Entscheidungsstichwort (Thema)
Veräußerung von Grundstücken, für die die zweijährige Spekulationsfrist bei Verkündung des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 bereits abgelaufen war, unter Geltung der zehnjährigen Frist. Berücksichtigung in Anspruch genommener AfA bei der Ermittlung des steuerfrei zu belassenden Anteils am Veräußerungsgewinn
Leitsatz (redaktionell)
1. Die rückwirkende Verlängerung der Spekulationsfrist für Grundstücke von zwei auf zehn Jahre ist verfassungswidrig und nichtig, soweit in einem Veräußerungsgewinn Wertsteigerungen steuerlich erfasst werden, die bis zur Verkündung des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 am 31.3.1999 entstanden sind und nach der zuvor geltenden Rechtslage steuerfrei realisiert worden sind oder steuerfrei hätten realisiert werden können, weil die alte Spekulationsfrist bereits abgelaufen war.
2. Wurde der tatsächliche Wert des Grundstücks zum 31.3.1999 nicht nachgewiesen, so ist eine Schätzung des steuerbaren Wertzuwachses entsprechend dem Verhältnis der Besitzzeit nach dem 31.3.1999 im Vergleich zur Gesamtbesitzzeit grundsätzlich vertretbar.
3. Es ist ernstlich zweifelhaft, ob AfA, erhöhte Absetzungen und Sonderabschreibungen, die sich bis zum 31.3.1999 steuerlich im Rahmen einer Einkunftsart i. S. d. § 2 Abs. 1 S. 1 Nrn. 4-7 EStG ausgewirkt haben (hier: Vermietung und Verpachtung), bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Anteils des Veräußerungsgewinns hinzugerechnet werden dürfen.
Normenkette
EStG § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 Nr. 1 Fassung: 1999-03-24; FGO § 69 Abs. 3, 2 S. 2; GG Art. 20 Abs. 3
Tenor
Die Vollziehung des Einkommensteuerbescheides 2003 vom 24.07.2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19.04.2011 wird ab Fälligkeit vollständig ausgesetzt und hinsichtlich eventuell entstandener Säumniszuschläge aufgehoben und die Vollziehung des Einkommensteuerbescheides 2004 vom 03.07.2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19.04.2011 wird in Höhe von 27.010,00 EUR ab Fälligkeit aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Antragsgegner auferlegt.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten um die Art der Ermittlung von Veräußerungsgewinnen bei Immobilien, die so weit vor dem 01.04.1999 angeschafft worden sind, dass am 01.04.1999 die damals geltende zweijährige Verjährungsfrist von Spekulationsgeschäften bereits verstrichen war, und die nach dem 01.04.1999 zu einem Zeitpunkt veräußert worden sind, an dem die nunmehr geltende zehnjährige Frist noch nicht verstrichen war.
Die Antragsteller sind Eheleute, die in den Streitjahren zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden.
Im Dezember 1996 erwarb der Antragsteller drei Grundstücke, Am St…00, 01 und 02, die er zunächst vermietete. Er erzielte damit Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, die er auch versteuerte. In den Jahren 1997 und 1998 nahm er Sonderabschreibungen nach dem Fördergebietsgesetz und danach AfA gemäß § 7 Abs. 4 EStG für alle drei Grundstücke in Anspruch, die der Höhe nach nicht streitig sind. Im Jahre 2003 veräußerte der Antragsteller die Grundstücke Am St… 00 und 01, im Jahre 2004 das verbliebene Objekt Am St… 02. Wegen der Höhe der Sonderabschreibungen und der AfA nach § 7 Abs. 4 EStG wird auf die Berechnungen der Beteiligten zu den Veräußerungsgewinnen verwiesen.
Der Antragsgegner setzte die Einkommensteuer 2004 gegenüber den Antragstellern zunächst mit Bescheid vom 13.09.2007 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 AO fest, indem er mangels Abgabe der Steuererklärung die Besteuerungsgrundlagen schätzte. Er berücksichtigte unter anderem Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften in Höhe von 110.000,00 EUR. Dagegen legten die Antragsteller am 17.10.2007 Einspruch ein und beantragten die Aussetzung der Vollziehung. Da die Antragsteller die Steuererklärung nicht einreichten, lehnte der Antragsgegner die Aussetzung der Vollziehung mit Bescheid vom 22.10.2007 ab. Am 09.11.2007 reichten die Antragsteller die Einkommensteuererklärung 2004 ein. Darin gaben sie Einkünfte des Antragstellers aus privaten Veräußerungsgeschäften in Höhe von 62.718,00 EUR an (Bl. 176 R EStA Band I, Am St… 02). Daraufhin gewährte der Antragsgegner teilweise Aussetzung der Vollziehung, ging allerdings bei der Berechnung der Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften von 110.042,00 EUR aus. Den Gewinn aus privaten Veräußerungsgeschäften berechnete er aus dem Kaufpreis zuzüglich Nebenkosten, gemindert um die AfA nach Fördergebietsgesetz und um die AfA gemäß § 7 Abs. 4 EStG. Auf die dem Bescheid als Anlage beigefügten Berechnung wird im Einzelnen verwiesen. In dem Bescheid für 2004 vom 03.07.2009, der weiterhin unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stand, berücksichtigte der Antragsgegner wiederum Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften in Höhe von 110.042,00 EUR. Dies führte zu einer Nachzahlung in Höhe von 3.744,00 EUR.
Der Antragsgegner setzte die Einkommensteuer 2003 gegenüber den Antragstellern zunächst unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 AO fest, indem er mangels Abgabe der ...