Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch auf erhöhte Investitionszulage wegen der Zurechnung des Betreibens einer Breitbandkabelanlage zum Gewerk des Radio- und Fernsehtechnikers. Begriff des Handwerks. Unrichtiges Investitionszulagenantragsformular. Nachträgliche Beantragung der erhöhten Investitionszulage. Investitionszulage 1994
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Betrieb einer Breitbandkabelanlage und damit das Erbringen der Werkleistung „dauernde Empfangsbereitschaft” gehört zum Gewerk des Radio- und Fernsehelektronikers, so dass ein Anspruch auf die erhöhte Investitionszulage des § 5 Abs. 3 InvZuIG für dem Betrieb der Breitbandkabelanlage dienende Investitionen besteht.
2. Eine Handwerkstätigkeit ist nicht zwingend auf die Herstellung eines körperlichen, sicht- und fassbaren Werks beschränkt. Ebenso ist die Größe eines Betriebs und der Umfang der erbrachten Leistungen kein Ausschlusskriterium für die Zugehörigkeit einer Tätigkeit zu einem Gewerk oder eine Eintragung in die Handwerksrolle.
3. Der Gewährung einer erhöhten Investitionszulage steht weder die Antragstellung neun Monate vor Ablauf der Antragsfrist auf einem falschen Vordruck noch die erst nachträgliche Beantragung einer erhöhten Investitionszulage entgegen.
Normenkette
InvZulG 1993 § 5 Abs. 3 S. 1, § 3 Nr. 4, § 6 Abs. 3 F: 08.12.1994
Nachgehend
Tenor
Die Bescheide vom 12. April 1995 und vom 14. Dezember 1999 in der Fassung des Einspruchsbescheides vom 09. Mai 2001 werden geändert.
Die Investitionszulage für das Jahr 1994 wird auf DM 469.087,00 festgesetzt.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt eine erhöhte Investitionszulage für Handwerksbetriebe.
Sie hat mit Aufwendungen unter anderem im Streitjahr eine Breitbandkabelanlage in errichtet und anschließend betrieben. Sie versorgt ca. 70.000 Wohnungen mit Fernseh- und Hörfunkprogrammen. Die Anlage besteht aus einer eigenen Kabelkopfstation mit einer Satellitenempfangsanlage und drei Netzebenen zu den Hausanschlüssen in den jeweiligen Wohneinheiten. Insbesondere die Kopfstation muss regelmäßig überwacht und gewartet werden.
Die erforderlichen Lizenzen nach dem Fernmeldeanlagengesetz bzw. dem Telekommunikationsgesetz lagen vor. Die Lizenzierung nach dem Telekommunikationsgesetz setzt unter anderem (§ 8 Abs. 3) Zuverlässigkeit, Leistungsfähigkeit und Fachkunde bei dem Lizenznehmer voraus, der einer Reihe von technischen Vorschriften beim Betrieb der Anlage unterliegt (u.a. § 87).
Die seit 1990 mit dem Gewerk des Radio- und Fernsehtechnikers in die Handwerksrolle der Handwerkskammer … eingetragene Klägerin ist nach einem Antrag vom 23.
Dezember 1993 im März 1994 mit demselben Gewerk in die Handwerksrolle der Handwerkskammer … eingetragen worden. Der Antrag enthielt zu der Frage, welches Handwerk hauptsächlich betrieben werde, die Angabe „Fernsehtechnik”, unter der Rubrik „Sonstige noch ausgeübte Handwerke” die Angabe „Breitbandanlagen”.
Mit Wirkung vom 01. April 1998 wurde die Handwerksordnung geändert. Die Gewerke des Radio- und Fernsehtechnikers und des Büroinformationselektronikers wurden zum Gewerk des Informationstechnikers zusammengefasst. Die Kammer stellte im April 1998 anlässlich einer Firmenänderung der Klägerin eine neue Handwerkskarte für dieses Gewerk aus.
Für Aufwendungen in Höhe von insgesamt DM 5.212.073,99 hat sie mit einem Antrag aus Januar 1995 bei dem Finanzamt …, wo sie früher ansässig war, Investitionszulage in Höhe von DM 416.965,83 (8 %) begehrt und mit einem unter Nachprüfungsvorbehalt stehenden Bescheid vom 12. April 1995 zunächst auch erhalten. Es handelte sich um das Formular für das Kalenderjahr 1993, das entsprechend korrigiert worden war.
Im Jahre 1998 begann das Finanzamt … mit einer Betriebsprüfung betreffend die Investitionszulage 1993 bis 1997. Im Rahmen des Berichts vom 09. März 1999 stellte das Finanzamt … unter anderem fest, es sei Einvernehmen erzielt worden, dass die Investitionen zur Hälfte vor dem 01. Juli 1994, zur Hälfte nach dem 30. Juni 1994 begonnen worden seien.
Ferner habe die Klägerin im Rahmen der Schlussbesprechung unter anderem für das Jahr 1994 die erhöhte Investitionszulage gemäß § 5 Abs. 3 InvZuIG (10 %) für diejenigen Investitionen, die sie nach dem 30. Juni 1994 begonnen habe, beantragt, da die Gesellschaft durch die Eintragung in die Handwerksrolle in Halle die Voraussetzungen hierfür erfülle. Allerdings gehöre – nach Auffassung des Finanzamtes … – das Betreiben der Breitbandkabelanlage nicht zu den Gewerken, die als Handwerk oder handwerksähnlich betrieben werden könnten. Lediglich Errichtung und Wartung müssten von einem Handwerksbetrieb erfolgen, nicht jedoch der eigenständige Betrieb.
Die Klägerin erklärte anschließend, da...