Entscheidungsstichwort (Thema)
Verzinsung fälliger Milchabgaben: Rechtsweg zu den Finanzgerichten – Höhe des Zinssatzes – Zinsfestsetzung für künftig entstehende Zinsen
Leitsatz (redaktionell)
- Für eine Klage gegen einen die Verpflichtung zur Zahlung von Milchabgaben nach der EG-VO 1788/2003 i.V.m. den Ausführungsbestimmungen der VO 595/2004 betreffenden Zinsbescheid ist der Rechtsweg zu den Finanzgerichten gegeben.
- Zinsen auf Milchabgaben sind Abgaben zu Marktordnungszwecken im Sinne des § 12 Abs. 1 MOG, auf die bis auf die durch Art. 15 Abs. 2 VO 595/2004 in Verbindung mit Anhang II VO 595/2004 geregelten Zinssätze die Vorschriften der AO für Säumniszuschläge entsprechend anzuwenden sind.
- Der Zinssatz richtet sich während der gesamten Dauer der Säumnis nach dem um einen Prozentpunkt erhöhten Drei-Monats-EURIBOR zum 01.10. des Jahres, in dem die Zinsen entstanden sind.
- Die Verjährungsvorschriften der §§ 239 Abs. 1 Satz 1, 169 Abs. 2 AO rechtfertigen keine Zinsfestsetzung im Vorgriff auf möglicherweise erst künftig entstehende Zinsen.
Normenkette
VO (EG) 1788/2003 Art. 4 Abs. 1-2, Art. 11 Abs. 1, Art. 13 Abs. 3; VO (EG) 595/2004 Art. 15 Abs. 1-2; FGO § 33 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 1 Nr. 4; MOG § 12 Abs. 1, § 14 Abs. 1 Sätze 2-3, § 34 Abs. 1; AO § 3 Abs. 4, §§ 85, 169 Abs. 2, § 239 Abs. 1 S. 1, § 240; GG Art. 74 Abs. 1 Nr. 17, Art. 108 Abs. 1 S. 1
Nachgehend
Tatbestand
Die Klägerin lieferte von ihrem Betrieb im Zwölfmonatszeitraum 2007/2008 der Molkerei A GmbH als Käuferin 7.904.267 kg Milch mit einem Fettgehalt von 4,319% an. Aufgrund der ihr zustehenden Anlieferungsreferenzmenge von 77.276 kg mit einem Fettgehalt von 8,020% errechnete die Käuferin eine Überlieferung von 3.371.724 kg und unter Berücksichtigung der Molkerei- und Bundessaldierung eine Abgabe von 938.350,92 €.
Am 23.07.2008 teilte die Käuferin diese Berechnung der Klägerin mit und meldete am 24.07.2008 dem Beklagten die Abgabe auch für die Klägerin an, wobei sie hinsichtlich der Klägerin von der ihr mitgeteilten Berechnung ausging.
Gegen die Abgabeanmeldung der Käuferin legte die Klägerin Einspruch ein, den der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 20.02.2009 als unbegründet zurückwies. Die dagegen erhobene Klage wies das Finanzgericht Düsseldorf mit rechtskräftig gewordenem Urteil vom 25.05.2010, 4 K 1140/09 MOG ab. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das Urteil verwiesen.
Der angemeldete Abgabenbetrag wurde von der Molkerei nur in Höhe von 630.196,96 € gezahlt. Hinsichtlich des weiteren Abgabenbetrags untersagte das Landgericht auf Antrag der Klägerin mit Beschluss vom 17.11.2008 der Molkerei, den Restbetrag von 308.153,96 € an die zuständige Bundeskasse abzuführen.
Mit Abgabenbescheid vom 04.12.2008 forderte der Beklagte von der Klägerin den noch offenen Restbetrag in Höhe von 308.153,96 € an. Seit dem 16.07.2009 zahlte die Klägerin im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens monatliche Raten von 2.000 € zur Tilgung der Restschuld. Zum 18.04.2011 wurden die Raten auf monatlich 3.000 € erhöht, aber nur bis zum 18.03.2015 gezahlt, so dass die Milchabgabe noch in Höhe von 122.153,96 € unbeglichen ist. Die jeweiligen Zeitpunkte der Einzahlungen ergeben sich aus der Anlage zum Schreiben des Beklagten vom 01.06.2016.
Mit Bescheid vom 16.12.2009 setzte der Beklagte der Klägerin gegenüber für Zeit von Oktober 2008 bis zum erwarteten Ende der Zahlungen am 21.05.2022 Zinsen fest, deren Fälligkeit er jeweils zum 01.11. für den zuvor abgelaufenen Jahreszeitraum festlegte. Den Zinssatz bestimmte er für die gesamte Zeit in Höhe des auf dem am 01.10.2008 geltenden und um 1% erhöhten EURIBOR (Euro interbank borrowing offered rate). Als Rechtsgrundlage gab der Beklagte Art. 15 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 595/2004 der Kommission vom 30. März 2004 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 1788/2003 des Rates über die Erhebung einer Abgabe im Milchsektor - VO 595/2004 - an.
Zur Begründung des gegen diesen Bescheid eingelegten Einspruchs trug die Klägerin vor, sie könne nicht mit Zinsen dafür haften, dass die Molkerei als Verwaltungshelfer die Abgabe pflichtwidrig nicht abgeführt habe.
Die Zinsforderung beruhe auf Gemeinschaftsrecht, obwohl der Gemeinschaft die Zinsen nicht zugestanden hätten. Auch sei der Gemeinschaft kein Zinsschaden entstanden, weil die Mitgliedstaaten verpflichtet seien, die Abgabe zu zahlen. Eine Überleitung der Zinsansprüche von der Gemeinschaft auf die Mitgliedstaaten habe nicht stattgefunden.
Zinsen könnten nur nach ihrer Entstehung berechnet werden. Die Berechnungsmethode des Beklagten berücksichtige keine Änderung im Rahmen der Tilgung. Auch könne der angewandte Zinssatz nicht für spätere Zeiträume ab 2009 gelten.
Mit Zinsänderungsbescheid vom 11.08.2011 ersetzte der Beklagte den angefochtenen Zinsbescheid und berechnete die Zinsen unter Berücksichtigung der vom 21.04.2011 an erhöhten monatlichen Rate von 3.000 €, aber gleichbleibendem Zinssatz und gleichbleibender Fälligkeit n...