Entscheidungsstichwort (Thema)
Eintritt der Festsetzungsverjährung bei Ermittlungen der Steuerfahndung
Leitsatz (redaktionell)
1) Für den Eintritt der Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 5 AO ist es erforderlich, dass die mit der Steuerfahndung betrauten Dienststellen mit Ermittlungen begonnen haben.
2) Die Ablaufhemmung wird ausgelöst, ohne dass die Ermittlungsmaßnahmen den Anforderungen an eine Außenprüfung entsprechen müssen. Es darf sich aber nicht um Scheinhandlungen handeln.
3) Die Anforderung von Unterlagen ist eine hinreichend gewichtige Ermittlungsmaßnahme.
Normenkette
AO § 171 Abs. 5, §§ 208, 169
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob betreffend die Einkommensteuerveranlagungszeiträume 1998 und 1999 bezüglich der geänderten Einkommensteuerbescheide vom 20.05.2011 Festsetzungsverjährung vorliegt.
Mit Schreiben vom 02.05.2010, eingegangen beim Beklagten am 03.05.2010, erklärten die Kläger als Erben ihrer Mutter, Frau A, verstorben am 00.02.2008, Einkünfte aus Kapitalvermögen u.a. für die Streitjahre nach. Ihrem Schreiben fügten sie eine fünfseitige Aufstellung der Zinserträge 1998 bis 2002 bei. Der Kläger wurde in dem Schreiben zum Zustellungsbevollmächtigten für die wegen der Nacherklärung zu ändernden Einkommensteuerbescheide bestimmt.
Mit Schreiben vom 19.04.2011 (Blatt 175 der Steufa-Akte) teilte das Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung B – Steuerfahndungsstelle – (STA C) dem Beklagten mit:
„Beiliegenden Vorgang übersende ich zur weitern Veranlassung.
Mit Datum vom 03.05.2010 erklärte Herr A1 Kapital- und Renteneinkünfte seiner am 00.02.2008 verstorbenen Mutter nach.
Die nacherklärten Kapitaleinkünfte wurden zwischenzeitlich überprüft. Lediglich bei den Werbungkosten haben sie geringfügige Abweichungen ergeben. Die Kosten der banklagernden Post sind nicht als Werbungskosten abzugsfähig. Die geltend gemachten Werbungskosten sind wie folgt zu kürzen:
1998 |
- 125,00 DM |
1999 |
- 200,00 DM |
2000 |
- 200,00 DM |
2001 |
- 200,00 DM |
2002 |
- 74,84 EUR |
Die Konten der Mutter wurden in 2002 aufgelöst. Das Kapital haben die Kinder A1 u.d. D übernommen.”
In der Steufa-Akte befindet sich auf Blatt 177 – 183 die Nacherklärung der Kläger nebst Anlagen vom 02.05.2010. Es ist nicht erkennbar, zu welchem Datum die Steuerfahndung die Nacherklärung der Kläger nebst Anlagen vom 02.05.2010 vom Beklagten erhalten hat. Hierzu hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung erklärt, Mitarbeiter des Finanzamtes für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung B hielten im Finanzamt B regelmäßig eine Art Sprechstunde für die dortigen Sachbearbeiter ab, bei der dann ggf. Steuerakten formlos an das Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung B abgegeben würden. So sei hier wohl auch verfahren worden.
Unter dem Geschäftszeichen … hatte die Steuerfahndungsstelle beim Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung B dem Kläger mit Datum vom 06.12.2010 unter dem Betreff: „Steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren, Selbstanzeige vom 06.03.2010” mitgeteilt (Blatt 119 Steufa-Akte):
„…die Steuerfahndungsstelle B wurde mit der Überprüfung Ihrer Selbstanzeige der Jahre 1999 – 2008 beauftragt.
Zur abschließenden Prüfung der Selbstanzeige benötige ich noch folgende Unterlagen: …- Überprüfbare Unterlagen über die nacherklärten Einkünfte Ihrer Mutter….”
Die angeforderten „überprüfbaren Unterlagen” über die nacherklärten Einkünfte seiner Mutter reichte der Kläger am 06.01.2011 unter Bezugnahme auf das Schreiben der Steuerfahndung vom 06.12.2010 zu dem Geschäftszeichen … beim Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung B vor (Schreiben vom 05.01.2011, Blatt 155 Steufa-Akte).
Entsprechend den ihm von der Steuerfahndung mit Schreiben vom 19.04.2011 mitgeteilten Überprüfungsergebnis bezüglich der von den Klägern nacherklärten Kapitaleinkünfte ihrer Mutter erließ der Beklagte am 20.05.2011 u.a. geänderte Einkommensteuerbescheide 1998 und 1999. Festgesetzt wurde Einkommensteuer 1998 in Höhe von 49.781,42 EUR und Einkommensteuer 1999 in Höhe von 47.121,17 EUR. Die Zinsen zur Einkommensteuer 1998 betrugen 5.985,– EUR, zur Einkommensteuer 1999 5.838,– EUR.
Mit ihrem Einspruch gegen die geänderten Einkommensteuerbescheide 1998 und 1999 trugen die Kläger vor, für die Einkommensteuerveranlagungen 1998 und 1999 sei Verjährung eingetreten. Wegen der Nacherklärung vom 02.05.2010 sei eine Abweichung von der Regelverjährung (Fristablauf 10 Jahre: 31.12.2010) bis maximal zum 03.05.2011 eingetreten, die allerdings vor Ergehen der angefochtenen Bescheide abgelaufen gewesen sei.
Der Sachgebietsleiter des Beklagten vermerkte daraufhin in der Rechtsbehelfsakte:
„Da gegen alle Erben kein Strafverfahren eingeleitet wurde (bzw. werden konnte) und die Steufa zur Klärung des Sachverhalts auch keine eigenen Ermittlungen vorgenommen hat, sind die Steuerbescheide 1998 und 1999 wieder aufzuheben.”
Der mit der Überprüfung der nacherklärten Kapitaleinkünfte befasste Steuerfahnder C teilte dem Beklagten am 29.06.2011 per Email mit:
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