Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Anwendung der Anschaffungsfiktion des § 23 Abs. 1 Satz 2 EStG auf Grundstücksentnahmen vor dem 1.1.1999
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Anschaffung stellt den Beginn der Tatbestandsverwirklichung des § 23 EStG dar. Fehlt es an einer Anschaffung oder einer Anschaffungsfiktion, so wird eine Veräußerung nicht von § 23 Abs. 1 Satz 1 EStG erfasst.
2. Die Neuregelung des § 23 Abs. 1 Satz 2 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002, wonach als Anschaffung auch die Überführung eines Wirtschaftguts in das Privatvermögen des Steuerpflichtigen durch Entnahme oder Betriebsaufgabe gilt, ist nicht auf Entnahmen vor dem 01.01.1999 anzuwenden.
Normenkette
EStG § 23 Abs. 1 Sätze 2, 1 Nr. 1, § 22 Nr. 2, § 52 Abs. 1 S. 1, Abs. 39; StEntlG 1999/2000/2002
Nachgehend
Tenor
1. In Änderung des Einkommensteuerbescheides 2001 vom 10.07.2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26.08.2005 wird die Einkommensteuer ohne Berücksichtigung von Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften auf 3.447,64 EUR (6.743 DM) festgesetzt.
2. Die Revision wird zugelassen.
3. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
4. Das Urteil ist im Kostenpunkt für den Kläger vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages.
Tatbestand
I.
Der Kläger erhielt mit notariellem Vertrag vom 29.12.1993 von seinen Eltern ein Grundstück im Wege der vorweggenommenen Erbfolge. Das Grundstück war bis zur Übertragung Betriebsvermögen des landwirtschaftlichen Betriebs der Eltern des Klägers. Zum Übertragungszeitpunkt 29.12.1993 wurde das Grundstück aus dem Betriebsvermögen der Eltern entnommen. Bis 2001 hielt der Kläger das Grundstück im Privatvermögen. Mit notariellem Vertrag vom 29.05.2001 veräußerte er das Grundstück. In seiner Einkommensteuererklärung 2001 erklärte er einen Gewinn aus privaten Veräußerungsgeschäften in Höhe von 79.936,74 DM. Das Finanzamt (FA) veranlagte entsprechend. In dem hiergegen eingelegten Einspruch berief sich der Kläger u.a. auf einen Gerichtsbescheid des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 14.01.2004, in welchem dieser ausgeführt habe, dass die Anschaffungsfiktion des § 23 Abs. 1 Satz 2 Einkommensteuergesetzes (EStG) nicht für Entnahmen vor dem 1.1.1999 gelte. Mit Einspruchsentscheidung vom 26.08.2005 wies das FA den Einspruch hinsichtlich des Streitgegenstandes als unbegründet zurück. Zwar gelte gemäß der Entscheidung des BFH (Gerichtsbescheid vom 14.01.2004 bzw. Beschluss vom 13.05.2004 IX R 8/02, BFH/NV 2004, 1290) die Anschaffungsfiktion des § 23 Abs. 1 Satz 2 EStG nicht für Entnahmen, die vor dem 01.01.1999 erfolgt seien, jedoch sei das FA mangels Veröffentlichung dieser Entscheidung an das Schreiben des Bundesamtes für Finanzen (BMF) vom 5.10.2000 (S 2256 – 263/00, BStBl I S. 1383) gebunden, wonach als Anschaffung auch die Überführung eines Grundstücks in das Privatvermögen des Steuerpflichtigen durch Entnahme gelte, wenn das Grundstück vor dem 1.1.1999 in das Privatvermögen überführt worden sei.
Hiergegen richtet sich die Klage.
Wegen des Vorbringens in der mündlichen Verhandlung wird auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.
Der Kläger beantragt,
unter Änderung des Einkommensteuerbescheides 2001 vom 10.07.2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26.08.2005 die sonstigen Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften mit 0 DM anzusetzen und die Einkommensteuer für 2001 auf 6.743 DM festzusetzen, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Klage ist begründet. Der Kläger hat aus der Veräußerung des Grundstücks keinen Gewinn aus privatem Veräußerungsgeschäft gem. § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG erzielt.
Unter die Vorschrift des § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 Nr. 1a EStG (in der Fassung des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002-StEntlG) fallen u.a. Veräußerungsgeschäfte bei Grundstücken, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt. Gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 EStG (StEntlG) gilt als Anschaffung auch die Überführung eines Wirtschaftguts in das Privatvermögen des Steuerpflichtigen durch Entnahme oder Betriebsaufgabe. Bei unentgeltlichem Erwerb ist dem Einzelrechtsnachfolger für Zwecke dieser Vorschrift die Überführung des Wirtschaftsguts in das Privatvermögen durch den Rechtsvorgänger zuzurechnen (§ 23 Abs. 1 Satz 3 EStG). Diese Fassung des Gesetzes ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, erstmals für den Veranlagungszeitraum 1999 anzuwenden (§ 52 Abs. 1 Satz 1 EStG).
Bei § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG handelt es sich um einen sog. gestreckten Steuertatbestand, dessen Verwirklichung mit der Anschaffung des Wirtschaftsguts beginnt und mit dessen Veräußerung endet (BFH Beschluss vom 16.12.2003 IX R 46/02, BStBl II 2004, 284). Die Anschaffung stellt den Beginn der Tatbestandsverwirklichung des § 23 EStG dar. Fehlt es an einer Anschaffung oder einer Anschaffungsfiktion, s...