von einer durch gleichgerichtete Interessen geschlossenen Personengruppe nicht mehr gesprochen werden kann.
Dies ist bei folgenden Beteiligungsverhältnissen nicht der Fall:
Besitzgesellschaft: A = 55%; B = 45%
Betriebsgesellschaft: A = 20%; B = 80%.
Normenkette
EStG § 15 Abs. 2
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
In die seit 1.1.1962 aus … (M. …) und … (K. …) bestehende Gesellschaft bürgerlichen Rechts –GbR– (Klägerin –Klin–) wurde das nach dem Tod des Herrn … zunächst von den Erben weitergeführte Unternehmen … zu Buchwerten eingebracht. Die Klin verpachtete dieses Unternehmen seitdem 1.1.1982 auf die Dauer von fünf Jahren (Verlängerungsklausel) an die Fa. … (GmbH), die die Geschäfte dieses Unternehmens weiterführt.
An der Klin waren … als alleinige Geschäftsführerin und Vertreterin der GbR mit 55% und …, der volljährige Sohn von …, mit 45% beteiligt. An der GmbH waren … mit 20% und … mit 80% beteiligt. Die Stimmrechte richteten sich sowohl bei der Klin als auch bei der GmbH nach den jeweiligen Beteiligungsverhältnissen (vgl. § 8 des Gesellschaftsvertrags der Klin vom 30.12.1981 bzw. § 4 des Gesellschaftsvertrags der GmbH vom 17.12.1981).
Im Anschluß an eine Betriebsprüfung bei der Klin und der GmbH vertrat der Beklagte (das Finanzamt –FA–) die Auffassung, daß zwischen der Klin und der GmbH eine Betriebsaufspaltung bestehe und die Klin aufgrund dessen gewerbesteuerpflichtig sei.
Das FA erließ Gewerbesteuer(GewSt)-Meßbescheide, in denen die einheitlichen GewSt-Meßbeträge für die Klin wie folgt festgesetzt wurden:
1985 |
… DM |
1986 |
… DM |
1987 |
… DM |
1988 |
… DM |
Im Einspruchsverfahren meinte die Klin, bei dem Rechtsverhältnis zwischen der Klin und der GmbH handle es sich nicht um eine Betriebsaufspaltung.
Für die Annahme einer Betriebsaufspaltung fehle es an der personellen Verflechtung. Das Finanzgericht Nürnberg sei in seinem Urteil vom 10.7.1985, EFG 1986, 135 in einem vergleichbaren Fall davon ausgegangen, daß bei einer Personengruppe, bei der konträre Beteiligungsverhältnisse bestünden, keine gleichgerichteten Interessen anzunehmen seien.
In der Einspruchsentscheidung vom 3.1.1994 wies das FA die Einsprüche wegen der GewSt-Meßbescheide für 1985 bis 1987 als unbegründet zurück.
Das FA bejahte eine Betriebsaufspaltung.
Eine sachliche Verflechtung des Besitzunternehmens (Klin) mit der Betriebsgesellschaft (GmbH) liege unbestritten vor.
Auch die Voraussetzungen für die Annahme einer personellen Verflechtung lägen vor.
Das FA berief sich auf die Personengruppentheorie. Im Streitfall sei das Vorliegen von Interessenkonflikten nicht vorgetragen worden. Extrem entgegengesetzte Beteiligungsverhältnisse lägen ebenfalls nicht vor.
Im Urteil vom 12.10.1988 X R 5/86, BFHE 154, 566, BStBl II 1989, 152 sei der BFH bei Beteiligungsverhältnissen von 95 zu 5 v. H. und 5 zu 95 v. H. von extrem entgegengesetzten Beteiligungsverhältnissen ausgegangen.
In dem Urteil vom 23.11.1972 IV R 63/71 m BFHE 108, 44, BStBl II 1973, 247 hingegen habe der BFH eine Beteiligung am Besitzunternehmen mit 50 zu 50 v.H. und an der Betriebsgesellschaft mit 88 zu 12 v.H. nicht als extrem unterschiedlich angesehen. In diesem Urteil sei die Beteiligung von 12 v.H. ausdrücklich als nicht unbedeutend bezeichnet worden.
Im Streitfall hätten M. und K. in den Streitjahren 1985 bis 1988 zusammen jeweils 100% der Stimmrechte an beiden Unternehmen gehabt und damit als Personengruppe beide Unternehmen beherrscht.
Das FA änderte den GewSt-Meßbescheid für 1988 vom 22.5.1992. Es setzte den GewSt-Meßbetrag auf … DM fest; im übrigen wies es auch den Einspruch wegen GewSt-Meßbescheid 1988 als unbegründet zurück.
Den Meßbetrag nach dem Gewerbekapital berechnete das FA mit … DM und den Meßbetrag nach dem Gewerbeertrag berechnete es mit … DM. Den einheitlichen Steuermeßbetrag 1988 setzte es damit von bisher … DM auf … DM (… DM + … DM) herab.
Im Klageverfahren meint die Klin, sie und die GmbH seien nicht personell verflochten gewesen.
Beim Vorhandensein von nur zwei Gesellschaftern sei deren Handeln nicht unbedingt durch gleichgerichtete Interessen bestimmt. Zu einem entsprechenden Ergebnis sei das Finanzgericht Nürnberg in seinem Urteil vom 10.7.1985 V 329/80, EFG 1986, 135 gekommen.
Auch das BFH-Urteil vom 27.8.1992 IV R 13/91, BFHE 169, 231, BStBl II 1993, 134 weise in diese Richtung. Es spreche von dem Erfordernis, „daß hinter dem Besitz- wie auch hinter dem Be...