Entscheidungsstichwort (Thema)

Handel mit Emissionszertifikaten – Mangelnde Entscheidungserheblichkeit der Beteiligung an Umsatzsteuerkarussell – Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs – Pflichtangaben des § 14 Abs. 4 UStG – Identität des leistenden Unternehmers mit dem Rechnungsaussteller

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Die Frage, ob eine mit Emissionszertifikaten handelnde GmbH als sogenannter Buffer (wissentlich) in eine Umsatzsteuer-Betrugskette eingebunden war und ihr daher die Unternehmereigenschaft im Sinne von § 2 Abs. 1 UStG fehlte, bedarf keiner Klärung, wenn ein Vorsteuerabzug aus den Eingangsrechnungen bereits aus dem Grund zu versagen wäre, dass sie eine Anschrift ausweisen, an der im Zeitpunkt der Rechnungsausstellung keinerlei geschäftliche Aktivitäten stattgefunden haben, bzw. zum Nachteil der feststellungsbelasteten GmbH nicht feststeht, dass das in der Rechnung als leistende Unternehmerin bezeichnete Unternehmen mit dem tatsächlich Leistenden identisch war.
  2. Ein unberechtigter Steuerausweis i.S. des § 14c Abs. 2 UStG setzt nicht voraus, dass die Rechnung alle in § 14 Abs. 4 UStG aufgezählten Pflichtangaben aufweist.
 

Normenkette

UStG § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 2 Abs. 1, § 3a Abs. 3, 4 Nr. 1, § 14 Abs. 4 Nr. 1, § 14 c Abs. 2 S. 2, § 15 Abs. 1 Nr. 1 S. 1; RL 77/388/EWG Art. 21 Abs. 1 Buchst. d

 

Tatbestand

Die Klägerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Sie wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 27.06.2007 gegründet und beim Amtsgericht A im Handelsregister eingetragen. Als Unternehmenszweck gab die Klägerin die Durchführung von Transporten und Kurierfahrten an.

Sitz der Firma bei Gründung war in A, … (Mehrfamilienhaus). In der Zeit vom 26.01.2009 bis 18.09.2009 verlegte die Klägerin den Geschäftssitz. Danach wurde der Geschäftssitz wieder unter der Adresse in A, … beim Handelsregister angemeldet. Das Stammkapital der Klägerin betrug 25.000 EUR. Gründungsgesellschafter (Anteil 25.000 EUR) und alleiniger Geschäftsführer war zunächst B.

Die Klägerin wurde beim Beklagten ab dem 01.10.2007 steuerlich geführt. Als steuerlichen Berater benannte die Klägerin den C (eine Empfangsvollmacht lag nicht vor).

Umsatzsteuerjahreserklärungen reichte die Klägerin seit ihrer Gründung (bis heute) nicht ein. Bücher und Aufzeichnungen wurden nicht geführt.

Für die Monate Oktober bis Dezember 2007 und für das Jahr 2008 meldete die Klägerin nur Vorsteuerbeträge und keine Umsätze an (10-12/2007:./. 777,06 EUR ; 2008: ./. 1.631,03 EUR).

Mit Umsatzsteuerjahresbescheiden vom 25.05.2010 setzte der Beklagte die Umsatzsteuer 2007 auf 1.520 EUR und die Umsatzsteuer 2008 auf 2.850 EUR fest. Die Umsätze der Klägerin wurden geschätzt. Die Vorsteuerbeträge wurden entsprechend der monatlichen Voranmeldungen berücksichtigt.

Für das I. und II. Quartal 2009 meldete die Klägerin ebenfalls keine Ausgangsumsätze beim Finanzamt an, sie machte hingegen Vorsteuerbeträge in Höhe von 103,50 EUR (I/2009) und 110,80 EUR (II/2010) geltend.

Seit August 2009 wurde die Klägerin unter der Nummer … im dänischen Emissionsregister erfasst. 1. Bevollmächtigter des Kontos war B und 2. Bevollmächtigter D. Beide Personen sind dort mit der Anschrift: … in A eingetragen. Im Emissionsregister wurden ab dem 25.09.2009 Umsätze der Klägerin registriert (vgl. Anlage 1 zum Aktenvermerk über die Einleitung eines steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens).

Mit Gesellschafterversammlung vom 02.10.2009 wurde F, wohnhaft …, Großbritannien, als weiterer Geschäftsführer der Klägerin bestellt. Er war berechtigt, die Gesellschaft stets allein zu vertreten. Ihm wurde die Befugnis erteilt, namens der Gesellschaft mit sich selbst Rechtsgeschäfte zu tätigen, gleichviel, ob er dabei für sich oder für Dritte handelte (Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB). Die Bestellung zum einzelvertretungsberechtigten Geschäftsführer wurde am 13.11.2009 ins Handelsregister (HRB …, Amtsgericht A) eingetragen.

F und B richteten für den Handel der Klägerin mit Emissionsberechtigungen („Carbongeschäfte”) verschiedene Bankkonten ein. Hierzu fuhren sie u.a. Ende September 2009 zusammen in die Schweiz, um ein Konto bei der Credit Suisse für die Klägerin zu eröffnen.

Am 05.11.2009 reichte die Klägerin für III/2009 folgende Umsatzsteuervoranmeldung beim Finanzamt ein:

Zeitraum

Umsatz

Vorsteuer

Zahllast

III/2009

626.000 EUR

118.480,48 EUR

459,52 EUR

Der Voranmeldung liegt nach dem Akteninhalt folgender Geschäftsvorfall zugrunde:

Am 25.09.2009 erwarb die Klägerin Emissionszertifikate über 50.000 t zu einem Preis von 12,44 EUR/t von der G GmbH (ausgewiesene Vorsteuer: 118.180 EUR).

Laut Handelsregisterauszug vom 08.10.2009 des Amtsgerichts wurde die G GmbH am 15.02.2006 in das Handelsregister eingetragen. Geschäftsführer waren danach bis zum 14.12.2009, H und ab 15.12.2009 dessen (Stief-)vater I. Gegenstand des Unternehmens war danach der lm- und Export mit Waren aller Art, die Weiterverarbeitung von Papier und das Betreiben von Gaststätten jeder Art. Die Geschäftsanschrift war die Adresse der Geschäftsfü...

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