Entscheidungsstichwort (Thema)
Berechnung des Unterschreitens der sog. absoluten Wesentlichkeitsgrenze als Voraussetzung der fiktiven unbeschränkten Steuerpflicht
Leitsatz (redaktionell)
Bei der Berechnung der absoluten Wesentlichkeitsgrenze für die Anwendbarkeit der fiktiven unbeschränkten Steuerpflicht von verheirateten Grenzgängern und der Zusammenveranlagung wird niederländisches Arbeitslosengeld mit in die Berechnung der Welteinkünfte einbezogen, nicht dagegen jedoch niederländisches Krankengeld. Denn dieses wäre nach deutschem Einkommensteuerrecht gem. § 3 Nr. 1 a) EStG steuerfrei.
Normenkette
EStG § 26 Abs. 1 S. 1, § 3 Nr. 1 a), § 1a Abs. 1 Nr. 2 S. 3
Tatbestand
Die in den Niederlanden wohnhafte Klägerin erzielte im Streitjahr 2009 in Deutschland Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit i.H.v. 15.032 EUR (Bruttoarbeitslohn 15.952 EUR abzgl. 920 EUR Arbeitnehmer-Pauschbetrag). In den Niederlanden erzielte sie nicht der deutschen Besteuerung unterliegende Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit i.H.v. 9.482 EUR und Arbeitslosengeld in Höhe von 3.768 EUR. Beides wurde in den Niederlanden besteuert. Mit ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr beantragte die Klägerin zunächst die getrennte Veranlagung von ihrem ebenfalls in den Niederlanden wohnhaften Ehemann, welcher in Deutschland eine Kfz-Werkstatt betreibt und daraus im Jahr 2009 einen Verlust aus Gewerbebetrieb von – 13.457 EUR erzielt hatte. In den Niederlanden erhielt der Ehemann der Klägerin im Streitjahr nicht der deutschen Besteuerung unterliegendes – in den Niederlanden steuerpflichtiges – Krankengeld in Höhe von 13.425 EUR. Entsprechende Bescheinigungen der niederländischen Steuerbehörden nach § 1 Abs. 3 Satz 5 EStG befinden sich in den Steuerakten des Beklagten.
Mit Bescheid vom 18.08.2010 wurde die Einkommensteuer für das Streitjahr antragsgemäß auf 2.127,00 EUR festgesetzt. In die Erläuterungen zum Einkommensteuerbescheid 2009 wurde aufgenommen, dass eine Einzelveranlagung nach den Vorschriften der beschränkten Steuerpflicht durchgeführt wurde.
Im Rahmen des hiergegen geführten Einspruchsverfahrens reichte die Klägerin eine von ihr und ihrem Ehemann unterschriebene Einkommensteuererklärung ein und beantragte die Zusammenveranlagung mit ihrem Ehemann. Der Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 19.9.2011 als unbegründet zurückgewiesen. Die Klägerin und ihr Ehemann seien nicht nach § 1 Abs. 3 EStG als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig zu behandeln. Die Voraussetzungen für eine Zusammenveranlagung nach § 1 a Abs. 1 Nr. 2 S. 3 i. V. m. § 26 Abs. 1 S. 1 EStG seien damit nicht gegeben. Zu Recht sei daher eine Einzelveranlagung durchgeführt worden.
Im Rahmen des hiergegen geführten Klageverfahrens trägt die Klägerin vor, entgegen der Auffassung des Beklagten seien die Voraussetzungen für eine Zusammenveranlagung erfüllt da das in den Niederlanden ihrem Ehemann zugeflossene Krankengeld bei der Ermittlung der Einkünftegrenze im Sinne des §§ 1 Abs. 3 EStG ausscheide. Die Ermittlung der Einkunftsgrenzen des § 1 Abs. 3 EStG erfolge nach deutschem Recht.
Die Einkünfte müssten hiernach in Deutschland steuerbar und steuerpflichtig sein. Das ausländische Krankengeld sei – im Gegensatz zu dem in den Niederlanden gezahlte Arbeitslosengeld, welches nicht nach § 3 EStG steuerbefreit sei – gemäß § 3 Nr. 1a EStG steuerfrei und bleibe somit bei der Ermittlung der Einkünfte unberücksichtigt. Einzubeziehen seien alle bei unterstellter Inlandsbesteuerung nach den EStG im Kalenderjahr anzusetzenden inländischen und ausländischen Einkünfte, die bei unbeschränkter Steuerpflicht nach deutschem Recht ohne DBA steuerbar und steuerpflichtig seien, unabhängig davon, welchem Staat das Besteuerungsrecht zustehe. Die Aufteilung nach inländischen bzw. ausländischen Einkünften erfolge erst in einem zweiten Schritt. Da das Krankengeld erst gar nicht in die Einkünfteermittlung eingehe, erübrige sich eine Zuordnung. Dementsprechend seien die nicht der deutschen Steuer unterliegenden Einkünfte niedriger als 15.668,– EUR.
Die Klägerin beantragt,
den Einkommensteuerbescheid 2009 vom 18.8.2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19.9.2011 aufzuheben und für das Streitjahr erklärungsgemäß eine Zusammenveranlagung durchzuführen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Bezugnehmend auf die Einspruchsentscheidung führt er aus, nach § 1 Abs. 3 EStG würden auf Antrag auch natürliche Personen als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt, die im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt hätten, soweit sie inländische Einkünfte im Sinne des § 49 EStG erzielten. Dies gelte allerdings nur, wenn ihre Einkünfte im Kalenderjahr mindestens zu 90% der deutschen Einkommensteuer unterlägen oder die nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte 7.834 EUR, bei Ehegatten 15.668,– EUR, nicht überstiegen. Bei der Ermittlung der Einkünfte blieben nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegende Einkünfte, die im Ausland nicht besteuert würden, unb...