Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch auf Kindergeld für eine erwerbsunfähige äthiopische Staatsangehörige
Leitsatz (redaktionell)
1. Nach § 62 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c i. V. m. Nr. 3 EStG erhält ein nicht freizügigkeitsberechtigter Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG besitzt, Kindergeld nur, wenn er sich seit mindestens drei Jahren rechtmäßig, gestattet oder geduldet im Bundesgebiet aufhält und im Bundesgebiet berechtigt erwerbstätig ist, laufende Geldleistungen nach dem SGB III bezieht oder Elternzeit in Anspruch nimmt.
2. § 62 Abs. 2 EStG verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG (Rechtsprechung des BVerfG).
3. Für eine nicht freizügigkeitsberechtigte erwerbsunfähige Ausländerin lässt sich ein Anspruch auf Kindergeld auch nicht aus Art. 28 bzw. Art. 26 der Richtlinie 2004/83/EG (Qualifikationsrichtlinie) herleiten.
Normenkette
EStG § 62 Abs. 2; GG Art. 3; Richtlinie 2004/83/EG Art. 28, 26
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Streitig ist der Anspruch auf Kindergeld für eine erwerbsunfähige äthiopische Staatsangehörige, die im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) ist.
Die Klägerin hält sich seit Juni 2003 mit ihrem am 16. Juli 2000 geborenen Sohn S in Deutschland auf und ist ausweislich des vorgelegten Aufenthaltstitels seit 6. November 2007, nach ihrer Behauptung bereits seit 16. Oktober 2007, im Besitz einer bis zum 15. Oktober 2008 befristeten Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG. Im Oktober 2007 bezog die Klägerin Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG), ab November 2007 bis Januar 2008 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) und ab Februar 2008 laufende Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII). Nach dem ärztlichen Gutachten des Referates für Gesundheit und Umwelt der Stadt M vom 18. Dezember 2007 ist die Klägerin auf Dauer, d. h. voraussichtlich länger als sechs Monate, erwerbsunfähig; eine Nachuntersuchung wurde erst nach Ablauf von 18 Monaten empfohlen.
Mit Bescheid vom (…) 2008 lehnte die Beklagte (die Familienkasse) die Gewährung von Kindergeld ab, weil die Voraussetzungen nach § 62 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nicht vorlägen.
Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren eingelegte Klage begründet die Klägerin im Wesentlichen wie folgt:
Da sie zwar zur Erwerbstätigkeit berechtigt, aber erwerbsunfähig sei, seien die Voraussetzungen des § 62 Abs. 2 Nr. 3 EStG, wonach ein Anspruch auf Kindergeld nur im Falle der Erwerbstätigkeit, des Bezugs von Geldleistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) oder der Inanspruchnahme von Elternzeit bestehe, wegen Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz verfassungswidrig. Maßgeblich sei nach den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom Dezember 2004, ob sich ein Ausländer voraussichtlich auf Dauer in Deutschland aufhalten werde, was bei ihr der Fall sei. Die Erwerbsunfähigkeit hindere die Integration nicht.
Ein Anspruch auf Kindergeld ergebe sich weiter aus Art. 28 bzw. Art. 26 Abs. 5 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatenangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Qualifikationsrichtlinie). Bei der Klägerin sei im September 2007 vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG festgestellt worden, sodass sie subsidiären Schutz im Sinne der Qualifikationsrichtlinie genieße. Das Kindergeld habe nicht nur steuerrechtlichen Charakter, sondern enthalte nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) auch soziale Elemente. Dementsprechend sei es als Sozialhilfeleistung i. S. der Qualifikationsrichtlinie anzusehen, die im Gegensatz zu dem Abkommen über die Rechtstellung der Flüchtlinge (verkündet mit Gesetz vom 1. September 1953; Genfer Konvention) keinen Vorbehalt hinsichtlich ausschließlich aus öffentlichen Mitteln bestrittener Leistungen kenne. Da das Kindergeld zu den Kernleistungen der Sozialleistungen zähle, verstoße die Versagung von Kindergeld wegen Erwerbsunfähigkeit der Klägerin gegen Art. 28 der Qualifikationsrichtlinie.
Weiterer Anknüpfungspunkt für den Kindergeldanspruch sei Art. 26 der Qualifikationsrichtlinie, der in Abs. 5 den Zugang zu Systemen der sozialen Sicherheit im Rahmen der abhängigen oder selbständigen Erwerbstätigkeit eröffne. Ein erwerbsunfähiger Deutscher erhalte im Gegensatz zu der Klägerin nach den Bestimmungen des deutschen Rechts Kindergeld. Damit widerspreche das deutsche System den Vorgaben der Europäischen Union.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Ablehn...