Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausschluss der Straf- oder Bußgeldbefreiung infolge einer strafbefreienden Erklärung wegen „Erscheinens” des Betriebsprüfers bei Erweiterung des Prüfungszeitraums. Beginn einer „erweiterten” Betriebsprüfung durch Anforderung von Unterlagen. Einkommensteuer 1998
Leitsatz (redaktionell)
1. Durch das Erscheinen eines Amtsträgers der Finanzbehörde zur steuerlichen Prüfung wird die Straf- bzw. (teilweise) Steuerfreiheit des Steuerpflichtigen bei anschließender Abgabe einer Selbstanzeige oder strafbefreienden Erklärung nur für diejenigen Steuerarten und Prüfungszeiträume ausgeschlossen, auf welche sich die Prüfungsanordnung erstreckt.
2. Im Falle einer Erweiterung der Prüfungsanordnung im Laufe der Prüfung „erscheint” der Amtsträger der Finanzbehörde daher (i.S. von § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Buchst. a des Gesetzes über die strafbefreiende Erklärung –StraBEG–) hinsichtlich derjenigen Steuerarten und Zeiträume, die nach der erweiterten Prüfungsanordnung zu prüfen sind, erstmals in dem Zeitpunkt zur steuerlichen Prüfung, in dem er, die Erweiterung der Prüfungsanordnung in Schriftform bei sich führend, die Räume des Steuerpflichtigen zum Zwecke der Prüfung der dort genannten Steuerarten und Zeiträume betritt (zur Rechtmäßigkeit einer auf § 4 Abs. 3 BpO 2000 gestützten Erweiterungs-Prüfungsanordnung).
3. Es ist nicht ermessensfehlerhaft, wenn die Bekanntgabe der –selbständig anfechtbaren– erweiterten Prüfungsanordnung und das Erscheinen des Betriebsprüfers zeitlich zusammenfallen. Wird nämlich im Einspruchs- oder gegebenenfalls im Klageverfahren festgestellt, dass die Erweiterung der Prüfungsanordnung rechtswidrig war, folgt hieraus nicht nur ein Verwertungsverbot für die bei der durchgeführten Betriebsprüfung gewonnen Erkenntnisse, sondern es kann dann auch nicht mehr von einem „Erscheinen” des Amtsträgers der Finanzbehörde i. S. von § 371 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a Alt. 1 AO und § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a Alt. 1 StraBEG ausgegangen werden.
4. Die Auffassung des BMF in dem Merkblatt zur Anwendung des StraBEG, dass für den Eintritt der Sperrwirkung des § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a Alt. 1 StraBEG zusätzlich zu dem Erscheinen des Amtsträgers auch die Vornahme von Ermittlungsmaßnahmen –also der tatsächliche Prüfungsbeginn– erforderlich sei, ist vom Wortlaut des Gesetzes nicht abgedeckt und damit zweifelhaft.
5. Zum Beginn der Außenprüfung für den erweiterten Prüfungszeitraum, wenn der Prüfer zunächst nur Unterlagen angefordert hat.
Normenkette
StraBEG § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 7 S. 1 Nr. 1 Buchst. a; AO § 193 Abs. 1, §§ 196, 197 Abs. 1, § 371 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a; BpO 2000 § 4 Abs. 3
Nachgehend
BFH (Aktenzeichen IV R 58/04) |
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit einer das Jahr 1998 betreffenden strafbefreienden Erklärung nach Artikel 1 (Gesetz über die strafbefreiende Erklärung -StraBEG-) des Gesetzes zur Förderung der Steuerehrlichkeit vom 23. Dezember 2003, BGBI I 2003, 2928.
Der Kläger erzielt als Rechtsanwalt und Notar Einkünfte aus selbständiger Arbeit.
Mit schriftlicher Prüfungsanordnung vom 12. Januar 2004 ordnete der Beklagte gemäß § 193 Abs. 1 AO die Durchführung einer Betriebsprüfung bei dem Kläger hinsichtlich Einkommensteuer und Umsatzsteuer für die Jahre 2000 bis 2002 an. In der mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Prüfungsanordnung kündigte der Beklagte zugleich an, dass die Prüfung voraussichtlich am 20. Januar 2004 um 9.00 Uhr beginnen werde. Der Betrieb des Klägers war zu dieser Zeit als Kleinstbetrieb i. S. von § 3 Betriebsprüfungsordnung -BpO 2000- eingestuft.
Am 18. Januar 2004 ging beim Beklagten ein Schreiben mit folgendem Inhalt ein:
„nach Durchsicht meiner Konten auf Zahlungseingänge melde ich folgende Beträge zur Nachversteuerung an.
Jahr 2000 |
EUR 8.500,– |
Jahr 2001 |
EUR 11.500,– |
Jahr 2002 |
EUR 19.500,– |
Die auf die Gesamtsumme entfallende Mehrwertsteuer in Höhe von EUR 5.379,31 habe ich überwiesen. Für die Einkommensteuer bitte ich um geänderte Bescheide. „
Am 20. Januar 2004 um 9.00 Uhr begann ankündigungsgemäß eine Betriebsprüferin des Beklagten mit der Betriebsprüfung bei dem Kläger für die Jahre 2000 bis 2002.
Am 21. Januar 2004 um 12.00 Uhr leitete der Beklagte ein Steuerstrafverfahren gegen den Kläger ein wegen des aufgrund der Selbstanzeige vom 18. Januar 2004 aufgekommenen Verdachts der Hinterziehung von Einkommen- und Umsatzsteuer 2000 bis 2002. Dies teilte der Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 21. Januar 2004 mit, das dem Kläger in seinem Büro am darauffolgenden Tag um 8.30 Uhr von der Betriebsprüferin ausgehändigt wurde.
Mit schriftlicher Prüfungsanordnung vom 21. Januar 2004 dehnte der Beklagte außerdem die vorgenannte Betriebsprüfung hinsichtlich Einkommensteuer und Umsatzsteuer gemäß § 4 Abs. 3 BpO auf die Jahre 1998 und 1999 aus. Zur Begründung heißt es in der als „Prüfungsanordnung – Ergänzung” überschriebenen und mit einer Rechtsbehelfsbelehrun...