Entscheidungsstichwort (Thema)
Darlehensverzicht des Veräußerers mindert die Bemessungsgrundlage für die Investitionszulage. Änderung nach § 164 AO als Verstoß gegen Treu und Glauben
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Verzicht des Veräußerers auf ein dem Erwerber gewährtes Darlehen über einen Teilbetrag des Kaufpreises führt zu einem Rückfluss von im Zusammenhang mit dem Erwerb geleisteten Aufwendungen. Eine solche Minderung des Anschaffungspreises i. S. d. § 255 Abs. 1 Satz 3 HGB mindert auch die Bemessungsgrundlage für die Investitionszulage.
2. Im Streitfall konnte offenbleiben, ob in extremen Ausnahmefällen eine Änderung im Hinblick auf einen Vorbehalt der Nachprüfung gem. § 164 Abs. 2 AO gegen Treu und Glauben verstoßen kann.
Normenkette
InvZulG § 2 Abs. 5; HGB § 255 Abs. 1 S. 3; AO § 164 Abs. 2
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Die Klägerin ist auf dem Gebiet der Forschung und Entwicklung im Bereich der Natur-, Ingenieur-, Agrarwissenschaften und Medizin tätig. Am 08. Oktober 2001 schloss sie mit der A. GmbH einen Vertrag über die Lieferung einer Glasschmelz- und Extrusionseinrichtung und einer Extrusionstemperiereinrichtung – Extruder – mit einem Gesamtauftragswert von 1.596.300 DM. Der erworbene Standardextruder sollte nach den Anforderungen der Klägerin weiter entwickelt werden. Zu diesem Zweck schlossen die Vertragsbeteiligten am 18. Oktober 2001 einen weiteren Kooperationsvertrag, in dem sie sich verpflichteten, den Extruder weiter zu entwickeln.
Am 3. Dezember 2001 erfolgte die erste Zahlung in Höhe von 327.326 DM; am 27. Dezember 2001 erfolgte eine zweite Zahlung in derselben Höhe.
Bereits am 14. Oktober 2001 war zwischen den Vertragsbeteiligten auch ein Darlehensvertrag geschlossen worden, mit dem der Klägerin von der A. GmbH ein Betrag von 750.000 DM zur Finanzierung des Erwerbs des Extruders bereitgestellt wurde. Durch Verrechnung des Darlehensbetrages galt eine weitere Rate aus dem Kaufvertrag vom 08. Oktober 2001 als bezahlt.
2002 geriet die A. GmbH in Insolvenz und deshalb in Lieferverzug. Zahlungen durch die Klägerin erfolgten nicht mehr; sie stellte vielmehr Verzugsentschädigungen in Rechnung.
Auf Grund der geänderten Situation wurde am 29. Juli 2003 durch den Insolvenzverwalter der A. GmbH mit der Klägerin die Lieferung des noch nicht fertig gestellten Extruders gegen eine Einmalzahlung von 380.000 EUR zzgl. Umsatzsteuer vereinbart. Die Klägerin sollte den unfertigen Extruder dann in eigener Regie fertig stellen. 90.000 EUR zzgl Umsatzsteuer waren bei Übergabe des Kaufgegenstandes, spätestens am 30. August 2003 fällig. Die restlichen 290.000 EUR zzgl. Umsatzsteuer sollten bei Erreichen der Funktionsfähigkeit des Extruders, spätestens am 28. Februar 2004 gezahlt werden.
Mit demselben Vertrag wurde eine gegenseitige Aufrechnung aller Forderungen und Verbindlichkeiten zwischen der Klägerin und der A. GmbH vorgenommen. Die Klägerin machte Forderungen in Höhe von 276.921,90 EUR geltend, die A. GmbH Forderungen in Höhe von 818.328,07 EUR. Die Aufrechnung ergab sich – aus Sicht der Klägerin – wie folgt:
Darlehensverbindlichkeit ohne Zinsen |
383.468,91 EUR |
Restverbindlichkeit aus der Rechnung 8802496 |
228.668,14 EUR |
Verbindlichkeit aus der Rechnung 8803019A |
127.600,00 EUR |
Verbindlichkeit aus der Rechnung 8803019B |
78.591,02 EUR |
verschiedene Weiterberechnungen |
- 1.921,90 EUR |
Verzugskosten wegen Extruder, 2002 |
- 75.000,00 EUR |
Verzugskosten wegen Extruder, 2003 |
- 200.000,00 EUR |
Unterschiedsbetrag |
541.406,17 EUR |
In der Folgezeit entstanden der Klägerin für die Entwicklung des Extruders weitere Kosten. Nach ihrer Auskunft war der Extruder im Jahr 2004 tatsächlich betriebsbereit und nutzbar.
Für die Jahre 2001 bis 2004 beantragte die Klägerin Investitionszulage auf die jeweils angefallenen Teilherstellungskosten.
Der Beklagte vertrat zunächst die Auffassung, dass die Bemessungsgrundlage im Jahr des Abschlusses des Vergleichs, 2003, wegen des Ausfalls der Darlehensverbindlichkeit entsprechend zu mindern sei. Im Rahmen des Einspruchsverfahrens über alle nach der Investitionszulagensonderprüfung ergangenen Bescheide für 2001 bis 2004 kam es am 19. Dezember 2006 zu einer Besprechung zwischen Vertretern der Klägerin und des Beklagten. Eine Einigung wurde zunächst nicht erzielt. Lediglich die Investitionszulage für den in 2004 gezahlten Betrag für die Lieferung des unfertigen Extruders von 290.000 EUR wurde antragsgemäß unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gewährt. Der Vorbehaltsvermerk wurde für den Fall aufgenommen, dass das Finanzgericht im Rahmen des Klageverfahrens für 2001 zur Auffassung gelangen sollte, dass es sich bei dem Erwerb des Extruders nicht um die Herstellung, sondern um die Anschaffung eines Wirtschaftsguts gehandelt habe. Die Klägerin stimmte mit Telefax vom 20. Dezember 2006 der Aufnahme des Vorbehalts der Nachprüfung unter Hinweis auf das am 19. Dezember 2006 geführte Gespräch zu. Sie...