Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückstellung wegen Erfüllungsrückstandes bei Versicherungsvertreter aufgrund Pflegeverpflichtung für nur abschlussprovisionierte Versicherungsverträge. Rückstellungen für vom Rechtsvorgänger vermittelte und weiter betreute Versicherungsverträge
Leitsatz (redaktionell)
1. Übernimmt ein selbstständig tätiger Versicherungsvertreter für bestehende Verträge eine Bestandsbetreuungs- bzw. Pflegeverpflichtung, kann eine Rückstellung wegen Erfüllungsrückstands für künftige Betreuungsleistungen hinsichtlich der Verträge gebildet werden, für die keinen Anspruch auf gesondertes Pflegegeld besteht und für die ausschließlich ein Abschlussprovision vereinnahmt wird.
2. Erfüllt der Versicherungsvertreter als Rechtsnachfolger einer GbR die von dieser übernommene Pflegeverpflichtung für bestehende Verträge ohne Anspruch auf Pflegegeld, befindet er sich auch insoweit in Erfüllungsrückstand, als bereits die GbR die Abschlussprovision vereinnahmt hat. Die Rückstellungsbildung wird auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass die GbR die Bildung einer entsprechenden Rückstellung unterlassen hat.
3. Zeiten für Besprechungen im Zusammenhang mit Laufzeitverlängerungen und Anpassungen der Beitragssumme (soweit es sich um Erhöhungen der Versicherungssumme handelt) erhöhen nicht den Aufwand für die Bestandspflege (hier: Schätzung des Bestandspflegeaufwands nach den Gesamtumständen mit einer Stunde pro Vertrag).
Normenkette
EStG § 5 Abs. 1, § 6 Abs. 1 Nr. 3a; HGB § 249 Abs. 1
Tenor
1. Der Einkommensteuerbescheid und der Gewerbesteuermessbescheid vom 03. Juli 2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom 07. Mai 2007 werden dahingehend abgeändert, dass die Einkommensteuer auf 14.189 EUR und der Gewerbesteuermessbetrag auf 1.575 EUR herabgesetzt werden.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger zu 80 % und der Beklagte zu 20 %.
4. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Kläger die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leisten.
Tatbestand
Streitig ist, ob der Kläger als selbstständiger Versicherungsvertreter eine Rückstellung wegen Erfüllungsrückstands für künftige Betreuungsleistungen aufgrund bestehender Versicherungsverträge bilden kann.
I.
Die Kläger sind Ehegatten und wurden im Streitjahr zusammen zur Einkommensteuer (ESt) veranlagt. Der Kläger (Kl) erklärte u.a. gewerbliche Einkünfte aus dem Betrieb einer Versicherungsgeneralagentur. Diese führt er nach dem Ausscheiden seines Vaters aus der bis 31. Dezember 1993 bestehenden Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (nachfolgend GbR) als Einzelunternehmer. Im Rahmen der für das Streitjahr eingereichten Bilanz berücksichtigte der Kl eine Rückstellung für Kosten der Bestandspflege. Diese Rückstellung war bereits in der auf den 31. Dezember 2003 aufgestellten Bilanz mit einem Betrag von 22.412 EUR eingestellt worden. Im Streitjahr erhöhte der Kl die Rückstellung durch Zuführung eines weiteren Betrages in Höhe von 724 EUR auf 23.136 EUR.
Der Beklagte (das Finanzamt – FA –) erkannte diese Rückstellung nicht an und erhöhte den erklärten Gewinn von … EUR auf … EUR. Die ESt wurde mit Bescheid vom 03. Juli 2006 auf … EUR festgesetzt. Der Gewerbesteuermessbetrag (GewStMB) wurde mit Bescheid vom 03. Juli 2006 unter Ansatz eines Gewinns in Höhe von … EUR auf … EUR festgesetzt. Die hiergegen gerichteten Einsprüche wies das FA mit Einspruchsentscheidungen vom 07. Mai 2007 als unbegründet zurück.
Hiergegen richtet sich die fristgerecht eingereichte Klage. Zu deren Begründung wird –nachdem im Laufe des Klageverfahrens vom ursprünglich geltend gemachten Rückstellungsbetrag in Höhe von 23.536,75 EUR Abstand genommen wurde – im Wesentlichen Folgendes geltend gemacht: Zum Bestand der Generalagentur des Kl für die X-Versicherung (nachfolgend X-AG) (vorheriger Vertragspartner: V-Versicherung – nachfolgend V –) hätten zum 31. Dezember 2004 68 Pensionskassenverträge und 133 Direktversicherungen und Gruppenverträge ohne Bestandspflegeprovision gehört. Von weiteren 574 Lebens- und Rentenverträgen sei für 196 Verträge keine Bestandspflegeprovision gezahlt worden. Von insgesamt 775 Verträgen sei daher für 397 Verträge keine Bestandspflegeprovision von der X-AG geleistet worden. Der durchschnittliche Betreuungsaufwand pro Vertrag betrage 2 Stunden für die gesamte Laufzeit des Vertrages. Entsprechend der vom FA durchgeführten Berechnung betrage der Lohnaufwand für die insoweit eingesetzten Mitarbeiter durchschnittlich 15,18 EUR. Bei Ansatz von 397 Verträgen, 2 Stunden Pflegeaufwand pro Vertrag und einem Stundensatz von 15,18 EUR ergebe sich ein Rückstellungsbetrag in Höhe von 12.052,92 EUR. Den anfallenden Betreuungsaufwand hat der Kl mit Schreiben vom 16. Juli 2007 ausführlich dargelegt. Hierauf wird wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen. Auch hinsichtlich der vom Vater des Kl ü...