Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung des Vergütungsschuldners für die Einbehaltung und Abführung der auf die Vergütung entfallende Einkommensteuer des beschränkt steuerpflichtigen Vergütungsgläubigers (Steuerschuldner) - Durchbrechung der Haftungsakzessorietät gemäß § 50d Abs. 1 EStG - Unbeachtlichkeit der Steuerfreistellung nach DBA
Leitsatz (redaktionell)
1) Der Vergütungsschuldner haftet für die Einbehaltung und Abführung der Einkommensteuer des beschränkt steuerpflichtigen Vergütungsgläubigers selbst dann, wenn dieser nach den Vorschriften des DBA (hier: Österreich - USA ) mit seinen im Inland erzielten Einkünften hier steuerfrei ist; insoweit ist die Haftungsakzessorietät gemäß § 50d Abs. 1 EStG durchbrochen.
2) Bei der Inanspruchnahme des Haftenden ist die Finanzbehörde in analoger Anwendung des § 162 AO zur Schätzung berechtigt.
3) Der in § 50a Abs. 4 S. 2-4 EStG geregelte Steuerabzug in Höhe von 25 v.H. ohne Berücksichtigung etwaiger Abzüge verstößt weder gegen das Grundgesetz noch gegen EG-Recht; Ausnahmefälle einer konfiskatorischen Besteuerung werden ggf. durch einen verfassungsrechtlichen Anspruch auf Billigkeitserlass gemindert.
Normenkette
EStG § 49 Abs. 1, 1 Nr. 3, § 50a Abs. 4-5, § 50d Abs. 1; AO 1977 § 90 Abs. 2, § 151 Abs. 5, §§ 162-163, 191, 219 S. 1, § 227; FGO § 76 Abs. 1, 1 S. 1, § 96 Abs. 1, 1 S. 1; ZPO § 444; GG Art. 3, 14; EG Art. 49 (früher Art. 59 EGVtr); EStG § 1 Abs. 4
Nachgehend
Tatbestand
Zu entscheiden ist, ob der Beklagte (das Finanzamt – FA –) zu Recht gegenüber der Klägerin (Klin.) einen Haftungsbescheid gem. § 50 a Abs. 5 Einkommensteuergesetz (EStG) erlassen hat.
Die Konzertdirektion (W.) in M engagierte mit der Vereinbarung (Werkvertrag) Nr. 343/95 über die Konzertdirektion S GmbH, (= Klägerin) das Gitarrenquartett „Lo Ro” aus den USA für einen Auftritt in Deutschland (M) am 03.05.1996. Sie schuldete dafür ein festes Honorar i. H. v. 14.000 DM. Nach Punkt 7 der Vereinbarung übernahm die Klin. die anfallenden Kosten für Honorare, Reisen, Unterkunft und Verpflegung der Künstler.
Die Konzertdirektion W. gab bzgl. des von ihr geschuldeten festen Honorars eine Anmeldung über den Steuerabzug von Vergütungen des § 50 a Abs. 4 EStG bei beschränkt Steuerpflichtigen ab und führte die angemeldeten Beträge an das FA ab.
Auf einen entsprechenden Antrag der Klin. beim Bundesamt für Finanzen erteilte dieses der Klin. mit Freistellungsbescheid nach § 50 d Abs. 3 EStG vom 13.02.1998 die Freistellung für die Vergütungen, die die Konzertdirektion W. (Schuldner der Vergütung) an die Klin. als Gläubigerin der Vergütungen im Zeitraum 01.05. – 31.05.1996 gezahlt hatte (Leistungsverhältnis Klin.-W.).
Hiervon unabhängig war das FA der Auffassung, daß die ausländischen Musiker mit ihren inländischen Einkünften gem. § 1 Abs. 4 i. V. m. § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG beschränkt steuerpflichtig seien. Die ESt werde gem. § 50 a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG im Wege des Steuerabzugs erhoben. Die Klin. aus S (Östereich) sei als Vergütungsschuldnerin zum Steuerabzug verpflichtet, da sie mit Inlandsbezug tätig werde (Leistungsverhältnis Künstler – Klin.). Werde der Steuerabzug nicht ordnungsgemäß vorgenommen, hafte die Klin. gem. § 50 a Abs. 5 Satz 5 EStG. Der Steuerabzug könne nur unterbleiben, wenn das Bundesamt für Finanzen einen entsprechenden Freistellungsbescheid erteilen werde. Ein Freistellungsbescheid sei auch bei der Freistellung durch ein Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) erforderlich (Schreiben des FA an die Klin. vom 11.09.1996).
Als die Klin. weder eine Anmeldung abgab noch einen Antrag auf Freistellung stellte, erließ das FA gegenüber der Klin. am 10.12.1996 einen Haftungsbescheid gem. § 50 a Abs. 5 EStG über insgesamt 3.307 DM. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt dieses Bescheides Bezug genommen.
Die Klin. trug zur Begründung ihres dagegen eingelegten Einspruchs vor, es bestehe keine Rechtsgrundlage für diesen Haftungsbescheid. Nach Art. 4 des DBA Österreich seien die Vergütungen, die sie aus der Organisation von Konzerten in der BRD erhalte, steuerpflichtig. Ein Steuerabzug gem. § 50 a Abs. 4 EStG komme nicht in Betracht. Im übrigen sei es leicht nachvollziehbar, daß das DBA Österreich – Deutschland keine dem Art. 17 Abs. 2 OECD-Musterabkommen entsprechende Regelung enthalte. Sie habe kein Verständnis dafür, daß man den gleichen Steuervorgang mehrfach zu versteuern versuche, zumal aufgrund des DBA-Österreich – Deutschland diese Vorgehensweise ausgeschlossen sei. Sie beruft sich insoweit auf die Entscheidung des BFH vom 10.06.1992 I B 1/92 BFH/NV 1993, 27. Die Vergütung, die sie für die Durchführung des Konzertes am 03.05.1996 aufgrund des Vertrages mit der Konzertdirektion W. erhalten habe, sei auf Verantwortung des FA um den Steuerabzug nach § 50 a Abs. 4 EStG gekürzt und vom FA vereinnahmt worden. Sie unterliege nicht den Regeln des deutschen EStG, da sie keine Betriebsstätte in der BRD habe. Die Vergütung, die sie an die Musiker in Österreich bezahlt...