Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuer 1984
Tenor
I.
Das Verfahren wird ausgesetzt.
II.
Es wird eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften über folgende Fragen eingeholt:
- Ist Art. 13 Teil B Buchstabe b Nr. 1 der Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie) dahin auszulegen, daß sich die „Gewährung von Unterkunft im Hotelgewerbe oder in Sektoren mit ähnlicher Zielsetzung” nur in dem Begriff der kurzfristigen Beherbergung von Fremden erschöpft?
Bei Bejahung der Frage D:
Welcher Beherbergungszeitraum kann regelmäßig als kurzfristig angesehen werden?
Ist eine „Gewährung von Unterkunft im Hotelgewerbe” dann nicht mehr gegeben, wenn der Unternehmer die Räume zur langfristigen Beherbergung bereit hält und dies durch den Abschluß eines langfristigen Mietvertrages (länger als 6 Monate) zum Ausdruck kommt?
- Ist eine zeitanteilige Steuerbefreiung gem. Art. 13 Teil B Buchstabe b Nr. 1 möglich, wenn sich herausstellt, daß sämtliche Räumlichkeiten wahlweise kurz- oder langfristig vermietet wurden?
Bei Verneinung der Frage 1):
Anhand welcher Kriterien zeitlicher, räumlicher und konzeptioneller Art ist der Begriff „Gewährung von Unterkunft im Hotelgewerbe oder in Sektoren mit ähnlicher Zielsetzung” festzustellen und welche davon müssen zwingend vorliegen?
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob die Umsätze aus der Beherbergung von Aussiedlern umsatzsteuerpflichtig sind.
Die Klägerin (Klin) hat drei Gebäudekomplexe in M. K. Ka. und E. die jeweils zum Mitbesitz der Familie B. gehören angemietet. Darin hat sie seit 1984 Aussiedler aus Ostblockstaaten untergebracht. Das Anwesen K.
diente bereits seit 1980 als Unterkunft für vom Sozialamt zugewiesene Asylbewerber bzw. Aussiedler.
Die möblierten 101 Zimmer mit 192 Betten wurden an Personen, zumeist Familien, überlassen, die von der Landeshauptstadt M. vermittelt wurden und für welche diese die Kosten der Unterbringung getragen hat. In den Zimmern wurden nicht mehrere fremde Personen, sondern jeweils Familienangehörige zusammen untergebracht. Die für die Unterkunft genutzten Häuser waren normale Wohnhäuser mit jeweils mehreren Wohnungen. Die Stadt M. hatte ihrerseits kein Zuweisungsrecht, sondern ist in der Art eines Vermittlers aufgetreten. Die Stadt hat der Klin jeweils dann Personen geschickt, wenn ihr bekannt wurde, daß Wohnungen bei der Klin zur Verfügung standen.
Alle Zimmer der Wohnungen sind vollständig möbliert und mit Kochgelegenheiten und Kühlschränken ausgestattet. Die Reinigung der Zimmer erfolgte durch die Aussiedler selbst, die Gestellung und Reinigung der Bettwäsche erfolgte durch die Klin im 14-tägigen Wechsel. Außerdem wurden von der Klin Flure, Treppenhäuser, Bäder und WC's gereinigt. Mahlzeiten oder Getränke wurden an die Aussiedler nicht verabreicht. In den Häusern befindet sich weder eine Rezeption, noch Tagesräume oder sonstige Aufenthalts- und Gemeinschaftsräume.
Für die jeweils entstandenen Kosten wurden der Klin vom Sozialamt Übernahmeerklärungen für in der Regel 1 Monat erteilt und bei Bedarf verlängert. Die Abrechnung erfolgte tagesbezogen, wobei die Klin im Streitjahr 1984 25 DM pro Person und Tag erhielt. Die Verweildauer der Aussiedler betrug überwiegend mehr als 6 Monate. Aus den Schreiben der Klin an die Stadt vom 08. November 1984, 10. Mai 1985 und 06. Februar 1986 geht hervor, daß die Klin, Aussiedler die nur kurzfristig bei ihr wohnen wollten, abgewiesen hat. Gleichzeitig hat sie die Stadt darauf hingewiesen, daß sie nur an solche Personen vermiete, die für mindestens 6 Monate bei ihr wohnen bleiben wollten.
Mit Steuerbescheid vom 07. April 1987 wurde die Klin zunächst entsprechend ihrer Anmeldung veranlagt und die Umsatzsteuer (USt) auf 82.043 DM festgesetzt. Aufgrund der Feststellungen im Betriebsprüfungs(BP)-Bericht vom 28. Dezember 1990 setzte das FA die USt auf 151.278 DM fest, weil die Klin weitere steuerpflichtige Umsätze im Zeitraum vom 01.01. bis 30.06.1984 getätigt habe.
Der hiergegen eingelegte Einspruch blieb erfolglos (vgl. Einspruchsentscheidung – EE– vom 28. Oktober 1993).
Mit ihrer nunmehr erhobenen Klage weist die Klin nochmals auf folgendes hin:
Bereits im Jahr 1980 sei das Sozialamt der Landeshauptstadt M. hinsichtlich der Zurverfügungstellung von Mieträumen an Aussiedler aus Ostblockländern bei der Klin vorstellig geworden. Dabei sollte nicht die Landeshauptstadt M. sondern der jeweilige Mietinteressent Vertragspartei der Klin werden. Es sei der Klin freigestellt worden, die von der Landeshauptstadt M. vermittelten Personen als Mieter aufzunehmen oder nicht. Lediglich der Übernachtungspreis sei zwischen der Klin und der Landeshauptstadt M. einvernehmlich festgelegt worden, wobei bereits anfänglich die Klin darauf hingewiesen habe, daß sie ausschließlich an Mietern interessiert sei, die mindestens 6 Monate als Mietpartei in den Mieträumen verweilen würden, da sie die Vermietung alleine und ohne Personal bet...