Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungsmäßigkeit der Höhe des Kindergeldes bzw. des Familienleistungsausgleichs im Jahr 2002
Leitsatz (redaktionell)
1. Von Verfassungs wegen ist die Gewährung von Kindergeld als Sozialleistung in einer bestimmten absoluten Mindesthöhe oder in einer Höhe, die zu den Freibeträgen des § 32 Abs. 6 EStG in einem bestimmten Verhältnis steht, nicht geboten. Die Höhe des Kindesgeldes im Jahr 2002 (154 Euro für das erste Kind) war daher verfassungskonform.
2. Der Gesetzgeber ist durch das Bundesverfassungsgericht lediglich dazu verpflichtet worden, das nach sozialhilferechtlichen Kriterien zu ermittelnde Existenzminimum des Steuerpflichtigen und seiner Familie und ab dem Jahr 2002 zusätzlich den Betreuungs-, Erziehungs- und Ausbildungsbedarf im wirtschaftlichen Ergebnis von der Einkommensteuer freizustellen. Diese Anforderungen sind für das Jahr 2002 in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise erfüllt worden.
Normenkette
EStG 2002 § 66 Abs. 1, § 32 Abs. 6, § 70 Abs. 1, § 31 Sätze 1, 4; GG Art. 6 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.
Tatbestand
Der Kläger ist Vater seiner im September 1988 geborenen Tochter A., die im Streitjahr 2002 minderjährig war. Die Beklagte gewährte dem Kläger Kindergeld gemäß § 32 Abs. 3 Einkommensteuergesetz – EStG – für A. in Höhe von EUR 154 (§ 66 Abs. 1 EStG).
Im Juni 2002 legte der Kläger Einspruch ein gegen die Kindergeldfestsetzung. Zur Begründung trug er vor, die verfassungsgemäße Umsetzung einer Familienbesteuerung sei vom Gesetzgeber trotz Aufforderung des Bundesverfassungsgerichts ab 1996 nicht vorgenommen worden. Die monatlichen Kindergeldbeträge seien zu niedrig, um einer verfassungsgemäßen Prüfung standzuhalten. Das Kindergeld habe sich zu orientieren an den Sätzen zu den Unterhaltsaufwendungen, die die Eltern leisten müssen.
Mit Einspruchsentscheidung vom 11. September 2003, abgesandt am 17. September 2003, wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung führt die Beklagte aus, seit 1996 bestehe das Recht des Familienleistungsausgleichs. Durch die Zahlung von Kindergeld als Steuervergütung oder den Abzug des Kinderfreibetrages vom Einkommen werde gewährleistet, dass in allen Einkommensgruppen die verfassungsrechtlich gebotene steuerliche Freistellung eines Einkommensbetrages in Höhe des Existenzminimums eines Kindes eintrete. Für das Streitjahr 2002 betrage das gesetzliche Kindergeld EUR 154. Dies sei an den Kläger gezahlt worden. Der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei nicht zu entnehmen, dass eine einkommensteuerliche Förderung der Familie durch eine Sozialzwecknorm in einer bestimmten Weise und einem bestimmten Umfang zu gewähren sei. Die Höhe des Kindergeldes sei verfassungsrechtlich nicht vorgegeben worden.
Der Kläger hat fristgerecht Klage erhoben. Er trägt im Wesentlichen vor, das gesetzliche Kindergeld des Jahres 2002 entspreche nicht den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts. Danach dürfe die staatliche Förderung von Familien nicht unter dem steuerfreien Existenzminimum liegen. Dies sei im Jahr 2002 jedoch der Fall. Bei einem Spitzensteuersatz von 48,5% und einem verfassungsgemäßen Existenzminimum von etwa EUR 6.545 nach einer Schätzung des Deutschen Familienverbandes – ergebe sich ein notwendiges jährliches Kindergeld in Höhe von EUR 3.175, mithin monatlich EUR 265. Das vom Gesetzgeber eingearbeitete, unübersichtliche Existenzminimum betrage für das Kalenderjahr 2002 EUR 5.808. Dies setze sich zusammen aus Kinderfreibetrag, Ausbildungs- und Betreuungsfreibetrag. Dies entspreche bei Umrechnung des Spitzensteuersatzes von 48,5% einem jährlichen Kindergeld von EUR 2.817, mithin monatlich EUR 235. Dies sei derzeit die höchstmögliche steuerliche Förderung durch das Existenzminimum. Daraus folge, dass zum einen das steuerliche Existenzminimum durch den Gesetzgeber zu niedrig angesetzt sei. Zum anderen bedeute dies, dass das tatsächlich gezahlte Kindergeld (EUR 154) nur 28% des Existenzminimums (EUR 6.545) betrage. Hinzu komme, dass die tatsächlichen Aufwendungen, die für ein Kind zu tragen seien, entsprechend den dargelegten Berechnungen, die sich aus den Anlagen zur Klagebegründung ergäben, höher seien als das geschätzte Existenzminimum. Dies bedeute, dass der Gesetzgeber die Förderung der Sozialleistung in einem unzureichenden Maß vornehme, die nicht im Verhältnis zum tatsächlichen Aufwand einer Familie stehe und damit nicht realitätsgerecht sei. Dem verfassungsrechtlich gebotenen Schutz der Familie (Art. 6 Grundgesetz – GG –) sei damit nicht hinreichend Rechnung getragen. Die Einschränkungen und der Mehraufwand, den Kinder für die Eltern und die Familie zur Folge hätten, gehörten zum Leben der Familie als Erziehungs- und Wirtschaftsgemeinschaft und seien deshalb ein wesentlicher Grund für deren besonderen ...