Entscheidungsstichwort (Thema)
Einbeziehung der Verkehrswertdifferenz in die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer
Leitsatz (redaktionell)
1. Nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG 1997 kommt es nicht mehr darauf an, ob eine mit einem Grundstücksverkauf zwischen Gesellschafter und Kapitalgesellschaft verbundene verdeckte Einlage als Gegenleistung anzusehen ist. Vielmehr ist eine Verkehrswertdifferenz stets in die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer einzubeziehen.
2. Der Rechtsstreit über die Steuerfestsetzung ist in diesem Fall bis zum Abschluss des Verfahrens der Wertfeststellung auszusetzen.
Normenkette
GrEStG § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 8 Abs. 1, 2 Nr. 2, § 9 Abs. 1 Nr. 1; BewG § 138 Abs. 2; FGO § 74
Tatbestand
I.
Die Stadt „A” ist Alleingesellschafterin der im…gegründeten Klägerin. Das Stammkapital von 50.000 DM ist eingezahlt. Mit notariell beurkundetem Vertrag vom…1998 übertrug die Stadt Grundstücke im Verkehrswert von 28,91 Mio. DM auf die Kl'in. Nach § 1 Abs. 3 des Vertrages sind 30 % dieses Wertes der Kl'in als Kapitalrücklage zuzuführen; in Höhe der restlichen 70 % gewährte die Stadt „A” der Kl'in ein Trägerdarlehen, das nach Maßgabe eines gesonderten Darlehensvertrages angemessen zu verzinsen und zu tilgen sein sollte.
Der Beklagte setzte mit Bescheid vom 2.2.1999 die Grunderwerbsteuer nach einem Kaufpreis von 28,91 Mio. DM auf 1.011.850 DM fest.
Gegen den Bescheid legte die Kl'in Einspruch ein, den der Beklagte zurückwies.
Hiergegen richtet sich die Klage.
Die Kl'in trägt vor:
Es liege ein reiner Kaufvertrag vor. Folglich beurteile sich die Bemessungsgrundlage nach § 9 GrEStG. Der BFH habe mit Urteil vom 26.10.1977 (BStBl II 1978,201) ausdrücklich den vereinbarten Kaufpreis als Bemessungsgrundlage angesehen, da die mit dem Verkauf verbundene verdeckte Gewinnausschüttung nicht der Gegenleistung zuzurechnen sei. Dies müsse auch für den umgekehrten Fall der verdeckten Einlage gelten. Eine Verrechnung mit einer Gegenforderung sei nicht erfolgt, sondern eine Zuführung als Kapitalrücklage.
Die Kl'in beantragt,
den Grunderwerbsteuerbescheid vom 2.2.1999 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17.8.1999 dahingehend zu ändern, dass die Grunderwerbsteuer auf 708.295 DM herabgesetzt wird.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte trägt vor:
Als Kaufpreis sei der Betrag von 28,91 Mio. DM genannt. Wenn der Verkäufer die Grundstücke zu einem niedrigeren Preis als dem Verkehrswert habe übertragen wollen, hätte in dem Vertrag auch dieser niedrigere Preis vereinbart werden können. Da dies nicht geschehen sei, sei der Nachlass von 30 % auf den vereinbarten Kaufpreis als Forderungsverzicht anzusehen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Aussetzung des Verfahrens beruht auf § 74 FGO. Die Entscheidung des Rechtsstreits ist abhängig von der Durchführung eines Feststellungsverfahrens gemäß § 138 Abs. 2 BewG durch die Finanzbehörde.
Nach Auffassung des Senates kann die Grunderwerbsteuer nicht ausschließlich nach einer in dem Vertrag vom…1998 vereinbarten Gegenleistung festgesetzt werden, § 8 Abs. 1 GrEStG. Der Vorgang unterfällt zumindest teilweise der Regelung des § 8 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG, sei es als Einbringung oder als anderer Erwerbsvorgang auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage.
Der notariell beurkundete Vertrag vom…1998 kann nicht als reiner Kaufvertrag (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG) mit einem vereinbarten Kaufpreis, nach dessen Höhe die Steuer zu bemessen wäre (§§ 8 Abs. 1 und 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG), angesehen werden. Dies ergibt die Auslegung des Vertrages. Zwar wird die Klägerin im Vertragstext als „Käufer” bezeichnet; in § 6 und § 7 ist auch vom „Kaufpreis” die Rede; § 1 trägt die Überschrift „Kaufgegenstand-Kaufpreis”. Diese Bezeichnungen lassen für sich allein jedoch noch keinen Rückschluss auf den Charakter des schuldrechtlichen Rechtsgeschäfts zwischen den Vertragsparteien (Kauf? gesellschaftsrechtlicher Vorgang?) zu. So ist der Vertrag nicht mit „Kaufvertrag”, sondern mit „Grundstücksübertragungsvertrag” überschrieben. In § 1 Abs. 2 und 3 wird gerade kein Kaufpreis vereinbart, sondern ein „Verkehrswert-Übertragungswert” zugrunde gelegt. Der gesonderte Ausweis eines Verkehrswertes ist in einem Kaufvertrag ungewöhnlich. Es fehlt gerade die für einen Kaufvertrag übliche synallagmatische Verknüpfung zwischen Leistung und Gegenleistung.
Auch die in § 1 Abs. 3 geregelten Modalitäten - Zuführung als Kapitalrücklage und Gewährung eines Trägerdarlehens - sind einem Kaufvertrag fremd. Die bereits in dem Vertrag geregelte bilanzielle Behandlung bei der Erwerberin ist für den Verkäufer eines Grundstücks in der Regel nicht von Interesse. Nach der Formulierung in § 1 Abs. 2 Satz 1 des Vertrages ist die Übertragung vielmehr als Vollzug einer Willensbekundung der Stadt „A” anzusehen, an den nachfolgend beiderseitige Verpflichtungen geknüpft sind. Er stellt damit eine Vereinbarung über die Modalitäten einer außerhalb des Gesellschaftsvertrages erbrachten freiwilligen Sacheinlage der Stadt „A” dar (vgl. Hachenburg Komm. zum GmbHG, ...