Entscheidungsstichwort (Thema)
Abzugsverpflichtung eines ausländischen Vergütungsschuldners
Leitsatz (redaktionell)
Bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Überprüfung bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit einer Steueranmeldung nach § 50a EStG, auf deren Grundlage ein ausländischer Vergütungsschuldner, der ohne weiteren Inlandsbezug lediglich eine Vergütung nach § 50a Abs. 4 EStG ausgezahlt hat, zur Einbehaltung und Abführung des Steuerabzugs nach § 50a Abs. 4 EStG verpflichtet ist. Zudem bestehen aufgrund möglicher Doppelbelastungen Bedenken im Hinblick auf einen Verstoß gegen die Dienstleistungsfreiheit nach Art. 49 EG-Vertrag.
Normenkette
EStG § 50a Abs. 4, 4 S. 2; EStDV § 73e; EGV Art. 49; EStG § 50a
Tatbestand
Die Antragstellerin (Astin.) ist eine Gesellschaft österreichischen Rechts mit Sitz in …. Sie produziert Theaterstücke und Musikveranstaltungen. Im Jahre 2002 führte sie eine Veranstaltung bei den Ruhrfestspielen in Recklinghausen mit dem Titel „Frida – The Story of Frida Kahlo” auf. Im Rahmen der Durchführung dieser Musikveranstaltung schloss sie mit verschiedenen ausländischen Künstlern Engagementverträge ab, in denen sie sich u.a. verpflichtete, für jeden Auftritt des Künstlers ein bestimmtes Honorar zu zahlen. Mit Vertrag vom 05.06.2002 erwarb die inländische Vertragspartnerin der Astin., die Firma O GmbH mit Sitz in … 6 Aufführungen der Produktion „Frida – The Story of Frida Kahlo” zur Präsentation bei den Ruhrfestspielen in Recklinghausen 2002. In dem Vertrag verpflichtete sich die Astin., die Produktion vollständig zur Aufführung zu bringen und die gesamten Kosten für Herstellung und Durchführung der Produktion incl. allem notwendigen künstlerischen und technischen Personal etc. zu tragen. Für die vereinbarten 6 Aufführungen hatte die Firma O GmbH an die Astin. ein Honorar i.H.v. 101.700,00 EUR zu zahlen.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Engagementverträge und dem Vertrag über den Verkauf der Produktion „Frida – The Story of Frida Kahlo” wird auf die bei den Gerichtsakten befindlichen Vertragsmuster Bezug genommen.
Die inländische Vertragspartnerin, die Firma O GmbH, zog von den Einnahmen der Astin. die Abzugsteuer nach § 50 a Abs. 4 EStG ab und gab eine entsprechende Anmeldung beim zuständigen Finanzamt ab. Die von der Firma O GmbH einbehaltene Steuer wurde nicht an das Finanzamt abgeführt.
Im Verfahren nach § 50 a Abs. 1 EStG beantragte die Astin. die Erstattung der einbehaltenen Steuern beim Bundesamt für Finanzen. Über eine Erstattung ist nach Aktenlage nicht abschließend entschieden worden. Im Rahmen des Erstattungsverfahrens bestand das Bundesamt für Finanzen darauf, dass die Astin. die streitgegenständliche Steueranmeldung der sog. zweiten Ebene für diejenigen Vergütungen abgibt, für die sie selbst einbehaltungs- und abführungsverpflichtet sein soll (Astin. als Vergütungsschuldnerin zu ihren selbständigen ausländischen Künstlern als Vergütungsgläubiger.
Vergütungsschuldnerin der so genannten ersten Ebene ist die inländische Vergütungsschuldnerin O zur Astin. als ausländischer Vergütungsgläubigerin.
Die Astin. kam der Aufforderung des Bundesamtes für Finanzen nach und gab eine entsprechende Steueranmeldung ab. Gleichzeitig legte sie gegen die abgegebene Steueranmeldung Einspruch ein und beantragte deren Aussetzung der Vollziehung. Über den Einspruch der Astin. ist noch nicht entschieden. Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung wurde vom Antragsgegner (Ag.) mit Verfügung vom 13.06.2003 abgelehnt.
Die Astin. vertritt die Auffassung, dass ein ausländischer Vergütungsschuldner die Abzugspflicht nach § 50 a Abs. 4 EStG nur dann zu beachten hat, wenn er im Inland eine Einrichtung unterhält, durch die die Vorschriften über den Steuerabzug vollzogen werden können. Das bloße Veranstalten eines Konzerts führe in keinem Fall zur Begründung einer Einrichtung i.S. der von der Astin. zitierten Rechtsprechung. Die Astin. vertritt weiterhin die Auffassung, dass die vom Ag. vertretene Rechtsauffassung mit dem EG-Vertrag nicht vereinbar sei. Eine Verpflichtung der Astin. zum Steuerabzug würde zu einer Beeinträchtigung der Dienstleistungsfreiheit nach § 49 EG-Vertrag führen. Eine solche Verletzung der Dienstleistungsfreiheit ergebe sich daraus, dass sie für die Freistellung vom Steuerabzug nach § 50 a Abs. 4 EStG für ihre Vergütung auf der ersten Ebene verantwortlich sei und das Risiko des Untergangs einbehaltener Steuern auf der Ebene des Vergütungsschuldners tragen solle und zusätzlich Schuldnerin für den Steuerabzug auf der so genannten zweiten Ebene sein solle. Die Beschränkungen und Erschwernisse seien mit der Dienstleistungsfreiheit nach § 49 EG-Vertrag unvereinbar.
Die Astin. beantragt,
die Vollziehung der Steueranmeldung nach § 50a Abs. 4 EStG für IV/2002 vom 11. Dezember 2002 auszusetzen.
Der Ag. beantragt,
den Antrag abzuweisen.
Er ist der Auffassung, dass die angefochtene Steueranmeldung nach § 50a Abs. 4 EStG der geltenden Rechtslage und der Verwaltungsauffassung entspreche...