Entscheidungsstichwort (Thema)
Leistung; Begriff des "Gegenstandes" i.S.d. UStG
Leitsatz (redaktionell)
Menschliche Knorpelzellen sind als körperliche und bewegliche Gegenstände i.S.d. UStG zu beurteilen. Bei der Frage der Sacheigenschaft der Körperzellen ist eine umsatzsteuerliche und keine rein zivilrechtliche Qualifizierung vorzunehmen. Dementsprechend müssen Körperbestandteile, die letztlich im Wirtschaftsverkehr wie körperliche Sachen behandelt werden, umsatzsteuerlich auch als Gegenstand angesehen werden, an denen auch Arbeiten ausgeführt werden können.
Normenkette
UStG § 3a Abs. 2 Nr. 3 Buchst. c S. 1; BGB § 90; RL 77/388 EWG Art. 9 Abs. 2 Buchst. c 4. Spiegelstrich
Nachgehend
Tatbestand
Die Klägerin hat ihren Sitz in A.
Unternehmensgegenstand ist die Erforschung, Entwicklung, Produktion und Vermarktung von Technologien zur Diagnose und Therapie von Erkrankungen des Knorpels, der Knochen, des Bindegewebes und der Haut. In diesem Rahmen vertreibt sie u.a. in Europa und Australien ein Produkt zur Knorpelwiederherstellung namens X „…”). Hierbei wird dem Patienten mittels Biopsie gesundes Knorpelmaterial durch einen unabhängigen orthopädischen Chirugen entnommen. Dieses Biopsat wird der Klägerin übersandt, die dieses dann in ihrem Labor bearbeitet, bis die Gelenkknorpelzellen (Chondrozyten) herauslösbar sind und nach spezieller Aufbereitung in der Umgebung ihres eigenen Blutserums in der nötigen Menge – in der Regel innerhalb von drei bis vier Wochen – gezüchtet werden. Die gezüchteten Zellen werden dann im Labor in eine Kollagen-Membran eingebracht, sodass eine Art „Knorpelpflaster” entsteht, und der behandelnden Klinik oder dem Arzt zur Implantation beim Patienten wieder übersandt. Daneben beschränkt sich die Klägerin auch auf die Züchtung der Knorpelzellen ohne Einbringung in eine Membran, die sog. Autologe Knorpelzellen-Implantation (Y). Auftraggeber der Klägerin sind je nach Vertragsgestaltung der Patient oder – in den meisten Fällen – die behandelnde Klinik bzw. der jeweilige Arzt.
Der Beklagte führte bei der Klägerin für den Zeitraum 2000 bis viertes Quartal 2002 eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung durch.
Mit Umsatzsteuerbescheid 2002 vom 17.12.2003 setzte der Beklagte, den Feststellungen der Umsatzsteuer-Sonderprüfung im geänderten Prüfungsbericht vom 21.07.2003 folgend, die Umsatzsteuer erstmals auf … EUR fest. Der Bescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
Hierbei behandelte er insbesondere die bislang von der Klägerin als nicht steuerpflichtig beurteilten Umsätze aus der Zellkultivierung gegenüber ausländischen Unternehmern (… EUR, Umsatzsteuer hieraus … EUR) als steuerbar und steuerpflichtig (vgl. Tz. 14). Es handele sich um eine nach § 3a Abs. 1 Umsatzsteuergesetz (UStG) am Unternehmenssitz der Klägerin in A erbrachte sonstige Leistung. Denn es liege weder eine Katalogleistung gemäß § 3a Abs. 4 i.V.m. Abs. 3 UStG – insbesondere keine Beratungsleistung nach § 3a Abs. 4 Nr. 3 UStG – noch eine Leistung in Gestalt von „Arbeiten an beweglichen körperlichen Gegenständen” im Sinne des § 3a Abs. 2 Nr. 3 c UStG vor. Letzterem stehe entgegen, dass die Knorpelzellen nicht losgelöst vom restlichen Körper als bewegliche körperliche Gegenstände angesehen würden. Sie seien Teil des Körpers und lediglich zur Behandlung vom Körper losgelöst. Die Einheitlichkeit des menschlichen Körpers werde durch die kurzzeitige Entnahme nicht aufgehoben. Sofern abweichend hiervon die Knorpelzellen als bewegliche körperliche Gegenstände zu qualifizieren seien, müsse eine Lieferung angenommen werden, die mangels eines bislang nachgewiesenen Befreiungstatbestandes steuerpflichtig sei.
In ihrem Einspruch vom 02.01.2004 vertrat die Klägerin die Auffassung, dass sich der Ort der Leistung nach § 3a Abs. 3 i.V.m. Abs. 4 Nr. 3 UStG bestimme. Denn es würden – anknüpfend an die Kommentierung von Rau/Dürrwächter zu § 3a Anm. 88 – von ihr Beratungsleistungen in Gestalt routinemäßiger Laborleistungen erbracht, da durch die medizinisch-technischen Assistenten ein bestimmtes festgelegtes Verfahren angewandt werde. Da die Leistungsempfänger ausschließlich ausländische Unternehmer gewesen seien, befinde sich der Ort der Leistung im Ausland mit der Folge der Nicht-Steuerbarkeit dieser Umsätze. Insoweit werde auch auf die umsatzsteuerliche Behandlung in Dänemark sowie das Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 30.11.2000, 14 K 124/99 zur Abgrenzung zwischen wissenschaftlichen Leistungen und wissenschaftlichen Beratungsleistungen verwiesen.
Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 23.01.2004 als unbegründet zurück. Ergänzend zu den Ausführungen im Prüfungsbericht führte er aus, dass eine Lieferung im Sinne des § 3 Abs. 1 UStG ausscheide, da eine Lieferung von Körperbestandteilen anknüpfend an das Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH) vom 09.11.1993 (VI ZR 62/93, BGHZ 124, 52, NJW 1994, 127) nicht möglich sei. Eine Beratungsleistung in Form einer Laborleistung liege ...