Entscheidungsstichwort (Thema)
Nettolohnvereinbarung: Berücksichtigung der Abtretung von Kindergeldzahlungen an den Arbeitgeber als negative Einnahmen – Gleichstellung mit der Abtretung einer Steuererstattung, Rückzahlung von Arbeitslohn
Leitsatz (redaktionell)
Kindergeldzahlungen, die im Rahmen einer Nettolohnvereinbarung an den Arbeitgeber abgetreten wurden, mindern als negative Einnahmen in gleicher Weise wie die Rückzahlung von Arbeitslohn aufgrund der Abtretung einer Steuererstattung den zu versteuernden Bruttoarbeitslohn des Berechtigten.
Normenkette
EStG § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 31 S. 3
Tatbestand
Streitig ist, ob bei einer Nettolohnvereinbarung der Bruttoarbeitslohn zu reduzieren ist, wenn das Kindergeld vereinbarungsgemäß an den Arbeitgeber ausgezahlt wird.
Die Eheleute sind japanische Staatsbürger und wurden im Streitjahr (2018) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Sie wohnten im Streitjahr in A-Stadt und haben zwei Kinder.
Der Kläger ist Angestellter der B Ltd., Japan. Im Rahmen einer befristeten Entsendung arbeitete er von Oktober 2017 bis August 2019 für die C GmbH, D-Stadt ( C ). Er erhielt sowohl von der japanischen Muttergesellschaft als auch von C Gehalt. Die Auszahlung erfolgte im Rahmen einer Nettolohnvereinbarung.
Der Kläger beantragte im Mai 2018 Kindergeld für die beiden Kinder der Eheleute. Die Klägerin erklärte sich damit einverstanden, dass das Kindergeld zugunsten des Klägers festgesetzt wird. Die Kläger gaben zusammen mit dem Kindergeldantrag folgende „Verzichtserklärung” ab:
„Hiermit erkläre ich mich damit einverstanden, dass die von der Familienkasse zu zahlende Kindergeldleistung nicht an mich ausgezahlt wird und zu Gunsten der C GmbH ( C ) verbucht werden kann.
Hintergrund für meine Entscheidung ist die Tatsache, dass C für sämtliche Lohnsteuern[,] die im Zusammenhang mit meinem Einsatz bei C angefallen sind, eingetreten ist.”
Der Kläger bestimmte in dem Kindergeldantrag, dass das Kindergeld auf ein Konto einer anderen Person, nämlich der C , überwiesen werden solle.
Die zuständige Familienkasse setzte Kindergeld ab Januar 2018 fest. Das Kindergeld in Höhe von 4.656 EUR für das Streitjahr wurde antragsgemäß auf ein Konto der C gezahlt.
C verbuchte das vereinnahmte Kindergeld in ihrer Finanzbuchhaltung gegen Personalaufwand. Sie unterwarf einen Bruttoarbeitslohn in Höhe von 336.098 EUR dem Lohnsteuerabzug. Dabei berücksichtigte sie die Kindergeldzahlungen nicht als negative Einnahmen.
In ihrer Einkommensteuererklärung 2018 erklärten die Kläger einen um das Kindergeld gekürzten Bruttoarbeitslohn in Höhe von 331.442 EUR. Sie machten geltend, die Kindergeldbeträge müssten im Rahmen der Nettolohnvereinbarung als negative Einnahmen in Höhe von 4.656 EUR berücksichtigt werden.
Das beklagte Finanzamt (FA) setzte Einkommensteuer ausgehend von einem Bruttoarbeitslohn in Höhe von 336.098 EUR fest. Es berücksichtigte dabei Werbungskosten des Klägers bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 12.582 EUR, zwei Kinderfreibeträge und erhöhte die Einkommensteuer um das Kindergeld. Eine Kürzung des Bruttoarbeitslohns um das Kindergeld lehnte es ab. Zur Begründung führte es aus: Kindergeld sei kein Entgelt für die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers, sondern eine Steuervergütung.
Dagegen legten die Kläger Einspruch ein, den das FA als unbegründet zurückwies. Das FA führte zur Begründung aus: Der Anspruch auf Zahlung von Kindergeld stehe in keinem Veranlassungszusammenhang zu dem Arbeitsverhältnis und werde auch nicht als Entlohnung für die Zurverfügungstellung der persönlichen Arbeitskraft gewährt. Die Auszahlung des Kindergeldes an C könne daher nicht als negative Einnahme berücksichtigt werden.
Dagegen richtet sich die Klage. Die Kläger tragen vor: Das Kindergeld könne als Steuervergütung nicht anders behandelt werden als sonstige Steuererstattungsansprüche, die ein Arbeitnehmer im Rahmen einer Nettolohnvereinbarung an den Arbeitgeber abgetreten habe. Das dem Arbeitgeber überlassene Kindergeld müsse daher wie die Rückzahlung von überzahltem Arbeitslohn durch Abzug vom Bruttoarbeitslohn berücksichtigt werden.
Steuervergütungs- und -erstattungsansprüche seien Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis im Sinne des § 37 der Abgabenordnung (AO). Über den Familienleistungsausgleich nach § 31 Satz 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) habe das Kindergeld im Streitfall zudem den Einkommensteuer-Erstattungsanspruch gemindert. Schon diese Wechselwirkung spreche dagegen, die Steuererstattung an den Arbeitgeber anders als die Überlassung des Kindergeldes an den Arbeitgeber zu behandeln.
Die Überlassung des Steuervergütungsanspruchs an C sei durch das Dienstverhältnis veranlasst. Der Bundesfinanzhof sehe den maßgeblichen Rechtsgrund für die Abtretung des Steuererstattungsanspruchs an den Arbeitgeber darin, dass es im Bereich der Nettolohnabreden strukturell zu einer arbeitsvertraglich geschuldeten Gehalts- bzw. Steuerüberzahlung komme, die durch die Überlassung der Steuererstattung an den Arbeitg...