Entscheidungsstichwort (Thema)
Ermäßigter Steuersatz auf Sondennahrung
Leitsatz (redaktionell)
Für Sondennahrung gilt der ermäßigte Umsatzsteuersatz als "verschiedene Lebensmittelzubereitung" i.S.v. Kapitel 21 des Zolltarifs und Nr. 33 Anlage 2 zum UStG. Es handelt sich nicht um Getränke, alkoholhaltige Flüssigkeiten oder Essig i.S.v. Kapitel 22 des Zolltarifs.
Normenkette
Anlage 2 zum UStG Nr. 33; Zolltarif Kapitel 21; Zolltarif Kapitel 22; UStG § 12 Abs. 1 Nr. 1
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes auf die Lieferung von Sondennahrung.
Die Klägerin betreibt ein Sanitätshaus und hat im Streitjahr 2003 für … EUR (brutto) Sondennahrung verkauft.
Die von der Klägerin am 1. Juni 2004 eingereichte USt-Erklärung für 2003 mit einer festzusetzenden USt in Höhe von … EUR stand einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich.
Mit Schreiben vom 5. November 2008 beantragte sie die Änderung der Umsatzsteuer 2003. Zur Begründung führte sie aus, dass sie Versicherte von Krankenkassen mit spezieller Sondennahrung beliefere. Unter Verweis auf die Entscheidung des LSG Rheinland-Pfalz (L 5 KNK 1/06, RDG 2008, 9) vertrat sie die Auffassung, dass auf die Lieferung von Sondennahrung der ermäßigte Steuersatz Anwendung finde.
Den Änderungsantrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 13. November 2008 ab mit der Begründung, dass Sondennahrung in Kapitel 22 des Zolltarifs einzuordnen sei und damit dem Regelsteuersatz unterliege.
Den Einspruch hiergegen wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 6. April 2009 als unbegründet zurück.
Zur Begründung ihrer Klage trägt die Klägerin vor, dass der ermäßigte Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i. V. mit der Anlage 2 lfd. Nr. 33 u. a. zur Anwendung komme, wenn es sich bei der Sondennahrung um eine „verschiedene Lebensmittelzubereitung” nach Kapitel 21 des Zolltarifs handele. Insoweit bedürfe es einer Abgrenzung gegenüber dem Kapitel 22 des Zolltarifs („Getränke, alkoholhaltige Flüssigkeiten und Essig”), deren Produkte bei Lieferung der Besteuerung mit dem Regelsteuersatz unterfielen.
Die Klägerin vertritt die Auffassung, dass Sondennahrung nicht als Getränk i. S. d. Kapitels 22 zu qualifizieren sei. Der EuGH habe in seiner Entscheidung vom 26. März 1981 (Rs. C-114/80, EuGHE 1981, 895 zur Bierhefe) keinerlei Veranlassung gehabt, die Sondennahrung in seine Erwägungen einzubeziehen, da sich der Entwicklungsstand seinerzeit erst im Anfangsstadium befunden habe. In den Erwägungsgründen des Abs. 1 Nr. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1777/2001 vom 7. September 2001 (ABl EG Nr. L 240/4 vom 8. September 2009) sei angeführt, dass die Zubereitung für besondere diätetische Zwecke, einschließlich Zubereitungen für besondere Ernährungszwecke und Nahrungsergänzungsmittel üblicherweise in Kapitel 21 als Lebensmittelposition 2106 erfasst sei. Gegen eine Zurechnung zu den nicht begünstigen Getränken spreche die besondere Eigenart der Sondennahrung. Sie sei Ersatz für feste Nahrungsmittel und entspreche in ihrer Zusammensetzung und in ihrem Nährwert fester Nahrung.
Es handele sich nicht um eine „genießbare” Flüssigkeit, da sie wegen des Fehlens jeglicher Geschmacks- und Aromastoffe ausgesprochen übel schmecke mit der Folge, dass die Flüssigkeit, würde sie getrunken, aus der Sicht eines Durchschnittsverbrauchers nicht genießbar sei. Trotz ihres flüssigen Zustandes werde sie nicht getrunken, sondern über eine Magensonde verabreicht. Sie müsse nur wegen ihrer Verabreichung über ein Schlauchsystem fließfähig sein. Der flüssige Aggregatzustand der Sondennahrung beruhe allein darauf, dass die Betroffenen krankheitsbedingt Nahrung nicht in fester Form zu sich nehmen könnten, sondern über ein Schlauchsystem versorgt werden müssten, das bei Zuführung fester Nahrung verstopfen würde. Es sei daher nicht möglich, die betroffenen Präparate als Getränke einzuordnen, da sie für besondere diätische Zwecke hergestellt und zubereitet würden. Der BFH habe in seiner Entscheidung vom 30. März 2010 (VII R 35/09, BFHE 229, 399, BFH/NV 2010, 1390) ein Erzeugnis dann nicht als trinkbar angesehen, wenn es dem Durchschnittsverbraucher unmöglich sei – aus gesundheitlichen oder geschmacklichen Gründen – das Erzeugnis unmittelbar, ohne Verdünnung oder sonstige Beigabe zu trinken. Sondennahrung falle bereits auf Grund ihrer geschmacklichen Ungenießbarkeit für den Durchschnittsverbraucher nicht unter den Begriff des Getränks, sondern sei vielmehr als Nahrungsmittel einzustufen.
Auch bei verfassungskonformer Auslegung sei vorliegend der ermäßigte Steuersatz zu gewähren. Nach Art. 3 Abs. 2 GG dürfe niemand wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. Zwar würden hierdurch originäre subjektive Leistungsansprüche nicht begründet, jedoch ein spezielles Benachteiligungsverbot konkretisiert. Die Gruppe behinderter Menschen, die auf Flüssignahrung angewiesen sei, würde im Verhältnis zu Gesunden in nicht zu rechtfertigender Weise benachteiligt, ...