Entscheidungsstichwort (Thema)
Teleologische Reduktion des § 8c Abs. 1 KStG 2002 n.F.
Leitsatz (redaktionell)
§ 8c Abs. 1 KStG 2002 n.F. ist teleologisch und verfassungskonform zu reduzieren, wenn der Beteiligungserwerb nicht zu einem change of control führt.
Normenkette
KStG 2002 § 34 Abs. 6 S. 1 n.F., § 8c Abs. 1 n.F.
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist zwischen den Beteiligten das Vorliegen eines schädlichen Beteiligungserwerbs i.S. des § 8c Abs. 1 Satz 1 des Körperschaftsteuergesetzes 2002 in der (rückwirkend anzuwendenden) Fassung vom 11.12.2018 (KStG 2002 n.F.).
Die Klägerin wurde am 21.12.2009 mit Sitz in B gegründet und firmierte zunächst als CDE GmbH (CDE GmbH). Das Stammkapital betrug 25.000 €. Gesellschafter waren die CD & F mbH (C GmbH) mit 50,2 % sowie Frau G E mit einem Geschäftsanteil von 49,8 %.
Mit Geschäftsanteilskauf- und Übertragungsvertrag vom 18.6.2015 erwarb die C GmbH die Anteile von Frau E, so dass sie nunmehr zu 100 % an der Klägerin beteiligt war.
Bereits am 23.6.2015 teilte die C GmbH ihren ursprünglichen Geschäftsanteil in drei Anteile mit Nennwerten zu 2.550 €, 5.000 € (entspricht 20 %) und 5.000 € (entspricht 20 %) auf. Die beiden Geschäftsanteile zu 20 % veräußerte die C GmbH an die Herren H und J. Die C GmbH selbst blieb zu 60 % an der Klägerin beteiligt.
Am selben Tag fassten die Gesellschafter den Gesellschaftsvertrag neu und verlagerten den Sitz der Klägerin, die in diesem Zusammenhang ihre heutige Firma erhielt, nach K. Die Klägerin ist seit dem 27.7.2015 im Handelsregister des Amtsgerichts L (HRB 111111) eingetragen.
Mit Schenkungs- und Abtretungsvertrag vom 21.11.2017 teilte Herr J seinen Geschäftsanteil in drei einzelne Geschäftsanteile mit den Nennwerten 1.275 €, 625 € und 3.100 €. Mit derselben Urkunde übertrug er die drei Geschäftsanteile schenkungsweise an die M mbH. Die Anteilsverhältnisse stellten sich dadurch wie folgt dar:
C GmbH |
60 % (= 15.000 €) |
H |
20 % (= 5.000 €) |
M mbH |
20 % (= 5.000 €) |
Die M veräußerte ihre drei Anteile mit Geschäftsanteilsübertragungsvertrag vom 19.12.2017 an drei Erwerber:
--- C GmbH |
12,4 % (= 3.100 €) |
--- N mbH |
5,1 % (= 1.275 €) |
--- O-GbR |
2,5 % (= 625 €) |
Danach stellten sich die Beteiligungsverhältnisse an der Klägerin wie folgt dar:
--- C GmbH |
72,4 % |
--- H |
20,0 % |
--- N mbH |
5,1 % |
--- O-GbR |
2,5 % |
Zum 31.12.2017 stellte der Beklagte (das Finanzamt –FA–) einen verbleibenden Verlustvortrag zur Körperschaftsteuer und den vortragsfähigen Gewerbeverlust in Höhe von jeweils 574.090 € fest.
Mit Urkunde vom 11.7.2018 beschlossen die Gesellschafter der Klägerin eine Stammkapitalerhöhung von bislang 25.000 € um 9.470 € auf nunmehr 34.470 €. Diese wurde disquotal allein durch die C GmbH übernommen. Verbunden war die Stammkapitalerhöhung mit einem Aufgeld in Höhe von 240.538 €, die an die Klägerin zum Zwecke der Einstellung in die Kapitalrücklage gemäß § 272 Abs. 2 Nr. 4 des Handelsgesetzbuches zu leisten war. Danach stellten sich die Beteiligungsverhältnisse an der Klägerin wie folgt dar:
--- C GmbH |
rd. 79,98 % |
--- H |
rd. 14,50 % |
--- N mbH |
rd. 3,70 % |
--- O-GbR |
rd. 1,81 % |
In der am 20.2.2020 bei dem FA eingegangenen Körperschaftsteuererklärung für 2018 erklärte die Klägerin einen verbleibenden Verlustvortrag 574.090 € sowie einen zu berücksichtigenden Verlust für 2018 in Höhe von 269.819 €. Der erklärte verbleibende Verlustvortrag zur Körperschaftsteuer zum 31.12.2018 betrug 843.909 €. In der zeitgleich abgegebenen Gewerbesteuererklärung bezifferte die Klägerin den Verlust aus Gewerbebetrieb ebenfalls mit 269.819 € und machte daneben Angaben zu Hinzurechnungen gem. § 8 Nr. 1 des Gewerbesteuergesetzes 2002 (GewStG 2002).
Das FA meinte indes, dass aufgrund des § 8c KStG 2002 n.F. nicht der gesamte Verlust berücksichtigungsfähig sei. Die Kapitalerhöhung am 11.7.2018 habe zu einem Überschreiten der 50 %-Grenze geführt. Dementsprechend gehe der Verlust der Klägerin wie folgt unter:
Verlust bis zum 31.12.2017 |
594.090 € |
Zzgl. bis zum 11.7.2018 erzielter Verlust |
141.693 € |
Untergang des Verlustes insgesamt |
715.783 € |
Am 4.6.2020 ergingen Bescheide für 2018 über Körperschaftsteuer und den Gewerbesteuermessbetrag, über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer zum 31.12.2018 sowie auf den 31.12.2018 über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 27 Abs. 2 und § 28 Abs. 1 Satz 3 KStG 2002. In dem Körperschaftsteuerbescheid berücksichtigte das FA den erklärten steuerlichen Fehlbetrag in Höhe von 273.575 €. Nach Abzug der nicht abziehbaren Aufwendungen i.S. des § 10 KStG 2002 in Höhe von (unstreitig) 4.211 € verblieb eine Summe der Einkünfte in Höhe von minus 269.364 €. Diesen Betrag minderte das FA um den seiner Ansicht nach gemäß § 8c KStG 2002 n.F. nicht berücksichtigungsfähigen Verlust des laufenden Veranlagungszeitraums in Höhe von 141.693 € (192/365 von 269.364 €). Aufgrund dessen ging das FA von einem zu versteuernden Einkommen von minus 127.671 € aus. ...