Entscheidungsstichwort (Thema)
Umwandlungssteuerrecht: Zeitpunkt der Realisierung stiller Reserven bei einer Vermögensübertragung gegen eine Gegenleistung in Form einer Sachleistung
Leitsatz (amtlich)
1. Wird im Rahmen einer Vermögensübertragung (Vollübertragung) nach § 174 Abs. 1 UmwG als Gegenleistung die Erbringung einer Sachleistung vereinbart, in der stille Reserven vorhanden sind, weil der Buchwert in der Bilanz der Übernehmerin unter dem Wert liegt, mit dem das Vermögen der übertragenden Körperschaft übernommen wird, so unterliegt dieser Gewinn in dem Veranlagungszeitraum, in dem der steuerliche Übertragungsstichtag liegt, jedenfalls dann nicht der Besteuerung, wenn die Gegenleistung erst im Folgejahr bewirkt wird.
2. Dabei kann offen bleiben, ob dieser Gewinn Teil des Übernahmegewinns nach § 12 Abs. 2 Satz 1 UmwStG 1995 ist, auf den die Rückwirkungsfiktion des § 2 Abs. 1 Satz 1 UmwStG zwar anwendbar ist, der steuerlich aber außer Ansatz bleibt, oder ob es sich um einen laufenden Gewinn handelt, für den dann die allgemeinen handelsrechtlichen Grundsätze der Gewinnrealisierung gelten. Im letzteren Fall wäre der Vermögenszuwachs bei der Übernehmerin zum steuerlichen Übertragungsstichtag wie im Falle einer Anzahlung durch eine gleich hohe Verbindlichkeit zu neutralisieren.
Normenkette
UmwStG 1995 § 2 Abs. 1 S. 1, § 12 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1, § 11 Abs. 2 S. 1
Nachgehend
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob ein Gewinn, der im Zusammenhang mit einer Umwandlung in Gestalt der Vermögensübertragung (Vollübertragung) entstanden ist, im Streitjahr 1999 oder im Folgejahr zu versteuern ist.
Die Klägerin ist ein Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit in der Rechtsform eines Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit (VVaG). Sie war mehrheitlich an der B-AG beteiligt. ... .
Die ehemalige A-AG verpflichtete sich durch Vermögensübertragungsvertrag vom 17.06.1999, ihr Vermögen als Ganzes mit allen Rechten und Pflichten unter Auflösung ohne Abwicklung nach § 174 Abs. 1 Umwandlungsgesetz (UmwG) im Wege der Vermögensübertragung mit Wirkung zum 01.01.2000, 0.00 Uhr (handelsrechtlicher Übertragungsstichtag), auf die Klägerin zu übertragen. Die Klägerin war nicht an der A-AG beteiligt.
Als Gegenleistung für die Vermögensübertragung sollte die Klägerin gemäß § 4 des Vermögensübertragungsvertrages den Aktionären der A-AG mit Wirksamwerden des Übertragungsvertrages ... Stück vinkulierte Namensaktien der B-AG gewähren. Die Aktien sollten an die ... als Treuhänderin ausgehändigt werden mit der Maßgabe, sie nach Wirksamwerden der Vermögensübertragung an die Aktionäre zu übergeben (§ 5 des Vertrages). Nach § 2 des Vertrages sollte der Vermögensübertragung die Handelsbilanz der A-AG zum 31.12.1999 als Schlussbilanz zugrunde gelegt werden.
Aufgrund entsprechender Wertgutachten gingen die Vertragsparteien davon aus, dass Leistung und Gegenleistung jeweils ... wert seien. Nach einer Außenprüfung bei der A-AG wurde das Eigenkapital der A-AG in deren steuerlicher Übertragungsbilanz zum 31.12.1999 jedoch in etwas geringerer Höhe ausgewiesen.
Am 26.10.2000 wurde die Vermögensübertragung auf den Antrag der Klägerin in das Handelsregister des Sitzes der Klägerin als übernehmende Gesellschaft eingetragen. Die Klägerin bzw. die eingeschaltete Treuhänderin übertrug vereinbarungsgemäß ... Stück vinkulierte Namensaktien an der B-AG am 14.11.2000 auf die Aktionäre der A-AG. Deren Buchwert belief sich in der Bilanz der Klägerin zum 31.12.1999 auf deutlich weniger als der Wert des Eigenkapitals der A-AG.
Die Klägerin reichte die Körperschaftsteuererklärung für 1999 beim Beklagten ein. Die durch die Anteilsübertragung realisierten stillen Reserven berücksichtigte sie als Gewinn in der Steuer- und der Handelsbilanz zum 31.12.2000 und in der Körperschaftsteuererklärung für 2000. Sie führte diesen Gewinn der Rückstellung für Beitragsrückerstattungen gemäß § 21 Abs. 2 Körperschaftsteuergesetz (KStG) zu.
Der Körperschaftsteuerbescheid für 1999 erging am 17.12.2001 erklärungsgemäß, aber unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 Abgabenordnung (AO). Die Körperschaftsteuer wurde auf ... DM festgesetzt.
Der Beklagte führte in den Jahren 2003 bis 2009 bei der Klägerin unter Mitwirkung des Bundeszentralamts für Steuern (BZSt) eine Außenprüfung betreffend die Jahre 1999 bis 2001 durch. Er kam dabei zu dem Ergebnis, dass nach § 2 Abs. 1 Umwandlungssteuergesetz (UmwStG 1995) sowohl die Übertragung des Vermögens der A-AG an die Klägerin als auch die Gewährung der Gegenleistung durch die Klägerin an die Aktionäre der A-AG steuerlich auf den steuerlichen Übertragungsstichtag zurückzubeziehen und daher in der Bilanz zum 31.12.1999 zu erfassen seien. Die gesamten Vermögens- und Ergebnisauswirkungen der Umwandlung seien bei der Übernehmerin mit Ablauf des steuerlichen Übertragungsstichtags zu erfassen und damit auch die Gewährung der Gegenleistung. Wenn das durch die Verschmelzung geschaffene höhere ...