Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein in kaufmännischer Weise eingerichteter Geschäftsbetrieb und keine Buchführungspflicht bei gewerblichem Grundstückshandel beim Bau und Verkauf von bis zu zehn Wohnungen
Leitsatz (redaktionell)
1. Für die Frage, ob ein nach Art und Umfang in kaufmännischer Weise eingerichteter Geschäftsbetrieb erforderlich ist, sind beim gewerblichen Grundstückshändler insbesondere der Umfang der An- und Verkaufsgeschäfte, die Komplexität der Beschaffungs- und Veräußerungsvorgänge (Marktbeobachtung, Akquisition von Kunden), während der Besitzzeit stattfindende erhebliche Baumaßnahmen/Bearbeitungen, die typischerweise erfolgende Kreditfinanzierung, die Gewährung von Zahlungszielen und der Bestand des Umlaufvermögens zu berücksichtigen.
2. Der Bau und Verkauf von bis zu zehn Wohnungen ist als überschaubares Projekt zu beurteilen, das regelmäßig keinen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert.
3. Auch ein in der Immobilienbranche regelmäßig hoher Umsatz bedeutet nicht zwangsläufig eine komplexe Unternehmensstruktur, die mit einer Verpflichtung zur Buchführung und damit zur Gewinnermittlung nach Bestandsvergleich einherginge.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 1, 3, § 5 Abs. 1; HGB § 1 Abs. 2, §§ 238, 242; AO § 140
Tenor
Die Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für die Jahre 2001 bis 2004, über den Gewerbesteuermessbetrag für 2002, 2003 und 2004 sowie über die gesonderte und einheitliche Feststellung der vortragsfähigen Gewerbeverluste auf den 31.12.2001, 31.12.2002, 31.12.2003 und 31.12.2004, alle vom 11.10.2006, und die hierzu ergangenen Einspruchsentscheidungen vom 8.3.2007 werden dahingehend geändert, dass den Feststellungen bzw. Festsetzungen nicht der durch Betriebsvermögensvergleich nach § 5 Abs. 1 i.V.m. § 4 Abs. 1 EStG, sondern der durch Einnahme-Überschuss-Rechnung nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelte Gewinn zugrunde gelegt wird.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Beschluss:
Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
Tatbestand
Die Klägerin betrieb in den Streitjahren einen gewerblichen Grundstückshandel. Mit Kaufvertrag vom …12.2000 erwarb sie das bebaute und in Wohnungseigentum aufgeteilte Grundstück E. Straße in B. zum Kaufpreis von 4,2 Mio. DM. Im März 2001 beauftragte die Klägerin die H. GmbH mit der Sanierung der Immobilie und dem Ausbau des Dachgeschosses zum Pauschalfestpreis von 2.200.240 DM. Zur Finanzierung des Kaufpreises und der Sanierungsmaßnahmen räumte das Bankhaus L. der Klägerin eine Kontokorrentkreditlinie in Höhe von 6,6 Mio. DM ein. Die Vermarktung der sanierten Wohnungen übernahmen das Bankhaus A. und die C. GbR. In den Jahren 2001 bis 2004 wurden neun der laut Exposé der Klägerin insgesamt zehn Wohnungs- und Gewerbeeinheiten -überwiegend nach Sanierung durch die Klägerin – verkauft. Die Kaufpreiszahlungen wurden überwiegend über die jeweiligen Notar-Anderkonten abgewickelt. Wegen der Vertragsinhalte im Einzelnen wird auf die Anlagen 8 bis 16 zur Antragsschrift vom 16.2.2007 im Verfahren über die Aussetzung der Vollziehung (Bl. 77 bis 255 der Gerichtsakte 5 V 5084/07) Bezug genommen. Die Klägerin ermittelte ihren Gewinn durch Einnahme-Überschuss-Rechnung und wurde entsprechend ihren Erklärungen veranlagt.
Im Ergebnis einer Außenprüfung vertrat der Prüfer die Auffassung, die Tätigkeit der Klägerin habe einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert mit der Folge, dass der Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich zu ermitteln gewesen sei. Auf den Prüfungsbericht vom 26.9.2006, insbesondere auf Ziffer 8 des Berichts, wird verwiesen. Entsprechend dem Prüfungsergebnis erließ der Beklagte unter dem 10.11.2006 geänderte Bescheide über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen sowie über den Gewerbesteuermessbetrag 2001 bis 2004 (Bl. 76 bis 79 der Feststellungsakte und Bl. 43 bis 47 der Gewerbesteuerakte). Der Einspruch der Klägerin wurde mit Einspruchsentscheidung vom 8.3.2007 zurückgewiesen.
Die Klägerin macht zur Begründung ihrer Auffassung, dass sie nicht eines in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetriebes bedurft habe und daher ihren Gewinn durch Einnahme-Überschuss-Rechnung habe ermitteln dürfen, im Wesentlichen Folgendes geltend:
Sie – die Klägerin – sei entgegen der Auffassung des Beklagten nicht als Bauträgerin anzusehen. Der Beklagte habe im Rahmen der Betriebsprüfung einen tatsächlich existierenden kaufmännisch eingerichteten Geschäftsbetrieb auch nicht festgestellt. Sie – die Klägerin – habe in den Streitjahren kein Handelsgewerbe betrieben. Bei der Abgrenzung zwischen Handelsgewerbe einerseits und sonstigem Gewerbebetrieb andererseits s...