Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Veräußerungsgeschäft nach § 17 EStG durch Einräumung einer Kaufoption und Verwahrung der betroffenen Inhaberaktien durch einen Dritten. Kapitalerhöhung unter Ausschluss der Altaktionäre
Leitsatz (redaktionell)
1. Nimmt, so lange ungewiss ist, ob ein die Inhaberaktien der Altaktionäre betreffender Kaufvertrag tatsächlich zustande kommt, ein Dritter diese Aktien in Verwahrung, damit unter Geltung der dem Interessenten eingeräumten Kaufoption keine nennenswerte Änderung der Beteiligungsverhältnisse eintritt, ohne jedoch den Altaktionären die wesentlichen Rechte an den Aktien (Stimmrecht, Gewinnbezugsrecht) oder das Wertminderungsrisiko zu nehmen, so geht dadurch noch nicht das wirtschaftliche Eigentum an den Aktien über. Ein Veräußerungsgeschäft der Altaktionäre im Sinne des § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG wird weder durch die Inverwahrungnahme noch durch die Einräumung der Kaufoption verwirklicht.
2. Der Ausschluss der Altaktionäre von der Teilnahme an einer Kapitalerhöhung stellt keine Veräußerung von Anwartschaftsrechten im Sinne des § 17 EStG dar, wenn die Übertragung der Bezugsrechte nicht gegen Entgelt erfolgt.
Normenkette
EStG 1990 § 17 Abs. 1 S. 1; AO 1977 § 39 Abs. 2 Nr. 1
Nachgehend
Tenor
1. Der Einkommensteuerbescheid 1993 vom 11. Juni 2004 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29. Juni 2004 wird abgeändert und die Einkommensteuer auf 0,– DM festgesetzt.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
3. Das Urteil wird im Kostenausspruch für vorläufig vollstreckbar erklärt. Die Kläger haben in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruchs Sicherheit zu leisten.
4. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
5. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Gegenstand des Finanzrechtsstreits ist die Frage, ob der Kläger einen Gewinn aus der Veräußerung einer wesentlichen Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft erzielte (§ 17 Einkommensteuergesetz in der für das Streitjahr gültigen Fassung –EStG–).
Die verheirateten Kläger wurden im Jahr 1993 zur Einkommensteuer zusammen veranlagt.
Zur Verwaltung des Vermögens der Familie –X– wurde im Jahr 1968 die vermögensverwaltende –X–Familiengesellschaft bürgerlichen Rechts (–Y–) gegründet. In die –Y– brachten der Vater und die Mutter des Klägers u.a. Inhaberaktien der zu 100 % in Familienbesitz befindlichen –Z– AG ein.
Im Rahmen der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft nach dem Vater des Klägers gründeten die Gesellschafter der –Y– im Jahr 1989 die ebenfalls vermögensverwaltende –X–Familiengesellschaft II bürgerlichen Rechts (–Y– II) und brachten aus den Gesamthandsvermögen der –Y– und der Erbengemeinschaft Inhaberaktien der –Z– AG ein.
Der Kläger war an der –Y– zu 27,7777773848 % und an der –Y– II zu 27,6803492339 % beteiligt. Von den insgesamt ausgegebenen und gezeichneten 120.000 Inhaberaktien der –Z– AG (Grundkapital … DM) befanden sich zum Stichtag 30. September 1989 bei der –Y– 57.819 Stück und bei der –Y– II 62.181 Stück. Damit war der Kläger über seine Beteiligungen an der –Y– und der –Y– II zu 27,727291 % an der –Z– AG beteiligt.
Mit notariellem Schenkungs- und Unterbeteiligungsvertrag vom 29. September 1989 räumte der Kläger seiner zu diesem Zeitpunkt sieben Jahre alten Tochter –A– für seine Beteiligung an der –Y– II eine Unterbeteiligung in Höhe von 48,8 % mit Wirkung ab dem 1. Oktober 1989 ein.
Vor dem Hintergrund der schwierigen wirtschaftlichen Lage der –Z– AG suchten die Gesellschafter im Jahr 1993 einen Investor, der bereit war, das Eigenkapital der Gesellschaff zu verstärken. Mit der –B– (…) – konnte eine Gesellschaft gefunden werden, die daran interessiert war, das Unternehmen vollständig zu übernehmen. Jedoch waren die Gesellschafter der –Z– AG nicht bereit, ihre Aktien bereits im Jahr 1993 zu veräußern. Andererseits war –B– nicht bereit, der –Z– AG Eigenkapital zu gewähren, ohne zumindest zu einem späteren Zeitpunkt die Möglichkeit der vollständigen Übernahme zu haben.
Im Hinblick auf diesen Interessenwiderstreit entschlossen sich die Gesellschafter der –Z– AG und –B– zu folgendem Vorgehen:
In der außerordentlichen Hauptversammlung der –Z– AG vom 29. Oktober 1993 beschlossen die Gesellschafter, das Grundkapital der Gesellschaft gegen Bareinlagen von … DM um … DM auf … DM zu erhöhen. Es wurden 130.000 junge Inhaberstammaktien ausgegeben. Der Ausgabekurs wurde auf 230,77 % festgelegt. Bezugsberechtigt für die neuen Aktien war unter Ausschluss des gesetzlichen Bezugsrechts der bisherigen Anteilseigner die C-GmbH, eine Tochtergesellschaft der –B –. Diese Gesellschaft firmierte später in N-GmbH um. Die Bareinlage nebst Agio von zusammen … DM zahlte sie am 20. Dezember 1993 in die –Z– AG ein. Die Kapitalerhöhung wurde am 31. Dezember 1993 in das Handelsregister eingetragen. Die N-GmbH war damit zu 52 % an der –Z– AG beteiligt und stimmberechtigt.
Zudem räumten die Altaktionäre durch ein bindendes Kaufangebot vom 2. November ...